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Ausgabe:

1914 Nr. 4

Spalte:

117-119

Autor/Hrsg.:

Böckenhoff, Karl

Titel/Untertitel:

Reformehe und christliche Ehe 1914

Rezensent:

Steffen, M.

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 4.

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interpretation of the universe. So far as I know myself
to be a sinner, I discover Christ to be my Saviour. Grace
is not something stored up, but a condition of God's ever
present activity. If the historical Christ is to mean any-
thing to us, he must first be a fact of our experience;
in redeeming us, he convinces us that he is God. Several
of the sermons have reference to strikes and the coal
war of a year or two ago. In these the author seeks
first to indicate the fetters which still bind the common
people, and then to awaken a generous and unselfish
response and enthusiasm for the human race, which it is
the aim of the gospel to create. In the sermon on 'Christ
and Marriage', the principles are suggested on which

Ehe treten können, wird durch die Unterfcheidung von
fittlich und rechtlich und die Überordnung des Rechtlichen
über das Sittliche überwunden. Hier wird proteftantifche
Ethik grundfätzlich eine andre Stellung einnehmen. Sie
wird die z. T. mit berechtigtem Sarkasmus vorgetragene
Kritik der Ehereformer anerkennen, denen bei ihrem, von
allem Pflichtbewußtfein verlaffenen individualiftifchen Ehebegriff
das Kind ,ein Problem' bleibt. Aber fie wird auch
den diefen übertreibenden Anfchauungen zugrunde liegenden
fittlichen Tendenzen Gerechtigkeit widerfahren laffen,
und wird darum im praktifchen Leben lieber Menfchliches
menfchlich beurteilen als das Ideal zu einem Zwang machen.
Die katholifche Anfchauung hat den Schein größerer fitt-

Christian thinking should be founded. He takes account j licher Strenge für fich; aber im tiefften Grunde ift es doch

of the problem arising from the modern condition of
women, and declares that Christ gave neither a canon
for the church nor a Christian ideal. He finds the meaning
of marriage neither in civil contract nor in relation to
the State, but in the facts of the physical nature of the
sexes and in their bearing on the human race. The dis-
cussion is one of vigor and frankness, and the position
maintained is extremely vital to social well-being. A chief
interest in the book lies in the preacher's use of a point
of view which has begun to appear in philosophical and
theological circles, due to emphasis on will in personality —
the striving God. In the sermons on 'The Traveller',
God's Difficulties', The Great Adventurer', and in
several others, the idea of God is not that of the Absolute
, the Omniscient, the Omnipotent, abiding in static
and changeless repose, — this, if reached at all, belongs
to the end rather than to the beginning, — but of a
personality that exists and builds itself up in action.
The absoluteness of God is not denied; it is simply
ignored; it may indeed be true, but if so it has no
practical bearing on human problems. We may ultimately
arrive at such a position, but meantime, the God who
has revealed himself in Jesus Christ, whom we need in
the midst of our sin and moral struggle, is 'a living God,
marching through the ages, travelling in history, taking
the risks of development as he beats out a progressive

Mangel an Ehrfurcht vor dem Sittlichen.

Das zeigt fich befonders an zwei Punkten. Einmal
an der Beurteilung des Gefchlechtlichen. Der Verfaffer
verteidigt feine Kirche gegen den Vorwurf, daß fie das
Gefchlechtsleben an fich für fündig anfehe; er tadelt, daß
auch Harnack den Vorwurf ,der mönchifchen Anficht von
der Unreinheit der Ehe' erhebe. Solche Anfchauungen
von der Sündhaftigkeit des Gefchlechtslebens auch in der
Ehe fänden fich vielmehr bei Luther, während die katholifche
Kirche von Anfang an bis zu Leo XIII hin die Ehe
ihrem Wefen nach als etwas Heiliges bezeichnet habe;
das Gefchlechtsleben an fich fei etwas Gutes, weil Gottgewolltes
. Wenige Seiten fpäter aber erklärt er dann doch,
daß die gefchlechtliche Anlage und Funktion nicht an fich
etwas Heiliges fei, fondern wie keine andre Seite des
menfchlichen Lebens an den Folgen der Erbfünde leide.
Aber diefe Unbotmäßigkeit, die er ebenfo wie Luther
fchildert, fei nur ein Übel und eine Strafe, nicht an fich
Sünde, und darum ohne Sünde, weil fie die Ausübung
des ehelichen Gefchlechtsverhältniffes begleitet. Wenn man
fich einmal auf diefen Standpunkt ftellt, dann vertritt hier
Luther wirklich die größere Energie des fittlichen Denkens.
Aber die moderne proteftantifche Ethik erkennt die Vor-
ausfetzung nicht an, fondern macht vollen Ernft mit dem
Satz, daß das Natürliche durch die Gerinnung heilig oder
unheilig wird.

purpose'. 'Our God is a human God.' Ähnlich ift die Stellung der katholifchen Kirche zur

Chicacro Beckwith Unauflöslichkeit der Ehe. Der Verfaffer rühmt, wie feine

____ Kirche allein an diefem von der chriftlichen Ethik auf-

Böckenhoff, Prof. Dr. Karl: Reformehe und chriftliche Ehe. ; geftellten Poftulat unbeirrt feftgehalten habe. Freilich

(124 S.) gr. 8°. Köln, J. P. Bachem 1912. M. 2.4O; auf dfr letzy5,n Sej-e wird "eii_er Anmerkung die auch

, M vom kanonifchen Recht zugelaffene ,Trennung von Tifch

zd. m. 3.20 ! und Bett, erwähnt D;efe Unauflöslichkeit fo ftrenge feilzuhalten
ift aber nur möglich, wenn für den Fall, daß in
einer Ehe die Liebe fehlt oder gar in ihr Gegenteil verkehrt
ift, der Satz aufgeftellt wird, daß dann die Ehe als

Das Buch, das die kirchliche Druckerlaubnis des
Kölner Erzbifchöfliehen Generalvikariates trägt, ift aus
öffentlichen Vorlefungen an der Straßburger Univerfität

erwachfen und gibt eine Verteidigung der katholifchen j folche gut und heilig, aber ihr Inhalt verwerflich und

Lehre von der Ehe gegen moderne Reformbeftrebungen
auf fexual-ethifchem Gebiet. Nach einer Einleitung, welche
die mit Luther beginnende Gefchichte diefer Reform

häßlich fei. Daneben Helle man den andern Satz, daß
ein Gefchlechtsverhältnis ohne Rechtsformen wegen diefes
Mangels von vornherein als unfittlich zu betrachten fei,

bewegung gibt, wird in drei Kapiteln über den Urfprung, , wenn auch im übrigen fein Inhalt, das Verhältnis der
den Zweck und das Wefen der Ehe geredet. Eine Aus- | Gatten, von idealer Innigkeit und Harmonie wäre (S. 111).
einanderfetzung mit der proteftantifchen Ethik in diefer | Bei folcher Überfchätzung des Formalen wehrt fich der

Frage wird nicht gefucht. Dagegen nimmt die Darfteilung
und Widerlegung der naturaliftifchen und romantifchen
Reformvorfchläge den weiteften Raum ein; denn der Verfaffer
will Führer der Jugend fein ,durch die Wirrfale
moderner Sexualtheorien, die fo viel Jugendreinheit und
Menfchenglück gefährd

Jen'.

Verfaffer vergeblich gegen die Anfchuldigung, daß der
katholifchen Ethik die Schale alles fei und der Kern nicht
in Betracht komme. Darüber hilft auch die Forderung
nicht hinweg, daß erft die chriftliche Liebe der Ehe ihren
wahren Inhalt geben kann. Der Verf. hat Recht, wenn
er der natürlichen Zuneigung und Anziehung der Ge-
JJie Schrift zeugt von gründlicher Kenntnis auch der i fchlechter, die als ein Erlebnis nicht eine fittliche Pflicht
extremlten modernen Literatur auf diefem ftark angebauten , fein kann, die fittliche Liebe gegenüberftellt, welche dem
Oebiet. Dem hier vertretenen rein individualiftifchen Ehe- ! Bund erft den Wert verleiht, der feine lebenslängliche
begriff, der einzig am Recht der Perfönlichkeit der Gatten I Dauer fordert und zu ihr uns den Mut gibt. Aber wie
orientiert ift, ftellt er den fozialen, durch Vernunft und I er im erften Kapitel die beiden Sätze: ,die Ehe kein Pro-
Offenbarung gegebenen Begriff der Ehe als eines Rechts- dukt der Kulturentwickelung', fondern ,vom Schöpfer ein-
bandes gegenüber. Denn der primäre Zweck der Ehe gefetzt' mit Hilfe des Offenbarungsbegriffs in ausfchließ-
fei Erzeugung und Erziehung der Kinder; erft der fekun- liehen Gegenfatz ftellt, fo verfucht er auch hier nicht, in
däre Zweck die Liebe und gegenfeitige Förderung der | innerer Entwicklung den Weg vom Erlebnis der Liebe
Gatten. Die Spannung, in die diefe beiden Zwecke der j zur fittlichen Pflicht der Liebe aufzuzeigen. Die Ehe ift