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Ausgabe: | 1914 Nr. 1 |
Spalte: | 560-561 |
Autor/Hrsg.: | Goetz, Walter |
Titel/Untertitel: | Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V. und der sogenannten Adelsverschwörung von 1563 1914 |
Rezensent: | Schornbaum, Karl |
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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 18/19.
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hiftorifche Gefichtspunkte ignoriert und fchließlich nur
eine gefchichtliche Illuftration oder den nachträglichen
gefchichtlichen Beweis für eine beftimmte, aus der gegenwärtigen
Lage zu begreifende dogmatifche und homi-
letifche Auffaffung liefert. Eine folche Annahme würde
nur auf die äußere Form der Arbeit fich ftützen können,
ihren inneren Gehalt jedoch verkennen und die Bedeutung
nicht würdigen, die die Konzentrierung auf die religiöfe
Eigenart der Predigt Luthers und eine etwa erreichbare
Einheit ihrer Gedanken grade gegenwärtig befitzt, wo
katholifche Hiftoriker innere Unklarheiten, unvermittelte
Widerfprüche, Mangel an Zufammenhalt der Teile und
dazu unberechtigte Anfchuldigungen gegen die katholifche
Predigt und mehr oder weniger leichtfertige Fäl-
fchungen des katholifchen religiöfen Syftems und der
katholifchen Praxis konftatieren.
Angefichts diefer Lage wird man der energifchen,
ftraffen und ficheren Zeichnung der religiöfen Originalität
der Predigt Luthers fich freuen. Luther war fehr wohl
berechtigt, der katholifchen Chriftuspredigt den Vorwurf
zu machen, daß fie den Heiland Chriftus nicht predige,
und daß er felbft in feiner Jugend Chriftum in der katholifchen
Predigt nicht gefunden habe. Von Entftellungen
hier zu reden, ift um fo unangebrachter, als Luther felbft
erklärt, warum der Katholizismus den Heiland Chriftus
nicht predige. Letztlich flehe auch die Chriftuspredigt
unter der Satisfaktionsidee. Wenn darum Ihmels zunächft
die Aufgabe und den Inhalt der Predigt darin erkennt,
Chriftus nahe zu bringen, und zwar den Chriftus, durch
den wir den gnädigen Gott kriegen, wenn er die Chriftuspredigt
als Rechtfertigungspredigt oder als die Predigt
des Fiduzialglaubens erkennt und hier das Neue und
Originale der Predigt Luthers entdeckt, fo entfpricht
dies ganz dem gefchichtlichen Tatbeftand. Eine folche
Predigt kennt natürlich keinen ,Glauben der Dämonen'.
Aber ein folcher Glaube ift, wie Ihmels nun ausführt,
nicht identifch mit dem ,Fürwahrhalten'. Wenn Luther
dies betont, fo hebt er nur ein Moment heraus, das auch
für den reformatorifchen Glauben unaufgebbar ift. Nie
hat Luther daran gedacht, daß man auf etwas fein Vertrauen
fetzen könnte, das man nicht unzweifelhaft für
wahr halten könnte. Das ift kein katholifcher assensus,
fondern ein Beftandteil des Fiduzialglaubens felbft. Diefe
neue Predigt der Rechtfertigung darf nun nicht den An-
fchein erwecken, als fei das Fürwahrhalten des Dogmas
fchon ein Stück der Religion. Eine folche Stellung zum
Dogma wäre überhaupt nicht religiös. Würde man nun
aber vermuten, daß für diefen Fiduzialglauben alles über-
flüffig fei, was Dogma heißt, fo würde man fehlgreifen.
Denn Luther redet ganz feiten in allgemeinen Sätzen
von der in Chrifto offenbaren Gnade. Gewöhnlich ge-
fchieht es in Formulierungen, die wir heute dogmatifch
nennen würden. Man muß nach Ausfagen fuchen, in
denen Luther dem ,inneren Leben' fich zuwendet, um
daran die Gnade Gottes nachzuweifen. Es kann darum
unmöglich Luthers Meinung gewefen fein, das Dogma
für den Glauben für bedeutungslos zu erklären. Er lenkt
mit Bewußtfein in die dogmatifche Betrachtung ein.
Die .antidogmatifchen' Ausfagen Luthers wollen vornehmlich
zeigen, daß die katholifchen Gegner das Dogma
nicht zum Heilsglauben in Beziehung zu bringen vermocht
haben, während doch grade der Chriftus, wie ihn
die Kirche im Dogma fixieren wollte, das Vertrauen des
Menfchen auf Gott begründet. An den Tatfachen des
Dogmas wird unmittelbar die Gnade Gottes zu erkennen I
gegeben, und die dogmatifchen Beftimmungen werden j
mit dem unmittelbaren religiöfen Intereffe des Glaubens j
verknüpft. Auf die Frage, ob Luther einen wirklichen |
Heilsglauben als möglich anerkennen würde, der nicht
jenen ganz beftimmten dogmatifchen Inhalt habe, findet
fich keine grundfätzliche Antwort bei Luther. Doch
liegt eine Bejahung in der Linie feiner Frömmigkeit.
Bei gegebener Lage könnte alfo doch wohl auch der I
,Wandel Chrifti' als Vertrauen erweckend gelten. Aber
auch dann würde es heißen, daß der Glaube wächft, wenn
fein Inhalt fich ausdehnt, beftimmte Stücke, wie die Auf-
erftehung Jefu, hinzukommen. Der Glaube ift dadurch
nicht feiner Natur nach etwas anderes geworden, fondern
nur in der Gewißheit um den vollendeten Inhalt der
Offenbarung gewachfen. So flößt Luthers Predigt das
Dogma nicht ab, fondern macht es für die Frömmigkeit
lebendig. Eben dadurch wird es felbft neu. Der Chriftus
, die Gnadenmittel ufw. find jetzt etwas anderes als
im katholifchen Dogma, deffen Formeln übernommen
werden.
Ich möchte aber doch glauben, daß Ihmels' Unter-
fuchung die Einheit in Luthers Predigt ftärker betont,
als hiftorifch ftatthaft ift. Er bekennt freilich, daß es
verwunderlich fein würde, wenn Luther nie in die katholifche
Betrachtung des Glaubens — und das heißt doch
auch: des Dogmas — zurückgefallen wäre. Aber er verfolgt
diefen Gedanken nicht weiter. Und doch würde
eine abfchließende hiftorifche Unterfuchung mit den
,Stücken' des Glaubens, mit dem Glauben als Aneignen
überlieferter Wahrheiten, mit dem Verhältnis von ,Dogma'
und .innerem Leben' (.Wandel Jefu'), mit der Frage der
Einordnung des .Dogmatifchen' in den .Wandel Jefu',
mit dem ,Bekenntnis', mit der formalen Autorität u. a. m.
fich hiftorifch konkreter befaffen müffen. Davon hier zu
fprechen, ift nicht angängig. Aber auf die Möglichkeit
einer Verftärkung und Erweiterung der von Ihmels felbft
angedeuteten Linie wird hingewiefen werden dürfen.
Tübingen. Otto Scheel.
Goetz, Walter, u. Leonhard Theobald: Beiträge zur Ge-
Ichichte Herzog Albrechts V. und der log. Adelsverfchwö-
rung v.1563. AufVeranlaffg. u. m.Unterftützg.S.Maj. des
Königs v. Baiern hrsg. durch die Hiftorifche Kom-
miffion bei der K. Akademie der Wiffenfchaften zu
München. (Briefe u. Akten zur Gefch. des 16. Jahrh.
m. befond. Rückficht auf Baierns Fürftenhaus. 6. Bd.)
(XII, 548 S.) gr. 8°. Leipzig, B. G. Teubner 1913.
M. 18 -
Diefe ausführliche Publikation rechtfertigt fich aus
folgenden Gründen, r. Jeder ungerecht Befchuldigte hat
das Recht auf Aufhellung und Anerkennung feiner Un-
fchuld. Mögen auch manche Jahre darüber vergehen,
eine folche Rechtfertigung löft immer befriedigende Gefühle
aus. Es handelt fich hier allerdings um eine überaus
alte Anfchuldigung. Bereits 1579 erhob der Beichtvater
des Bayernherzogs Albrecht V., Johannes a Via
gegen eine Reihe evangelifch gefinnter bayr. Adeligen
den Vorwurf, eine Verfchwörung gegen ihren Landesherrn
angezettelt zu haben. Seitdem ift diefe Anfchuldigung
nicht verftummt; Philipp Menzel von Eifengrein,
Profeffor der Medizin zu Ingolftadt, Val. Rotmar, Pro-
feffor der Eloquenz dafelbft, und Joh. Engerdes, Profeffor
der Poefie, fchloffen fich noch im gleichen Jahrhundert
ihm an. Auch im 17. Jahrhundert fand diefer
Vorwurf wieder Aufnahme in verfchiedene Gefchichts-
werke und blieb unwiderfprochen bis ins 19. Jahrhundert.
Erft Hufchberg in feiner Gefchichte des Gefamthaufes
Ortenburg 1828 und Bühl im oberbayr. Archiv II, 234 ff.
traten für die Ehre der unfchuldig verleumdeten Adeligen
ein; ihre Beweisführung mußte fo ftichhaltig erfcheinen,
daß man meinen konnte, die alten Vorwürfe würden
nun für immer verdummen. Da blieb es der neueften
Zeit vorbehalten, noch einmal die alten Vorwürfe hervorgeholt
zu fehen. Knöpfler, Fürft und vor allem Hartmann
erhoben die alte Anfchuldigung von neuem; letzterer
glaubte fich deffen rühmen zu dürfen, die Exiftenz
der Adelsverfchwörung bewiefen zu haben. Zwar fand
fchon dazumal diefe Behauptung bei Götz und Kolde