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Ausgabe: | 1914 Nr. 15 |
Spalte: | 456-457 |
Autor/Hrsg.: | Griffith, F. L. |
Titel/Untertitel: | The Nubian Texts of the Christian Period 1914 |
Rezensent: | Zetterstéen, Karl Vilhelm |
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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 15.
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Maßftäbe in Mißverftändnis und Ungerechtigkeit geraten
laffe.
Der erften diefer Forderungen wird L. in hohem
Grade gerecht; vor allem das Kapitel über die katho-
lifche Kirche beweift feine Sachkenntnis. Über die Berechtigung
der erften drei Untertitel — die Schönheits-
fucher, die Armenfreunde, die Ärzte — ließe fich ftreiten;
die Vorausfetzung des vierten Kapitels, daß Ellen Keys
,Lebensglaube' den gemeinfamen Befitz des Monismus
zur Darftellung bringe, erfcheint anfechtbar; große Be-
lefenheit aber wird man überall merken und anerkennen.
Die Erfüllung der zweiten Forderung wird man freilich
vermiflen, am fchmerzlichften dort, wo wie im erften
Kapitel über zahlreiche Werke verfchiedener Dichter Heer-
fchau gehalten wird. Am beften lieft fich das fechfte
Kapitel, über Doftojewskij; denn hier wird der Blick auf
eine einzige und bedeutende Geftalt gerichtet; hier wird
das Intereffe durch ausführliche Angaben und wörtliche
Zitate lebendig erhalten.
Das Schlimmfte aber ift, daß L. der dritten Forderung
gegenüber völlig verfagt. ,Wer den Dichter will verftehn,
muß in Dichters Lande gehn' — L. bleibt immer im
Lande des Theologen. Schon die Beurteilung in Paren-
thefe ,kein Kirchenchrift' läßt das erwarten. Durch die
theologifche Brille werden denn auch die meiften der zu
befprechenden Werke betrachtet. ,Den eigentlichen Sinn'
von Sudermanns Johannes' entdeckt L. in der letzten
Szene: ,Dahuldigt das Volk Jefus mit begeiftertemHofianna'.
Und bei Oskar Wilde finden wir — obwohl ,er alles eher,
als ein Chrift' ift — ,manchen gut chriftlichen Gedanken
ausgeprägt'. Mit Bedauern wird regiftriert, daß Steinle
die Auferweckung von Jairi Töchterlein halb im Freien
,fo, daß alle zufehen können' gemalt hat: ,Wie fügt fich
das zu Mark. 5, 40? Wie fügt es fich überhaupt zu Jefu
Beurteilung des Wunders?' Und die Betrachtung von
Hauptmanns ,Emanuel Quint' gipfelt in dem Satze: ,obwohl
Hauptmann dem Herrn die volle geiftige Gefundheit
abfpricht, leugnet er nicht, daß er große Gedanken vertrat,
Gedanken, die auch für die Gegenwart ihre Bedeutung
befitzen'.
Die Beifpiele zeigen wohl zur Genüge, daß L. an
viele Kunftwerke einen ihnen völlig fremden Maßftab
heranträgt, wenn er ihre Schöpfer daraufhin verhört, welches
Jefusbild, welche Anfchauung vom Chriftentum fie vertreten
.wollen'. Selbftverftändlich gibt es Künftler, an die man
diefe Frage richten darf; aber auch bei deren Werken
unterfchätzt L. doch den im letzten Grunde irrationalen
Drang, zu geftalten, gewaltig; auch da fucht er viel zu
fehr nach einer propagandiftifch vertretenen Tendenz;
ja gerade vor einem folchen Werke, vor Kretzers .Geficht
Chrifti', tritt die Verwechslung von Roman und fozial-
religiöfem Traktat beinahe komifch zutage in dem Ausruf
L.'s: ,und der Dichter tut nichts, um das Urteil der handelnden
Perfonen zu berichtigen'.
Gern fei anerkannt, daß L.'s kritifche Befprechung
wiffenfchaftlicher und halbwiffenfchaftlicher Darfteilungen
Jefu — alfo ein erheblicher Teil des Buches — von diefem
ungünftigen Urteil nicht betroffen wird; allein zwei Gründe
beftimmen mich, hier vor allem das andere zu betonen:
wie wenig L. dem Rationalen in der künftlerifchen Produktion
gerecht wird, mit wie einfeitig theologifcher
Frageftellung er an Dichtungen und Bildwerke herantritt.
Einmal befindet fich L. dadei in zahlreicher und guter
Gefelifchaft, denn diefe Verkennung künftlerifcher Maßftäbe
ift ein richtiger Theologenfehler, (und zwar ohne
Unterfchied der Richtungen!). Sodann aber: L. unter-
fcheidet fich von vielen diefer feiner Weggenoffen durch
einen offenbaren Willen zur Gerechtigkeit, und trotzdem
ift es ihm nicht gegeben, die Dinge unter anderem als
theologifchem Gefichtswinkel zu betrachten. Es liegt alfo
nicht am Wollen, fondern am Vermögen. Darum ift der
letzte Eindruck, den das Buch hinterläßt, das Bedauern
darüber, daß der Autor, gerade wo er ein Brückenbauer
fein wollte, doch zumeift nur den Graben vertieft hat, der
ihn von feinem Gegenftande trennt.
Berlin. Martin Dibelius.
Raufchen, Gerardus: Florilegium patristicum digessit vertit
adnotavitR. Fase. IX: Textus antenicaeni ad primatum
romanum spectantes. (VI, 60 S.) gr. 8°. Bonn, P. Han-
ftein 1914. M. 1.30
Das neue Heft von Raufchens Florilegium patristicum
bringt eine Sammlung der wichtigften Stellen zur Ge-
fchichte des römifchen Primats bis auf Eufebius. Die
Ausgabe ift forgfältig gemacht; Druckfehler find nur vereinzelt
flehen geblieben (S. 8 tjjjcöv und Aia S. 15 alg
S. 33 iiera xqovcov und vor xax ixtlvo xaiQov falfches
Komma S. 38 xaxokixr'jv); die Auswahl der Texte ift
vollftändig und von anerkennenswerter Unbefangenheit:
bei Cyprian de cath. eccl. unitate 4 gibt R. die echte
Überlieferung und verweift die Interpolationen in den
Apparat; er trägt auch kein Bedenken unter der Literatur
das Buch von Hugo Koch an der Spitze zu nennen.
Und doch legt man das Heft mit den peinlichften
Empfindungen aus der Hand. Schon früher hatte Knopf
(vgl. diefe Zeitung 1906 S. 679) Anlaß, Raufchen darauf
hinzuweifen, daß feine Anlehnung an Krügers Sammlung
den guten Sitten nicht entfpräche. Diesmal ift es Mirbt
(Quellen zur Gefch. des Papfttums3), den Raufchen ausgenützt
hat. Ich veranfehauliche das Verhältnis zwifchen
Raufchen und Mirbt durch folgende Lifte:
Tertullian = Mirbt 37,
39, 38, 40, 4b
42, 43, 48
Hippolyt = Mirbt 54
Origenes = 49, 50
Cyprian = „ 56
63, 69, 74
Pf. Cyprian = „ 75
Dion. Alex. = „ 77
Aurelian = „ 78
Porphyrius = „ 81
Petrus Alex. = „ 82
Eufebius = „ 98
Was Raufchen an Eigenem hinzugetan hat, befchränkt
fich (abgefehen von Nr. 1, wo er die neuteftamentlichen
Stellen abdruckt) darauf, daß er häufig einige Sätze mehr
aufnimmt als Mirbt, daß er bei Cyprian noch einige Briefe
hinzufügt, daß er eine Überfetzung beigibt und in der
Textform die neuen Ausgaben berückfichtigt, die feit
Mirbt3 erfchienen find. Und dabei wird Mirbts Buch
weder in der Vorrede noch über den einzelnen
Stücken genannt! Nur in der Anmerkung zu S. 56, wo
Jülichers (im Anhang bei Mirbt flehende) Bemerkungen
zu den Papftverzeichniffen als Literatur angeführt werden,
taucht wenigftens der Name Mirbt auf. Raufchens Verhalten
erfcheint aber in um fo fchlimmerem Licht, da er
in der Vorrede erklärt, daß feine Sammlung ebenfo für
Katholiken wie für .Akatholiken' beftimmt fei. Er kann
fich alfo nicht einmal darauf berufen, daß er einen katho-
lifchen Mirbt hätte machen wollen.
Man ift in Sachen mimicry von katholifcher Seite her
nachgerade vieles, um nicht zu fagen alles gewöhnt. Daß
aber ein Mann wie G. Raufchen, den man im übrigen
wiffenfehaftlich ernft nimmt, hierin etwas vom Stärkften
leiften würde, das hätten wir doch nicht erwartet.
Berlin. Karl Holl.
Griffith, F. LI.: The Nubian Texte of the Christian Period.
[Aus: ,Abhandlgn. d. preuss. Akad. d. Wiss.'] (134 S.
m. 3 Taf.) Lex. 8°. Berlin, G. Reimer 1913. Geb. M. 8.50
Die erften Bruchftücke der chriftlichen Literatur
Nubiens wurden im Jahre 1906 in Ägypten von Karl Schmidt
2. Clem.Rom.
= Mirbt
5
11.
3. Ignatius
7
4. Hermas
' )}
10
5. Papias
jt
17
12.
6a. Hegefipp
}t
19
13.
6b. Irenaus
>)
29
14.
7. Dionyfius
)}
22,
23
15-
8. Viktor
tt
24
16.
9. Irenäus
27,
17-
28
18.
10. Cajus
n
33
19-
20.