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Ausgabe: | 1914 Nr. 14 |
Spalte: | 443 |
Autor/Hrsg.: | Dausch, Petrus |
Titel/Untertitel: | Die Wunder Jesu. 1. u. 2. Aufl 1914 |
Rezensent: | Hoffmann, Richard Adolf |
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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 14.
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der kirchlichen Kunft in unferen Tagen zuteil wird, ift
es lebhaft zu begrüßen, wenn fich die Beftrebungen auf
kräftige Herausarbeitung des dem Proteftantismus Ureigenen
und feinen befonderen gottesdienftlichen Zwecken
Angemeffenen durch Angliederung auch der modernen
Kunftbetätigung und unter Hervorhebung des gefchicht-
lich oder landfchaftlich Individuellen geltend machen.
Die erfte Vortragsreihe ift nur ein wenig umgeordnet,
um die prinzipielle Bedeutung des Gennrichfchen Vortrags
.Evangelifcher Kirchenbau und praktifche Theologie' ftärker
zu betonen. Vorher geht die Gefchichte des evangelifchen
Kirchenbaues von Brathe.
In der anregenden Schlußdiskuffion, die gleichfalls wörtlich vorliegt,
wurde die Frage behandelt, ob man die bloße praktifche Zweckmäßigkeit
zum alleinigen Prinzip der Kirchbautheorie machen oder das Wefen
des Gottesdienftes in den Mittelpunkt rücken oder aber die Formen, in
welchen fich diefe oder jene Auffaffung vom Gottesdienft kriftallifiert hat,
dafür als grundlegend erachten foll (S. 132). Außerdem handelten Hoß-
feld über ,Evangelifchen Kirchenbau uud Baukunft', Boffelt über innere
Ausstattung des Kirchengebäudes (hier Mark gekürzt, zur Ergänzung vgl.
mein Referat in ,Religiöfe Kunft' 1913, S. 138!), Hiecke über Fragen
der kirchlichen Denkmalspflege, Waetzold über neuere religiöfe Malerei,
Achelis über die Entstehung des Kruzifixes.
In der zweiten Vortragsreihe ragen die Vorträge von
Cornelius Gurlitt über ,Kunft und Kirche' und .kirchliche
Denkmalspflege' vermöge der Autorität und langjährigen
Befchäftigung des Verfaffers mit dem Gegenftande hervor.
Im erfteren fucht er nachzuweifen, daß durch die Gefchichte
des Christentums, auch im Mittelalter, ,eine Fülle
von Ablehnung der Kunft' geht, wogegen der gläubige l
Maffenwille reagierte, der das Befte, was feine Bellen zu
fchaffen vermögen, in die Kirche hineintrug. Man darf
hier wohl eine Einfchränkung machen, ohne das Recht
der Doppelfeitigkeit der Betrachtung zu beftreiten (vgl.
Berling S. 81). In dem zweiten Vortrage ift eine Fülle
praktischer Winke und lebensvoller persönlicher Erinnerungen
gegeben, während das ganze Heft von den anerkennungswerten
Bemühungen für das kirchliche Kunft-
wefen feitens der zuständigen Organe und beftehenden
Vereine im Königreich Sachfen Zeugnis ablegt.
Die gefchichtliche Seite findet Berückfichtigung in den Ausführungen
von O. E. Schmidt ,der fächfifche Kirchenbau bis auf Georg Bähr' (hier
fei zu S. 22 Taf. II 5 nur bemerkt, daß die Figur links im Relief kein
PrieSer, fondern ein Heiliger — der Kirchenheilige f — iS und der runde
Gegenftand hinter ihm fchwerlich eine Blüte darftellen wird). Vortreffliche
Abbildungen illuftriereu diefen Vortrag und den letzten, fehr anziehenden
, von Prof. Högg über Friedhofskunft. Wenn man fich fonft
der Notwendigkeit einer Reform innerhalb der kirchlichen Kunftbetätigung
der Gegenwart verfchließen wollte, fo ift; hier ficherlich ein Aus-
fchnitt, für den fie jedermann zugeftehen wird.
Bei folchen fchönen Erfolgen — die Kurfe wurden
von über 300 bezw. 400 Geiftlichen befucht — ift nur zu
wünfchen, daß die von der Eifenacher Konferenz gegebene
Anregung auch in anderen Landeskirchen außerhalb des
Herzens Deutfchlands Nachfolge finden möchte, in denen
folche Beftrebungen noch völlig brach liegen.
Betheln (Hann.). E. Hennecke.
Referate.
DauTch, Lyz.-Prof. Dr. P.: Die Wunder Jeru. l.u. 2. Aufl. (Biblifche
Zeitfragen, gemeinverständlich erörtert. V. Folge. 11. u.
12. Heft.) gr. 8°. Münfter i. W., Afchendorff 1912. M. 1 —
Eine höchft unkritifche Studie, gefchrieben vom ftreng fupra-
naturalen Standpunkt der katholifchen Kirche aus! Proteftantifche
Literatur wird viel zitiert, aber nirgends fetzt fleh der Verf. eingehender
mit ihr auseinander. Auch fehlt eine gründliche Erörterung
des Wunderbegriffs an fich, die man nicht geben kann,
ohne die Frage nach dem Wirken Gottes überhaupt ausführlich
zu behandeln. Moderner Suggeftionstheorien wird mehrfach gedacht
, aber es fehlt eine Berückfichtigung der jung aufblühenden
Wiffenfchaft, die fich endlich mit den fog. okkulten Phänomenen
beschäftigt und auf manche Wunderüberlieferungen neues Licht
zu werfen befähigt fein dürfte.
Königsberg i/Pr. R. A. Hoff mann.
Gregorius, Bifchof v. Tours: 10 Bücher fränkircher Gefchichte,
überf. von Wilh. v. Giefebrecht. 4. vollkommen neubearb.
Aufl. v. Prof. Siegm. Hellmann. 2. Bd. (Gefchichtfchreiber der
deutfchen Vorzeit, 9. Bd., I. Hälfte.) (VII, 312 S.) 8«. Leipzig,
Dyk 1913. M. 5:50; geb. M. 6 —
Dem erlten Band der fränkifchen Gefchichte Gregors von
Tours, der die Bücher 1—4 in einer vollftändigen Neuüberfetzung
enthielt, hat Profeffor Siegmund Hellmann jetzt den zweiten Band
folgen laffen, der Buch 5—8 bringt. Gregor erzählt in diefen
Büchern die fränkifche Gefchichte vom Tod des Königs Sigibert
575 bis zum 11. Jahre König Childeberts 586. Sein Werk ift für
diefe Zeit eine der wichtigften Quellen. Die Überfetzung Hellmanns
ift von mufterhafter Zuverläffigkeit und trifft gut den naiven
Ton der Gefchichtserzählung des fränkifchen Bifchofs. Durch
die zahlreichen Anmerkungen, in denen er auch häufiger auf
feine Abhandlung in der Hiftor. Zeitfchrift 107, 1911, 1 ff. über
die Perfönlichkeit Gregors und fein Werk verweift, erleichtert es
das Verftändnis des bedeutungsvollen Werkes.
Heidelberg. G. Grützmacher.
Schnitzer, Prof. Dr. Jof.: Savonarolas Erzieher u. Savonarola als
Erzieher. (VIII, 141 S.) 8". Berlin-Schöneberg, Proteftantifcher
Schriftenvertrieb 1913. M. 3 —
Vorftehendes, fchmuck ausgeftattetes Büchlein vereinigt zwei
Auffätze zur Gefchichte und Charakteriftik Savonarolas. Der erfte
macht mit feinem Großvater Michael Savonarola, dem Erzieher
des Enkels und berühmten Arzte, bekannt. Ein ftreng kirchlicher
Geift herrfchte in feinem Haufe, mehrere religiös-erbauliche
Schriften entflammten feiner Feder, fein Erziehungsideal, das er
jedenfalls an feinem Enkel erprobt haben wird, ift in der von
Segarizzi der Vergeffenheit entriffenen Schrift de regimine prae-
gnantium niedergelegt, S. teilt im Anhange den betr. Paffus mit.
Der Großvater wird Savonarola zum Studium des Thomas von
Aquino und der in feinen Predigten deutlich nachklingenden
Medizin veranlaßt haben, die ganze Energie feines Mönchtums
(lammt ebenfalls von diefer erzieherifchen Seite her, nur die
Aftrologie hat er im Gegenfatz zum Großvater bekämpft. — Der
zweite Auffatz fucht die von Paftor und F. X. Kraus bekämpfte
Kinderpolizei des großen Florentiners zu rechtfertigen, d. h. hi-
ftorifch-pfychologifch zu verliehen. Sie wird — mit Recht —
begriffen als ein folgerechtes Stück des Savonarolafchen Supra-
naturalismus, der auch die Kinder d. h. 12—20 jährige in den
Dienft feiner Reform fpannt, weil fie fowohl im damaligen floren-
tinifchen Leben als auch in der Pädagogik Savonarolas eine Rolle
fpielten. An Beifpielen wird gezeigt, daß eine derartige Heranziehung
der Jugend im kirchlichen Intereffe nichts Außergewöhnliches
war. Sehr fein Hellt S. zum Schluß die Konfequenz Savonarolas
heraus, der von feinem Glauben an die übernatürliche,
der Kirche anvertraute Wahrheit aus die Wiffenfchaft und Kultur
genau fo fcheel anfehen muß wie ,der religiöfe Papft' Pius X.
Nur ift mir nicht klar geworden, wie S. perfönlich fich entfcheidet
angefichts des Satzes: ,So fehr fich der wiffenfchaftliche
Forfcher darüber empören mag, wer kirchlich-gläubiger
Gelehrter fein will, muß fich demütig fügen, der unverföhnlichen
Feindfchaft eingedenk, die zwifchen Kirchenlehre und Wiffenfchaft
ftets beftand, noch befteht und wohl immer beliehen wird'.
Im vorliegenden Buche ift S. ganz wiffenfchaftlicher Forfcher,
aber will er nicht andrerfeits kirchlich-gläubig fein? Und wenn
ja, tritt dann hier nicht wieder deutlich die Unklarheit und In-
konfequenz feines Reformkatholizismus zutage?
Zürich. Walther Köhler.
Natorp, Paul: Kant u. die Marburger Schule. Vortrag. [Aus:
,Kantftudien'.] (III, 29 S.) gr. 8». Berlin, Reuther & Reichard
1912. M. — 80
In der Vorrede hebt der Verf. hervor, daß diefer Vortrag, der
Ehrung Cohens gewidmet, fich die Aufgabe Hellt, das Verhältnis
! der Marburger Schule zu Kant, Hegel und dem heutigen deutfchen
j Idealismus klarzuftellen. Mit Kant ftimmt er zufammen in der
transzendentalen Methode, die er aber infofern in theoretifcher
Hinficht ausdehnt, als er durch die Funktion des Denkens über
jede Begebenheit hinausgeht, und diefelbe als Produkt des Den-
j kens aufgefaßt wiffen will und in diefem Sinne die Erfahrung als
j unendliche Aufgabe faßt, indem man jede Begebenheit als Produkt
des Denkens verlieht. ,Der unzerftörliche Grundgehalt der
transzendentalen Methode fei die Methode einer unendlichen
fchöpferifchen Entwicklung'. Hierin ftimme Verf. mit Hegel zufammen
, fofern er jeden denkfremden Faktor aus dem Denken
ausfchließe. Aber dies kann nur in unendlichem Prozeß ge-
fchehen und nicht wie Hegel will in einem abfoluten Erkennen.