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Ausgabe: | 1914 Nr. 12 |
Spalte: | 370-371 |
Autor/Hrsg.: | Hermann, Heinrich |
Titel/Untertitel: | Chinesische Geschichte 1914 |
Rezensent: | Mirbt, Carl |
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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 12.
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Ehe betont und lieber mit den Seinen darbt. Nicht minder
beachtenswert ift, daß die Kurie zwar ein Auge zudrücken
will, wenn ein Bifchof ihn aufnimmt, aber keinen Dispens
erteilt, weil fonft Joh. Eck und andere auch zur Ehe
fchreiten könnten (Gene. S. 29). Alfo fo dachte man noch
1540 von Eck.
In der Bibliographie konnte es Richter, wie er felbft
bekennt, Köhlers Bibliographia Brentiana und Geifenhofs
Bibliographia Bugenhagenia nicht gleichtun. .Soviel minu-
tiöfe bibliographifche Kleinarbeit, wie jenen Reformatoren,
wurde überhaupt noch keinem katholifchen Theologen der
Reformationszeit gewidmet' (S. XIV), ein beachtenswertes
Wortl Aber wenigftens eine reichere Angabe der Fundorte
wäre von Wert gewefen und mit Hilfe der Berliner
Auskunftftelle nicht allzufchwierig und koftfpielig geworden
. Entgangen ift R. der Nachweis für die politifchen
Flugfchriften Nr. 73, 74, 75. welchen Waldek ARG. 7,38 fr.
unter Nr. II, 12, 13 vgl. S. 50, 52 gegeben hat, ohne die
Schriften als Witzeis Arbeit zu erkennen. Doch gibt R.
für Nr. 73. S. 195 mit Hilfe von N. Paulus einen Nachtrag
. Weiter fehlt die von Kawerau RE. 213, 405,35 nach-
gewiefene niederdeutfche Ausgabe des Catechismus maior.
Die Nr. 76 angegebene, noch nicht aufgefundene Befchrei-
bung des Schmalkaldifchen Kriegs wird fich unfchwer in
der Literatur diefes Kriegs nachweifen laffen. Zu erwägen
wäre, ob fie gegen Georg Fröhlichs anonyme historia des
Kriegs gerichtet war. Sehr merkwürdig ift die Sammlung
von Kriegsgebeten Nr. 77, unter welchen er auch zwei
aus Livius entnahm, nämlich das des Decius Mus vor
feinem Opfertod 8,9 und das Scipios vor feiner Überfahrt
nach Afrika 29,27, und diefes letztere legte Witzel
Karl V. in den Mund. Diefe Anleihe bei dem Römer
dürfte einzigartig in der erbaulichen Literatur daftehen.
Gelehrte beider Konfeffionen dürften Witzeis verfchiedene
Arbeiten für Liturgie und Hymnologie beachten, namentlich
was er aus den alten Schätzen Fuldas darbietet.
Staunenswert ift der ungeheure Fleiß des feit 1539 mit
der fchwerften Not ringenden Mannes, in welche wir einen
ergreifenden Blick in dem Brief an Joh. Dantiscus S. 175
tun. Gewiß hat Witzel in feiner proteftantifchen Zeit kein
wirkliches Verftändnis Luthers und feiner Rechtfertigungslehre
gewonnen, aber riefengroß muß ihm der gehaßte
Mann vor der Seele geftanden haben, wenn er deffen
Werke durch feine vielgedruckte Poftille, feinen Katechismus
, fein Betbüchlein ufw. zu übertrumpfen fucht. Sein
bisher ungedrucktes Reformationsgutachten für den Abt
von Fulda (S. 137 ff.) beweift aber, wie viel er in der
Schule Luthers gelernt hatte. Merkwürdig ift, wie W. in
feinen letzten Lebensjahren eine Verhöhnung beider Teile
als Irenäus und elQijvoxowg anftrebt und dem Kaifer in
der berühmten Via regia den Weg dazu zeigt (Nr. 139).
Dankenswert ift der Nachweis handfchriftlicher Stücke in
Fulda, München, Upfala und Wien und Mitteilung daraus,
wie die Zufammenftellungder gedruckten und ungedruckten
Briefe und die Veröffentlichung von drei folchen an I.
Dantiscus S. 168 ff. und das Bild Witzeis. Nahezu unbegreiflich
ift, daß weder Kaifer noch Kurie noch Prälaten
es verftanden, eine für die Sache des alten Glaubens fo
wertvolle Kraft durch auskömmliche Exiftenz von aller
Hemmung zu befreien, zu fördern und zu erhalten.
Die beiden Schriften Richters zeugen von tüchtigem
Streben.
Zu Phagus Nr. 2 S. 6 vgl. Fag S. 4 und Phacchus S. 185. Zu
D. Leopold Nemeter S. 50 u. Leop. Dikaeus S. 156 ift die Zimmerifche
Chronik im Regifter unter Dick zu vergleichen. Bruxellae S. 156 ift
Bruchfal, nicht Brüflel. S. S6 Joh. Lucretius ift der Orientalift Joh. Albr.
Widmannftetter. S. 178 ift Arctolycus der Wärwolf, dialektifch Bärwolf.
S. 126 ift unklar contra uervecem. S. 9 Z. 11 v. u. 1. bonorum ftatt
honorum, S. 157 Z. 2 v. u. Ireneo. Gene. S. 34 1. mensam ftatt mensa.
Stuttgart. G. Boffert.
Platzhoff, Priv.-Doz. Dr. Walter: Frankreich u. die deutschen
Proteltanten in den Jahren 1570—1573. (Hifto-
rifche Bibliothek. 28. Bd. (XVIII, 215 s.) 8°. München,
R. Oldenbourg 1912. Kart. M. 6 —
Es ift nicht leicht, über diefes Buch zu referieren;
der Lefer wird dank der großen Sorgfalt des Verfaffers
in der Verwertung feiner Quellen, von denen er eine Anzahl
(von S. 160 ab) als .Beilagen' mitgeteilt hat, mit
einer folchen Fülle von Einzelheiten und ftetig wechfeln-
den Bildern überfchüttet, daß die großen Zufammenhänge
ihm zu entfchwinden drohen. Der Grundgedanke ift das
Werben Frankreichs um die deutfchen Proteftanten in
den Jahren 1570—73 und die Stellung diefer zu den
internationalen politifchen Fragen. Unter den proteftantifchen
Fürften ragen Wilhelm der IV. von Heffen und
Auguft v. Sachfen heraus; fie fpielen allefamt keine glänzende
Rolle, die Uneinigkeit im eigenen Lager läßt alle
Anfätze zu einer energifchen Proteftantenaktion fcheitern,
uud die Antipathie gegen das hugenottenfeindliche Frankreich
wurde paralyfiert durch Frankreichs Frontftellung
gegenüber dem Haufe Habsburg, die die franzöfifche
Freundfchaft immer wieder begehrenswert machte. Auf
franzöfifcher Seite geht das Ziel Katharinas von Medici
auf die franzöfifche Univerfalmonarchie; dazu war ein
Bündnis mit England und den deutfchen Fürften erforderlich
. Unterhändler ift Kafpar v. Schömberg. Die
Enttäufchungen, die er bei den deutfchen Fürften erlebte,
haben zwar keine entfcheidende Bedeutung für die Krifis
der Bartholomäusnacht, aber ,wie die deutfchen Verhandlungen
einen Beftandteil von Colignys großem Programm
bildeten, fo ftürzte mit ihrem Scheitern ein Pfeiler mehr
zufammen, auf dem feine Politik, feine Stellung am Hof
und fein Schickfal ruhten' (S. 48). Sehr intereffant ift
nun die Wirkung der Bartholomäusnacht auf die proteftantifchen
Fürften; man hat fie wie eine Kriegserklärung
empfunden, und der Riß zwifchen jenen und den Mördern
ihrer Glaubensgenoffen fchien zunächft unheilbar; nur die
lutherifchen Herren in Nord- und Oftdeutfchland, deren
Theologen fogar die kalvinifche Abendmahlslehre für die
Kataftrophe verantwortlich machten (!) .erblickten in der
Schreckenstat eine Rechtfertigung ihrer Untätigkeit und
konfervativen Grundfätze'; fie waren aus ihrer Indolenz
nicht herauszubringen. Allmählich aber wurden die Beziehungen
der Proteftanten zu Frankreich wieder freundlicher
, nur Auguft von Sachfen brach die Verbindung
ab. Franzöfifcherfeits trieben die Afpirationen Heinrichs
von Anjou auf den polnifchen Königsthron zur Annäherung
an die Proteftanten, aber als nun der gewählte
Polenkönig feine Reife durch Deutfchland machte, mußte
er fich von Wilhelm v. Heffen über die Bartholomäusnacht
gründlich die Meinung fagen laffen. (Bei diefer Gelegenheit
find auch die Theorien Machiavells erftmalig
mit jener Bluttat in Beziehung gefetzt worden). Der
Heffe hat rückhaltlos die Bartholomäusnacht ,als ftärkftes
und unüberwindliches Hindernis' bezeichnet, .durch die
fich die Könige bei allen ehrliebenden Deutfchen unfag-
bar verdächtig und verhaßt gemacht hätten' (S. 145). Und
diefes Urteil war richtig (S. 151), Auguft von Sachfen
hatte fich direkt geweigert, den Franzofen zu empfangen.
Wenn die Proteftanten nun erft im 3ojähr. Kriege, als
ihnen das Meffer an der Kehle faß, entfchieden Anlehnung
an Frankreich fuchten, fo fcheint mir das Urteil von K.
Wenck (Ztfchr. f. heff. Gefchichte 1912, S. 188) richtig,
daß eine frühere Verbindung mit Frankreich doch vermutlich
nur ein Zu-Markt-Tragen der eigenen Haut für Frankreich
bedeutet hätte. Dann aber wird das Verdikt P.s
am Schluffe feines Buches gemildert werden müffen.
Zürich. Walther Köhler.
Hermann, Dr. Heinrich: ChinefilcheGefchichte. (VII, 519S.)
Lex. 8°. Stuttgart, D. Gundert 1912. M. 10 —
,Ich bin nicht Hiftoriker aber Bekanntfchaft mit der
chinefifchen Gefchichte erfchien mir unentbehrlich für