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Ausgabe: | 1914 Nr. 11 |
Spalte: | 332-335 |
Autor/Hrsg.: | Hülsen, Friedrich |
Titel/Untertitel: | Die Besitzungen des Klosters Lorsch in der Karolingerzeit. Ein Beitrag zur Topographie Deutschlands im Mittelalter 1914 |
Rezensent: | Lerche, Otto |
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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 11.
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— zeugt einerfeits für die Verweltlichung der Kirche feit
dem dritten Jahrhundert, anderfeits für die Langfamkeit,
mit der fich die Kindertaufe durchfetzen konnte. Sie ift
fomit nicht bloß fittengefchichtlich, fondern auch dogmen-
gefchichtlich lehrreich.
Die Sätze: ,Ein Zweifel betreffend das Seelenheil ift nach der damaligen
Wertung der Taufe ausgefchloffen. Konftantin teilte mit feiner
Zeit die unbedingte Überzeugung, daß alles, was er aus menfchlicher
Schwachheit gefehlt hatte, durch die Kraft der geheimnisvollen Worte
im heilfamen Bade der Wiedergeburt aus feiner Seele getilgt werde' (S.
428), find infofern mißverftändlich, als ja diefe Anfchauung auf noch heute
geltendem Dogma beruht. Und wenn Dölger S. 435 fagt, daß ,um die
gleiche Zeit (wo die Verfchiebung der Taufe üblich war) auch zuweilen
in kirchlichen Kreifen die Praxis gehandhabt wurde, diejenigen, welche
nach der Taufe noch einmal fchwer fündigten, aus der Kirche auszu-
fchließen', fo könnte man meinen, diefe Praxis fei erft damals aufgekommen,
während fie tatfächlich viel weiter zurückreicht. Ich erinnere nur an die
klare Ausfage Cyprians in Ep. 55,21.
Zum Schluffe möchte ich noch zwei Dinge namhaft
machen, die mir an vorliegender Konftantin-heftfchrift aufgefallen
find: nämlich die Vorficht, womit fie am Glanzpunkt
der Konftantinsgefchichte, der Kreuzesvifion, vorübergegangen
ift, und die Tatfache, daß eine von einem
Priefter herausgegebene, zumeiftvonPriefternundrömifchen
Prälaten gefchriebene, einem römifchen Prälaten gewidmete
Schrift — ohne beigedruckte kirchliche Approbation
erfcheint. Das entfpricht zwar nicht dem Sinne und den
Beftimmungen Pius' X, zeigt aber, wie man auch nach
den Moderniftenerlaffen unter Umftänden die Dehors
ftrenger Wiffenfchaftlichkeit wahren möchte.
München. Hugo Koch.
Crum, Walter E., u. Georg Steindorff: Koptifche Rechtsurkunden
des 8. Jahrh. aus Djeme (Theben), hrsg. u.
überf. I. Bd. Texte u.Indices v. Walter E. Crum. (IV,
470S.) Lex. 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1912. M. 45 —
Den mannigfachen Verdienften, die fich Crum um
die profane koptifche Literatur erworben hat, hat er heute
ein weiteres Verdienft hinzugefügt durch die Publikation
der fogen. Djeme-Papyri. Diefe Papyri follen aus den
Ruinen eines verfchollenen koptifchen Dorfes gleichen
Namens ftammen, das nach Crums Vermutung dicht am
Tempel von Der el-bahri in Weft-Theben lag. Diefe Orts-
beftimmung ift aber nicht genau, denn der Name Djeme
bezieht fich auf das ganze weltliche Theben; das Dorf
felbft wird ftets ««.crpcm ivxHAie oder griechifch k*.cTpon
Mejwnwnion genannt. Auch kann die Lage nicht in die
Umgebung von Der el-bahri verlegt werden, da hier, fo-
viel mir bekannt, niemals Papyri diefer Gattung bei den
Ausgrabungen gefunden find. M. E. haben wir das k«.-
crpon n-xHMe in den Ruinen des koptifchen Dorfes in und
um den Tempel von Medinet Habu zu fuchen, dann wäre
auch die Bezeichnung k«.cTpon und MeMiuomcm erklärt, da
der Tempel einem K*.cTpon gleicht und die Memnons-
koloffe ganz in der Nähe liegen. Noch heute werden
dort zahlreiche Oftraka gefunden und nach meinen Beobachtungen
über die während der letzten Dezennien in
den Handel gelangten koptifchen Papyri find fie in den
Ruinen der heute noch fichtbaren Häufer von Medinet
Habu gefunden, während in der Umgebung von Der el-
bahri keine Spuren von Häufern mehr zu entdecken find.
Denn diefe fog. Djeme-Papyri entflammen nicht Gräberfunden
, fondern waren in den Kellern der Häufer, die
gleichfam als Archive dienten, in tönernen Krügen aufbewahrt
.
Ihrem Inhalte nach tragen alle Papyri einen privatrechtlichen
Charakter, es find Rechtsurkunden verfchiedent-
licher Art. An erfter Stelle flehen die Verkaufsurkunden,
fogen. tyyQc«poi jroagac betreffs Häufer oder Ländereien
mit 34 Nrn. Ihnen fchließen fich an die Auseinander-
fetzungen, in der Hauptfache über Erbfchaften, fogen.
tyyQ<x(poi öiakvosig, und Quittungen über Geldzahlungen
aus Darlehen, 30 Nrn. umfaffend. An dritter Stelle folgen
Teftamente, die öiadr/xai, 13 an der Zahl und zuletzt
die Schenkungsurkunden, insbefondere von Knaben an
das Klofter des Apa Phoibammon auf dem Berge von
Djeme, d. h. die övyy(>a<pal ömQsaOrixai.
Im ganzen hat Crum 123 Urkunden zufammengetragen;
davon waren bis jetzt 84 Stück unbekannt. Eine derartige
Publikation erfordert natürlich viele Entfagung und langjährige
Entzifferung, zumal die Urkunden in den verfchie-
denften Bibliotheken und Mufeen zerftreut liegen; nach
der Zufammenftellung auf S. 360 f. verteilen fie fich auf
17 verfchiedene Stellen. Freilich fällt der Löwenanteil
auf das Britifche Mufeum mit ca. 77 Nrn.; deshalb konnte
der Herausgeber diefe Stücke wiederholt an Ort und Stelle
kollationieren, während er für andere Urkunden auf Photographien
refp. Abfchriften anderer angewiefen war. Wie
weit nun Crum die Texte in forgfältiger Publikation
zugänglich gemacht hat, würde nur eine genaue Kollation
der Papyri felbft ergeben; dazu bin ich im Augenblick
nicht imftande. Nur für die im Berliner Mufeum aufbewahrten
Urkunden habe ich eine Kontrolle ausgeführt,
wobei ich leider zahlreiche Verfehen konftatieren konnte; ich
weiß aber nicht, ob diefe dem Herausgeber zur Laft fallen.
Ich möchte dafür einige Beifpiele anführen: Nr. 76, 14I. i.iMOiyT
I _'
ft. £.imoujt — Z. 36 nK&tiHnH ft. nRnHHHnH — Z. 39 exe hinter
eiexOC ausgelaffen — Z. 40 Mit nOTMiexue ft. MHOTMiexiie Z. 45 6.*.lq
ft. a.*.q — Z. 51 eTeccojrte ft. eTecume und Morton exe ft. Morton
exe — Z. 56 eiMOOtye ft. eiMOtrje — Z. 61 eq^*.theptc«e ft. eqq-i«,-
cöepic«e — Z. 69 evn&eMtbi>.nini7e. ft. etrn*.eMuh*.ni^e — Z. 85
J/muö, ein Name, der fonft häufig belegt ift (f. Index), ft. des unbekannten
•tDe.iuo.
n n
Dasfelbe gilt für Nr. 24: Z. 2 1. T*.va. ft. T*.v — Z. 4 CTecbc.n,
ft. ererb, Mit — Z. 7 exepK*.o ft. TeTtyon — Z. 11 m enfi ft. m m
— Z. 26 itcxHMe ft. oxiiMe — Z. 40 c-t ft. h •— Z. 57 nco.ce.ce.niM
ft. itce.ce.niM — Z. 59 eTeine.OTrtonp_ ft. eTeTeine-oirtono. — Z. 72
ge.npe.n ft. ge.pe.n — Z. 78 nH irrne ft. nrern ine — Z. ^4 pM-
enm ft. punenm — Z. 108 eqn«.u]Oone ft. eqtye.ntytone ■— nach
Z. 130 eine Zeile, die fchwer lesbar, ausgelaffen. — Z. 140 7iottH ft.
cTüjhh — Z. 162 e.nnotyo-5- ft. ennouj etc. etc.
Aber als Ganzes betrachtet, können diefe Anftände
den hohen Wert der vorliegenden Publikation nicht in
Frage Hellen; unfere Kenntniffe der Profanliteratur haben
eine ungemeine Erweiterung erfahren. Dazu tragen auch
viel bei die Indices der koptifchen und griechifchen Wörter
. Nur ein Bedauern möchte ich am Schluß noch aus-
fprechen, daß nämlich Crum fich auf die Textpublikation
befchränkt hat, während für einen 2. Band Prof. Steindorff
die Überfetzung und die kritifche Bearbeitung fich vorbehalten
hat; denn es fleht zu befürchten, daß diefer
Band noch lange ausbleiben wird. Und gerade dadurch
wird ein der koptifchen Sprache nicht mächtiger Kultur-
und Rechtshiftoriker behindert, diefe für die Gefchichte
des koptifchen Volkstums fo hochwichtigen Urkunden zu
benutzen.
Berlin. Carl Schmidt.
Schneider, Dr. Frdr.: Herzog Johann v. Baiern, erwählter
Bifchof v. Lüttich u. Graf v. Holland (1373—1425). Ein
KIrchenfürft u. Staatsmann am Anfang des 15. Jahrh.
(Hiftorifche Studien. 104. Heft.) (XXVIII, 250 S. m.
2 Stammtaf.) gr. 8°. Berlin, E. Ebering 1913. M. 7.50
Hülfen, Dr. Frdr.: Die Belitzungen des Klofters Lorfch in der
Karolingerzeit. Ein Beitrag zur Topographie Deutfch-
lands im Mittelalter. (Hiftorifche Studien. 105. Heft.)
(130 S. m. 4 Kartenfkizzen u. 1 Tab.) Berlin, E. Ebering
1913. M. 5 —
Johann von Baiern war ,keiner der Größten der Welt-
gefchichte, aber ein Fürft, der ein glänzender Vertreter
feiner Zeit genannt werden darf, fo urteilt der Verf. über
feinen Helden. Man kann noch weiter gehen: er war
keiner der Großen der Weltgefchichte und ein fpezififcher