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Ausgabe:

1913 Nr. 10

Spalte:

294

Autor/Hrsg.:

Menzel, Paul

Titel/Untertitel:

Meine Reise nach Jerusalem im Jahre 1906. 2. Aufl 1913

Rezensent:

Guthe, Hermann

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293

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 10.

294

Natürlich ift diefe veränderte Stellung K's zu den
Quellen nicht ohne Folgen für feine Darfteilung des
gefchichtlichen Verlaufs gewefen, deshalb find auch
diefe Partien feines Buches meift neu gearbeitet. Wie
bei den literar-kritifchen Fragen tritt uns auch hier häufig
eine erfreuliche Unbefangenheit entgegen. Ich erinnere
z. B. an die Darftellung in § 32, wo K. es offen zugibt,
daß eine Reihe von Erzählungen in alter Zeit Elohim
zum handelnden Subjekt haben, erft mit der Übernahme
durch das Ifrael der nachmofaifchen jahveverehrenden Zeit
feien diefe Erzählungen auf Jahve bezogen S. 398. Ich
verweife ferner auf K's Stellung zu der Frage, welches
das nächfte Ziel der aus Egypten ziehenden Stämme war:
er gefteht jetzt unter dem Einfluß von Wellhaufen, Ed.
Meyer u. a. ohne weiteres zu, daß das Kadefch war.
Freilich zeigt die Ausführung zugleich K's ftark konfer-
vative Neigung, was auch bei zahlreichen andern Gelegenheiten
hervortritt. Jene Männer haben m. E. mit Recht
den Schluß gezogen, daß die Sinaiperikopen eine jüngere
Traditionsfchicht vertreten und ihre Entftehung leicht
erkennbaren Erwägungen verdanken. Wenn demgegenüber
K. S. 540 behauptet, daß die eigentliche Wurzel der
Loslöfung der Kadefch- von der Sinaioflenbarung in der
Vermutung ruhe, der Sinai fei viele Tagereifen weit von
Kadefch entfernt, und K. vielmehr den Sinai in nächfter
Nähe von Kadefch anfetzt, fo dürfte er für beide Behauptungen
fchwerlich Zuftimmung finden. Um nur Eins herauszuheben
: das eigentümliche Verhältnis von Ex. 17 zuNum.
20 ift kaum anders zu begreifen als fo, daß die Sinaiperikope
hier Einfchub ift, alfo Sinai- und Kadefch-Offenbarung
Parallelen find und nicht derfelben Quelle zugehören.
Ebenfowenig ift m. E. von K. der Beweis geführt, daß
der Sinai in unmittelbarer Nähe von Kadefch gelegen
habe. Wäre das der Fall gewefen, wie wollte man ange-
fichts der engen Verbindung von Jahve und Sinai überhaupt
dies Kadefch als urfprüngliches Ziel des Wüften-
zuges begreifen? Vollends tritt ein ftark konfervativer
Zug in der Darfteilung des Mofaismus hervor. Hier findet
fleh S. 552 die Bemerkung, daß wir nur aus dem Dekalog
das Eigentümliche derReligionsftiftung desMofe begreifen
können und daneben S. 555 die andere, daß nicht mit
Sicherheit zu fagen ift, welche Rolle die Thora bei dem
Sinaibund gefpielt habe, vielleicht erfolgte die Verpflichtung
lediglich auf den Dienft und Willen
Jahves. S. 551 Anm.1 fchreibt K., daß Ed. Meyer den
Satz: Jahve der Gott Ifraels und Ifrael das Volk Jahves
grob, aber nicht ganz unbillig eine inhaltlofe Phrafe
genannt habe, und S. 555 fagt K. felbft, daß das Programm
der neuen Religion in dem Satz liege: Ich Jahve bin dein
Gott; vgl. die Ausführung desfelben auf S. 558. Wird
jener Satz in dem Sinn verftanden, in dem er gemeint ift:
Jahve der Gott, der fleh in der Gefchichte feines
Volkes offenbart, fo ift er weder inhaltlos, noch iden-
tifch mit analogen Sätzen anderer femitifcher Völker, denn
keines hat wie Ifrael in diefer Erkenntnis die Loslöfung
der Gottheit von der Natur vollzogen, darum ift auch
keine der andern Religionen in dem Sinn wie die ifra-
elitifche eine gefchichtliche. Jedenfalls hat K. die Schwierigkeiten
, welche der Annahme der Mofaicität des Dekalogs
entgegenftehen, zu leicht genommen. Das gilt nicht nur
vom Bilderverbot: war von Anfang an dies Gebot als
mofaifch anerkannt, fo läßt fleh m. E. die Entwicklung
der Folgezeit nicht begreifen. Das gilt auch von dem
ganzen Charakter des Dekalogs mit feinem Praevalieren der
religiös-ethifchen und dem Zurückdrängen der kultifchen
Momente, ich glaube nicht, daß diefe Schwierigkeit durch
die Behauptung gehoben wird, daß das mofaifche Ifrael
,die Kulturftufe, für die diefer Satz gelten mag, längft
überfchritten hatte'. Überhaupt will es mir fcheinen, als
werde K. feinen Gegnern in feiner Charakteriftik nicht
immer ganz gerecht: zwifchen der von ihm vertretenen
Anfchauung und andererfeits der, wonach die Religion
auch der Zeit des Mofe Naturreligion gewefen wäre undMofe

felbft nichts andres geleiftet hätte, als daß er auf das
gemeinfam femitifche Heidentum, das er im übrigen
unverändert beibehielt, den Namen Jahves übertrug, liegen
doch noch fehr anders geartete Auffaffungen, und fo weit
ich fehe, find gerade diefe von den meiften Fachgenoffen
vertreten. Als drittes charakteriftifch.es Beifpiel von K.'s
ftark konfervativer Tendenz wähle ich feine Darftellung
von Juda's Feftfetzung in feinem Gebiet: er ift hier ein-
feitig durch die in Jdc I vorliegenden Nachrichten benimmt
, obgleich er doch von einzelnen wie z. B. der in
V. 8 vorliegenden von der Eroberung Jerufalems durch
Juda zugeben muß, daß fie auf Konftruktion beruhen,
letztere ift freilich keine willkürliche, fondern notwendige:
fie flammt aus der Überlegung, daß, wenn Jerufalem in
den Händen der Kanaaniter blieb, damit für Juda die
Straße nach dem Süden gefperrt war. Doch genug.

K. nimmt nicht für fleh das Recht der Unfehlbarkeit
in Anfpruch, fondern fpricht es offen aus, daß wie jede
andere Darftellung, fo auch die feine fubjektiv bedingt
ift, und fo wird er verliehen, wenn feine Arbeit den Wider-
fpruch da und dort herausfordert Unendlich viel zahlreicher
find doch die Stellen, in denen man feinem aut
vollfter Sachkenntnis beruhenden, alle Umftände forg-
fam abwägenden Urteil zuftimmen muß. Ref. kann nur
wünfehen, daß K. viel fleißige Lefer finde, dann kann es
nicht fehlen, daß feine Arbeit auch zur gegenfeitigen Ver-
ftändigung dienen wird, jedenfalls wird niemand K's
Arbeit ohne reiche Anregung aus der Hand legen.
Straßburg i. Eis. W. Nowack.

Menzel, Paul, Meine Reife nach Jerufalem im Jahre 1906.

2. Auflage. (286 S. m.Bildnis) kl. 8°. Breslau, R.Baumann's
Nachf. 1910. Geb. M. 5 —

Der Verfaffer, Prediger in Breslau, ift im Jahre 1906
Januar bis Februar) auf dem Dampfer /Meteor' der Hamburg
-Amerika-Linie als Teilnehmer der ,dritten Mittelmeerfahrt
' von Genua über Malta nach Alexandrien, Beirut
, Jafa und von dort über Athen, Meffina, Palermo und
Neapel nach Genua zurückgefahren und fchildert in diefem
Buche, das zuerft 1907 erfchienen ift, feine Erlebniffe und
Eindrücke befonders im Heiligen Lande (S. 134—241).
Da der Verf. frifchweg feine Urteile fällt, feine Erzählung
mit allerhand Vergleichen, Überlegungen und Lefefrüchten
verziert und einen flüffigen, nicht feiten fchwunghaften
Stil fchreibt, fo ift es wohl begreiflich, daß fein Buch
zahlreiche Lefer bisher gefunden hat. In der Hauptfache
find es wohl perfönliche Anläffe, die dem Verf. die Feder
in die Hand gedrückt haben, daneben freilich auch der
Gedanke, daß die Niederfchrift feiner .Pilgerfahrt' für fpätere
Gefchlechter einen ähnlichen Wert haben könnte wie
für uns die Pilgerfchriften der vergangenen Zeit. Von
diefem Gefichtspunkt aus werden einige Beigaben, die
auf den erften Blick befremden, verftändlich, wie die an
Bord gedruckten Programme für die befuchten Orte, das
Verzeichnis der Reifegefellfchaft, die Speifekarten der
Schiffsmahlzeiten u. a., dagegen vermißt man häufigere
Angaben über Preife im Orient, fowie über Berührungen
mit den Eingeborenen, wozu freilich die bekannte Art
der Gefellfchaftsreifen wenig Gelegenheit bietet. Warme
Begeifterung und fchwärmerifche Liebe für das Heilige
Land zeichnen das Buch aus, treiben jedoch hier und
da etwas ftarke Blüten (z. B. S. 224).

Wenn das Werk auch keinen wiffenfchaftlichen Wert beanfprucheu
kann, fo will ich doch auf einige Unrichtigkeiten aufmerkfam machen.
Die Chriftenmetzelei in Damaskus und am Libanon 1860 fällt nicht allein
den Drufen (S. 141), fondern auch der damaligen türkifchen Regierung
zur Lad; ftatt Omarmofchee S. 155. 166 muß es Felfendom heißen.
Die Arbeit an den Ausfätzigen in Jerufalem hat die deutfehe Freifrau
von Keffenbrinck-Afchenrade begonnen, die Brüdergemeinde hat fie fpäter
übernommen (194). Die oft dem .Baedeker' nachgedruckte fchöne Litanei
der Juden an der Klagemauer (S. 212) ift nur der Sekte der Karäer
eigentümlich. Die beigegebenen Bilder find meiftens gut, viele reichlich
klein; das Panorama von Jerufalem ift veraltet.

1 Leipzig. Guthe.

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