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Ausgabe:

1912 Nr. 5

Spalte:

149-151

Autor/Hrsg.:

Söderblom, Nathan

Titel/Untertitel:

Religionsproblemet inom Katolicism och Protestantism 1912

Rezensent:

Schmidt, Reinhold

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i49 Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 5. 15°

der weltoffnen und der original-perfönlichen Elemente, wie j Hellen und in den Philofophen der Willensmyftfik Berg-
fie wohl nur der Theologe geben kann; U. begnügt fich , fon und Boutroux ihren Mittelpunkt haben. In diele
dabei zuweilen mit allgemeinen, nicht immer das richtige Entwicklung hinein fährt dann der Bannltrahl des Vati-
Bild hervorrufenden Wendungen. Überdies öffnen fich kans und fchafft Märtyrer. Die bedeutendften von dielen,

hier intereffante Probleme, die in das Gebiet der fyfte-
matifchen Theologie hinüberführen: z. B. die eigentümliche
Wahlverwandfchaft zwifchen einer kräftigen felb-
ftändigen Frömmigkeit und einer fcharfen Erkenntniskritik
(hier von Humefcher Art), oder das Verhältnis zwifchen
der überwiegend durch die Sinne vermittelten Weltoffenheit
Hamanns und der überwiegend verftandesmäßigen
Weltoffenheit der Aufklärung. Solche Probleme treten
gerade bei Hamann befonders eindrucksvoll auf. Denn die
Stellen, an denen der Strom eines neuen Geiftes fchäumend
und gurgelnd enge Felfenfpalten durchbricht, find zwar
fchwieriger zu erfbrfchen, aber auch intereffanter und für
das Verftändnis des Lebens fruchtbarer als die periodenlangen
Strecken, da das harmonifch beruhigte Waffer
fich über breite Niederungen dahinwälzt.

Leider kann ich hier nicht näher auf das Werk und
feine wichtigen Einzelunterfuchungen eingehen. Doch
möchte ich es dem Studium unferer zahlreichen Idealismus-
forfcher dringend empfehlen. Es kann zwar, da es infolge
feiner Verbindung von Analyfe, Kommentar und Charakte-
riftik große Stoffmengen aufhäuft, nicht in allen Kapiteln
breiteren Kreifen als genußreiche Lektüre dienen. Aber
es ift doch in den weitaus meiften Abfchnitten nicht nur
lehrreich, fondern auch angenehm zu lefen und im ganzen
unentbehrlich für jeden, der das Werden der neueren deut-
fchen Bildung wiffenfchaftlich beobachten, bedeutungsvolle
Perioden des Geifteslebens wie Sturm und Drang
oder Romantik verftehen will. Es ift eine Freude, an
diefem Beifpiel zu fehen, mit welcher Kraft heute die
wiffenfchaftliche Literaturgefchichte von rein philologi-
fcher Arbeit — deren methodifche Strenge und Gründlichkeit
aber bei U. glücklicherweife durchaus erhalten
bleibt — zu geiftesgefchichtlicher Höhe emporftrebt und
dadurch den benachbarten Wiffenfchaften reiche Schätze
fpendet.

Marburg a. d. L. Horft Stephan.

Söderblom, Nathan: Religionsproblemet inom Katolicism och
Protestantism. Med ett flertal porträtt. I. (VI, 219 S.)
8°. Stockholm, H. Geber (1910).

Alle Verfuche, die ich gemacht habe, um über das
neuefte Buch des fchwedifchen Religionshiftorikers ein
lesbares und nicht zu langes Referat zu geben, find
gefcheitert. Namentlich der erfte und größte Hauptteil
des Werkes mit der Überfchrift: .Modernismus' ift ein

fo eigenartiges Konglomerat von hiftorifchen Porträts, j Wiffenfchaft wirkt gerade heute als religiöfe Kraft. Sie
Bucherauszügen, geiftvojlen Randgloffen, ^ perfönlichen j weitet den Blick in ungeahnter Weife für die Fülle des

Offenbarungslebens; fie drängt dem Mann der exakten

Loify und Tyrrel, fowie ihr geiftiger Nährvater, der feinfinnige
Myftiker von Hügel kommen in fehr ausführlichen
Buchauszügen zu Wort, wonach dann noch kurz die
Einwirkungen des Modernismus auf den Anglikanismus,
auf Italien und Deutfchland fkizziert werden. Im 13. Kapitel
wird als Ergebnis des erften Teils herausgeftellt,
daß der Modernismus nicht, wie vielfach üblich, als
proteftantifierende Bewegung angefehen werden darf.
Er ift ,fo katholifch wie möglich. Die moderniftifche Bewegung
offenbart uns in neuer fcharfer Beleuchtung den
Unterfchied zwifchen evangelifchem und katholifchem
Chriftentum. Es ift ein Art- kein Gradunterfchied'. Gewiß
fchuldet der Modernismus dem Proteftantismus viel,
die philofophifchen Grundlagen und die hiftorifche Methode
. Dennoch ift er feinem Wefen nach urkatholifch.
Autorität und Norm ift ihm immer die Kirche, die
Organifation, dem Proteftanten find es die grundlegenden
Perfönlichkeiten —, ebenfo wie die Erlöfung des Einzelnen
dort ruht auf der Eingliederung in die Kirche, hier auf
der Berührung der Seele mit Chriftus. Ebenfo katholifch
wie in feinen Lehren ift der Modernismus in feinem fitt-
lichen Ideal. Es ift ,ein modernifiertes Franziskanerideal,
d. h. das Franziskanerideal vermählt mit einem opti-
miftifchen Glauben an Wiffenfchaft und Entwicklung'.
Die franziskanifche Art der Moderniften zeigt fich am
feinften in Fogazzaros ,11 Santo', dort wo Benedetto mit
dem Papfte ringt, damit er die vier ,böfen Geifter' der
Unterdrückung der Wahrheit, der Herrfchfucht, des Mammonismus
und der Erftarrung, aus der Kirche banne.
Der Proteftantismus aber ift keine bloß fittliche Oppo-
fition gegen römifche Entartung, fondern eine neue Art
religiöfen und fittlichen Erlebens.

Ohne deutliche Überleitung, fchließt fich daran der
zweite Hauptteil mit der Überfchrift: ,Der Durchbruch
der Religion'. Das Chriftentum als hiftorifch gewordenes
Weltanfchauungsgebilde ift tot und zwar nicht in erfter
Linie durch das Neuwerden des Weltbildes, fondern vor
allem durch eine tiefere Erfaffung der Offenbarung als
eines Lebens aus Gott, wie es uns in den Perfönlichkeiten
der Bibel entgegentritt. Diefes Leben kann fich aber
fehr verfchieden im Menfchen fpiegeln, als Erlebnis und
Entfeffelung perfönlicher Kräfte, wie bei Luther und
Schleiermacher oder als Überzeugung wie bei Calvin
und Kant. In beiden Formen kommt die Religion heute
zum Durchbruch, in jener im Ringen mit der Wiffenfchaft
, in diefer durch Deutung des Seins als Leben. Die

Erinnerungen ufw. ufw., daß eine Wiedergabe unmöglich
ift. Wie man bei manchen Bildern in der Nähe nichts
fieht, als zufammenhangslofe Farbenklexe, während das
Bild erft bei größerem Abftand fich darbietet, fo ift es
in diefem Buch. Das Lefen ift eine nicht gerade immer
erfreuliche Mühe, aber fchließlich bleibt doch ein ftarker
Stimmungseindruck von der Eigenart der moderniftifchen
Bewegung nach. Im Hintergrunde flehen die 3 letzten
fWv*'6' die beiden Pius' als die Entfeffeler ultramontaner
Alaffenfrömmigkeit, Leo als der Schöpfer einer katho-
ül.c^ei},Geiftesarift:okratie in Frankreich. Sehr eingehend
r mu-dmal Ne«-man gefchildert, wie er durch feine
Cewibheitslehre und die Aufnahme des Entwicklungsgedankens
unfreiwillig den heutigen Moderniften die
Waffen fchmiedet. Während England fo für die Theorie
grundlegend wirkt, gibt der Amerikanismus der Bewegung
erft praktifche Art und demokratifchen Zu-
fchnitt. Wahrhaft vertieft wird fie aber erft in Frankreich,
einerfeits durch die Opfer der Liebe und Tapferkeit der
Chriftlich-Sozialen, andererfeits durch die glänzende Reihe
geiftiger Ariftokraten, die fich in den Dienft der Kirche

Wiffenfchaften die Erkenntnis auf, daß unfer Wiffen nicht
in das Wefen der Dinge dringt, wir vielmehr einem unergründlichen
Geheimnis gegenüberftehen; fie fchafft vor
allem durch dje asketifche Zucht ftrenger Sachlichkeit
eine Perfönlichkeitskultur, die der belle Nährboden der
Religion ift. Die Religion als Überzeugung bildet fich
heute weiter durch Aufnahme des Entwicklungsgedankens
und der Lebensmyftik. Es hat fich herausgeftellt, daß
die alte Theologie gerade religiös verfagen mußte, weil
fie in ihren Grundgedanken intellektualiftifch ift. Logik
führt immer zum Leblofen. Der lebendige Gott der
Bibel kommt erft zur Geltung, wo Entwicklung ift, d. h.
wirkliche Entwicklung, die Neues erflehen läßt, ,fchaf-
fende Entwicklung' (Bergfon). Der naturaliftifch gefaßte
Entwicklungsbegriff führt nur zu einem Kreislauf. Das
ganze moderne Denken führt darauf hin, das Sein als
ein Leben zu faffen, das zu immer höheren Stufen fich
durchringt. Damit hilft es dem Menfchengeift erft zu
feiner rechten Stellung. Naturaliftifch-antik betrachtet
bleibt er ein verfchwindendes Atom, für das Leben des