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Ausgabe:

1912

Spalte:

353-356

Titel/Untertitel:

Der Roman einer tibetischen Königin. Tibetischer Text und Übersetzung von Berthold Laufer 1912

Rezensent:

Beckh, Hermann

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur TitiUS und Oberlehrer Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich 9 Mark

Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find ausfchließlich an _ - m.n

37. Jährt? Nr 12 ProfefforD.Titius in Güttingen, Nikolausberge.-Weg 66, zu fenden. 8. JUIll

■ üCiJ.iJ.5. Rezenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag.

Der Roman einer tibetifchen Königin. Tibetifcher
Text u. Überfetzg. v. Berth. Laufer (Beckh).

Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens der
königl. Gefellfchaft der Wiffenfchaften zu
Göttingen. 2. Heft (Kahle).

Hölfcher, Sanhedrin u. Makkot (Bifchoff).

Erbt, Das Markusevangelium (M. Dibelius).

B ü c h f e 1, Der Begriff der Wahrheit in dem Evangelium
u. den Briefen des Johannes (Hennecke).

Schroeter, Plutarchs Stellung zur Skepfis
(Paul Wendland).

Seitz, Cyprian u. der römifche Primat oder Lr-
chriftliche Primatsentwicklg. u. Hugo Kochs
moderniflifches Kirchenrecht (Krüger).

Koch, Die .kritifche Methode' des Münchner
Apologeten Anton Seitz (Derf.).

Seufe's deutfche Schriften. 2 Bde. (O. Clemen).

Abb, Gelchichte des Klofters Chorin (Breeft.)

C o b b, The Rationale of Ceremonial 1540—1543,
with Notes and Appendices and an Essay on
the Regulation of Ceremonial during the reign
of KiDg Henry VIII, with IV fcms. of hand-
writings (Eger).

Corpus scriptorum christianorum orientalium.
Script, aethiopici. Series II, tom. VI (Duenfing).

Dor, Franz Jofeph Ritter von Büß in feinem
Leben u. Wirken gefchildert (Vigener).

Jeremias Gotthelf u. Karl Hagenbach. Ihr
Briefwechfel aus den Jahren 1841 bis 1853
(Wernle).

Kirchliches Handbuch fürdaskatholifcheDeutfch-
land, herausg. v. H. A. K r o f e. 3. Bd. (Bruckner).

Wernicke, Kants kritifcher Werdegang als Einführung
in die Kritik der reinen Vernunft
(Jordan).

Eucken, Können wir noch Chriflen fein?
(Dorner).

Heinrici, Die Eigenart des Chriftentums (Derf.).

Schaeder, Zur Trinitätsfrage (Lobftein).

Schrempf, Zur Reform des evangelifchen Pfarramts
(Schian).

Löber, Wie ift über den obligatorifchen Gebrauch
des Apoftolikums bei der Taufe u. bei
der Konfirmation zu urteilen (Achelis).

Referate: [Stolz u. Meineke.] Fügung u.
Führung, herausg. v. Julius Mayer. — Koerber,
Kampf und Leiden in der Gefchichte der
deutfchen. evangelifchen Gemeinde in Lyon. —
Külpe, Die Philofophie der Gegenwart in
Deutfchland.

Richtigftellung von Schnedermann.

Erwiderung von Fiebig.

Wichtige Rezenfionen. — Neuefte Literatur.

Der Roman einer tibetifchen Königin. Tibetifcher Text u. Überfetzg
. v. Berth. Laufer. (8 Abbildgn. u. Buchfchmuck
nach übet. Vorlagen gezeichnet v. Alb. Grünwedel.) (XI,
264 S.) Lex 8°. Leipzig, O. Harraffowitz 1911.

M. 12 —; geb. M. 13 —

Zur Freude der Fachgenoffen betätigt fich der viel-
feitige Verfaffer mit diefem Buche wieder auf dem Gebiete
des Tibetifchen, zu deffen vorziiglichften Kennern
er gehört. Insbefondere ift es die, im Verhältnis zur
Uberfetzungsliteratur im ganzen noch zu wenig bekannte
und gewürdigte Originalliteratur Tibets, die er fich zum
Spezialgebiet erkoren hat. Durch Veröffentlichung von
Bruchftücken der .Gefchichten und Lieder des Milaraspa'
hat er in früheren Jahren hier Bahn gebrochen, und die
gegenwärtige Arbeit liefert für die Erschließung des
fraglichen Literaturgebietes einen neuen und wertvollen
Beitrag.

Mit der Wahl des Stoffes hat der Verf. entfchieden
einen glücklichen Griff getan. Die ebenfo eigenartige
und feffelnde wie in den verfchiedenften Beziehungen
lehrreiche Erzählung, ein altbuddhiftifcher Text der rnifv
ma-pa-Sekte, ift Beftandteil eines größeren Werkes
(bkah-thah-sde-lna),..in dem fie den dritten von fünf Ab-
fchnitten bildet. Über die Gründe, die ihn bewogen
haben, mit der Bearbeitung diefes Teiles zu beginnen,
redet der Verf. in der Einleitung (S. 9).

Der tibetifche Titel des mitgeteilten Abfchnittes
(btsun-mo-bkahi-than-yig) bedeutet .Aufzeichnung der
Anfprachen an die Fürftinnen'. Daß die Bezeichnung
,Roman' auf dem Titelblatt nur eine Verlegenheitsbenennung
ift, hebt Laufer felbft im Vorworte zutreffend
hervor. Das Ganze ift überhaupt keine einheitliche Gefchichte
, fondern ein Bericht über verfchiedene, wohl
mehr oder weniger hiftorifche (wenn auch in der Erzählung
zum Teil phantaftifch ausgefchmückte) Begebenheiten
, in deren Mittelpunkt die Geftalt des berühmten
myftifchen Heiligen und Zauberes Padmasambhava von
Udyäna fteht. Die Zeit der erzählten Begebenheiten ift
alfo das 8. Jahrhundert n. Chr. (Die Erzählung felbft flammt
aus einem fpäteren Jahrhundert, mit Sicherheit läßt fich
ihre Zeit einftweilen noch nicht beftimmen.) Auch das
im mittleren Teile erzählte Liebesabenteuer der Königin

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Tshe-spori-bza mit dem Lama Vairocana, welches allein
zur Benennung .Roman' den Anlaß gegeben hat, fcheint
eines hiftorifchen Kernes nicht zu entbehren (fiehe Wad-

] dell, The Buddhism of Tibet, S. 29).

Die erften Kapitel berichten über die Erbauung und

; Weihung des Kloftertempels bSam-yas unter König
Khri ■sron-lde-btsan. In den bei der Einweihung vor-

| getragenen Liedern (Kap. 2 und 3) liegt uns nach der
in der Einleitung vom Verf. ausgefprochenen Vermutung
die ältefte erhaltene tibetifche Volkspoefie vor. Auch
auf den religiöfen Geift, der aus jenen Liedern fpricht,
wird hingewiefen, befonders das Lied im dritten Kapitel
wird zu bemerkenswerten Schlüffen in diefer Richtung
verwertet. ,Es wird darin', heißt es in der Einleitung,
,das Wefen des Buddhismus als einer Religion charak-
terifiert und der Freude über feine religiöfen und kulturellen
Segnungen Ausdruck verliehen. Es kann fomit
gar keine Rede davon fein, daß, wie man fo einfeitig betont
hat, nur eine entartete Form des Buddhismus, ein
Zauber- und Dämonenkult, nach Tibet gedrungen fei;
hier werden der Erlöfungsgedanke und die ethifchen
Forderungen und Wirkungen der neuen Religion ge-
priefen, Eigenfchaften, die ihr fo fchnell die Welt des
Oftens über die Grenzen Indiens hinaus erobert haben
u. f. w.'

Im Folgenden hören wir, wie Abgefandte aus China
kommen und den Padmasambhava bitten, auch in ihrem
Lande den Wefen den zur Seligkeit führenden Pfad der
Erlöfung zu lehren. Padmasambhava beauftragt mit der
Miffion den Lama Vairocana, deffen Reife aber fchließ-
lich gleichfalls unterbleibt, weil der König ihn, der fchon
alle Reifevorbereitungen getroffen und von feinem Rappen
rührend Abfchied genommen hat, im letzten Augenblick
nicht ziehen laffen will (Kap. 7). An diefem Punkte nun
fetzen die Verwicklungen ein, der .Roman', deffen Held
befagter Vairocana, und deffen Heldin die Königin Tshe-
spori-bza ift. Den europäifchen Lefer wird diefer Teil
der Erzählung am meiften anziehen. Die merkwürdige
Parallele zur altteftamentlichen Gefchichte von Potiphars
Frau (1. Mof. 397—98) zeigt aufs neue, wie zu ganz ver-
fchiedenen Zeiten und an ganz verfchiedenen Orten auch
ohne irgend eine Spur von Abhängigkeit oder Entlehnung
gleiche oder ähnliche Gefchichten erzählt werden. Pad-

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