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Ausgabe:

1911 Nr. 4

Spalte:

113-115

Autor/Hrsg.:

De Stoop, Em.

Titel/Untertitel:

Essai sur la diffusion du Manichéisme dans l‘empire romain 1911

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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H3

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 4.

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felbft bezogen. Und wenn Philippus den Bardefanes wirklich
ein früheres aftrologiefreundliches Werk zitieren läßt
(die Annahme beruht auf dem einen Worte quemadmodum ;
das Zitat felbft, deffen Umfang nicht ficher zu be-
ftimmen ift, nötigt nicht zu der Deutung), fo braucht
das nicht der Traktat jtsgl ttfiaQ/itvqg zu fein. Die Frage,
ob Antoninus wirklich ein Kaifername fein muß, was
immerhin das wahrfcheinlichfte ift, ift gar nicht erörtert.
So fcheint mir doch auch die andre Möglichkeit noch
offen zu fein, daß der Eufebius-Traktat jctgl ii(iap{iti>t)g
identifch ift mit dem Theodoret-Traktat xaza elftaQf/evrjg.
In diefem Falle kann man weiter fragen, ob nicht Philippus
weniger ein ganz beftimmtes Lehrgefpräch desMeifters als
vielmehr deffen Traktat jisqi slfiaQfievrjg zugrunde gelegt
haben könnte.

Zu den Thomasakten übergehend (50 ff.) erklärt H.
die Abfaffung der Akten wie der Hymnen durch Bardefanes
und feine Schule für eine bloße, durch nichts
bewiefene Möglichkeit. Hierbei geht er auf den fog.
Hymnus von der Seele näher ein (53 ff.), gibt eine fcharf-
finnige Kritik der bisherigen Deutungen, deren keine alle
Schwierigkeiten löfe, rückt den Hymnus in religionsge-
fchichtliche Beleuchtung und fchlägt folgende, fehr beachtenswerte
Erklärung vor: Das Stück ift in die Thomasakten
eingeftellt worden als Hymnus auf den Chriftus
Soter (mit Liechtenhan-Preufchen); das ift indes nachträgliche
chriftliche Deutung; das Lied war urfprünglich ein
nichtchrifthcher Erlöfungshymnus, den wir im einzelnen
nicht deuten können, weil wir den zugrunde liegenden
Mythus nicht kennen, fondern nur teilweife Parallelen
und Analogieen in ägyptifchen Mythen, im Manichäis-
mus und Mandaeismus. Manche Einzelheiten wider-
ftreben der Deutung auf Chriftus, wurden aber darum
nicht geftrichen oder geändert, weil man fie nicht weiter
beachtete.

Nachdem H. zutreffend dargelegt, daß für die Abfaffung
der pfeudomehtonifchen Apologie durch Bardefanes
von Ulbrich kein einziger durchfchlagender
Grund beigebracht fei, wohl aber gewichtige Gründe
dagegen fprächen, wenn auch die Hypothefe nicht
geradezu unmöglich fei (S. 67 ff.), lenkt er mit einer fehr
befonnenen Unterfuchung über die Glaubwürdigkeit der
Quellen über Bardefanes (S. 72 ff) zu deffen Theologie
über (S. 76 ff.). Die wenigen geficherten Daten vorfichtig
abwägend, betont H. gegen Nau, daß Bardefanes jedenfalls
durch den chrifthchen Gnoftizismus feiner Zeit beeinflußt
fei, wenn auch mit Nau manche feiner Anfchauungen
eher von aftralen Theorieen aus zu erklären feien. In
einem Punkte macht lieh H. eines merkwürdigen Selbft-
widerfpruchs fchuldig: S. 85: ,auch die Leugnung der
leiblichen Auferftehung ift alfo wohl die Folge der
Aftrallehre'; S.8S: ,ein Teil der Irrtümer— Leugnung der
leiblichen Auferftehung ufw. —kann nicht aus der Aftro-
nomie erklärt werden'. Das Urteil über die gefchichtliche
Bedeutung des Bardefanes (92 ff.) durfte teilweife (S. 95 f.!)
doch zu hoch gegriffen fein, obwohl das vielleicht aller-
wichtigfte, daß Bardefanes der Schöpfer des fyrifchen
Kirchengefanges und Kirchenliedmetrums ift, nicht erwähnt
wird. — Störende Druckfehler: S. 31 links Veneram
f. Venerem, S. 34 u. zodiacis f. zodiaci; S. 90
dfiezaxcozog f. afiszäjtzcazog. Die Klammer S. 90 enthält
eine unverftändhehe Zufammenziehung eines Satzes
von Boll. Der Anfang von S. 31 Anm. 2 ift mir unver-
ftändheh.

Straßburg i. E. Anrieh.
De Stoop, Dr. Em,: Essai sur la diffusion du Manicheisme
dans Pempire romain. (Universite de Gand. Recueil
de travaux publies par la Faculte" de Philosophie et
Lettres. 38me Fascicule.) Gand, E. van Goethem 1909.
(VIII, 152 p.) gr. 8"
Der Verfaffer bietet mehr als eine einfache Studie

über die Verbreitung des Manichäimus. Die Arbeit hat
fich beinahe zu einer Gefchichte wenigftens des abend-
ländifchen Manichäismus und feiner inneren geiftigen
Entwicklung ausgewachsen. In den erften drei Kapiteln
behandelt St. Fragen allgemeiner Natur. Intereffant ift
vor allem das erfte Kapitel über die Anziehungskraft des
Manichäimus, in dem wir eine allgemeine Beurteilung
und Charakterifierung diefer intereffanten Mifchreligion
erhalten. Allerdings hat der Verfaffer bei der Beurteilung
mehr durch die Brille des heiligen Auguftin gefehen, als
daß er eine unter modernen Gefichtspunkten zureichende
hiftorifche Würdigung uns gefchenkt hätte. Er betont
vor allem als den Hauptanziehungsgrund der Religion
des Mani ihren rationalen Charakter. Diefer ift aber
wirklich nicht fehr Mark vorhanden; natürlich wird in dem
Kampf einer Religion mit einer anderen immer auf die
Ratio das Schwergewicht gelegt werden, und was blieb
dem Manichäismus in feiner Polemik gegen die chriftliche
Kirche anders übrig, als eben —auf die allgemeine Vernunft
zurückzugehen, wenn die Gegner fich auf Tradition,
Autorität und den Gehorfam des Glaubens beriefen!
Ebenfo könnte man auf der anderen Seite bei dem ge-
waltigften Gegner des Manichäismus, bei Auguftin und
dem von ihm vertretenen Katholizismus, Rationalismus
in reichem Maße finden. Auguftin betont ja nach der
eigenen Darftellung von Stoop ftark, wie ihn der irrationale
mythologifche Charakter des Manichäismus abge-
fchreckt habe, und im Kampf gegen Fauftus Hellt er fich
mit voller Überzeugung als der Mann der überlegenen
Bildung und der philofophifchen Kultur dar. Er höhnt
über Fauftus als über einen Menfchen, dem alles Wiffen-
fchaftliche fremd fei, und der von der Literatur nur einige
Reden des Cicero, einige Bücher desSeneca, einige Stellen
aus den Dichtern kenne (p. 104). Die Überlegenheit der
Ratio und der Kultur hatte für diefes Zeitalter im ganzen
und großen keine fo befondere Anziehungskraft. Auch
will doch der Manichäismus feinem innerften Wefen nach
nicht Philofophie, fondern Offenbarungsreligion fein. Mani
gilt als der vorzuglichfte Offenbarer Gottes, darin den
anderen Religionsftiftern, Zoroafter, Buddha, Chriftus weit
überlegen, wenn auch diefe Stellung des Mani als des
Offenbarers xaz ego^ir in den abendländifchen Quellen
des Manichäismus aus Zwecken der Propaganda etwas
abgefchwächt erfcheint. Jedenfalls ift es charakteriftifch,
daß die Manichäifche Religion nur einen allgemein anerkannten
Fefttag befaß, den der Gedächtnisfeier des Re-
ligionsftifters, das fog. ßrjfia. Man kann zugunften des
rationalen Charakters des Manichäismus vielleicht darauf
hinweifen, daß er eine durchaus kultarme Religion war,
daß er keinen Tempel, Priefter, Opferdienft anerkannte',
aber dafür ift er durchfetzt von niederften religiöfen,
praktifchen Gebräuchen, die man ihrem Charakter nach
meiftens als Tabu-Gebräuche anfprechen kann (vgl. vor
allem die abgöttifche Verehrung der electi). Aber vor
allem ift der Manichäismus prinzipieller Dualismus und
damit prinzipieller Irrationalismus, darin auch dem griechi-
fchen Wefen und der Art griechifcher Philofophie durchaus
fremd, denn bis in ihre letzten Ausläufer hinein (Neu-
platonismus) ift diefe ihrer Grundtendenz nach moniltifch
geblieben. Dazu kommt nun im Manichäismus eine Fülle
barbarifcher orientalifcher Mythologie, eine verwirrende
Buntheit und Mannigfaltigkeit der Bilder, eine echt orien-
talifche Sinnlichkeit und ein Zufammenfluß von Traditionen
allerverfchiedenfter Herkunft. Das ift alles, wie auch
St. zum Teil felbft hervorhebt, das Gegenteil von Ratio.
Woher mag die Anziehungskraft diefer Religion trotz
alledem flammen? Der Manichäismus ift als die letzte
gewaltige Welle orientalifchen Dualismus', Irrationalismus'
und orientalifcher Mythologie zu betrachten, die das Abendland
überflutete. Erfolg war ihm deshalb befchieden,
weil der Okzident längft feines eigentlichen Wefens, der
Klarheit und Einheitlichkeit des Denkens, der Zuverficht
einer in ihren eigenen Fundamenten ruhenden Kultur, der