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Ausgabe:

1910 Nr. 20

Spalte:

622-623

Autor/Hrsg.:

Rauschen, Gerhard

Titel/Untertitel:

Eucharistie und Bußsakrament in den ersten sechs Jahrhunderten der Kirche. 2., verb. u. verm. Aufl 1910

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 20.

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durch die Kelchfpende befteilte. Es fcheint nicht, daß ! Gleichviel, im Jahre 150 ift die gezeichnete Evolution
Jefus die Wiederholung diefer Handlung den Seinen : vollzogen. In welchen Sinne und nach welcher Richtung
anbefohlen hat. Auch lag wohl eine folche Wiederholung auch fonftjuftins Pofition einen Schlußpunkt («» aboutissant)
dem Gefichtskreis der jerufalemifchen Gemeinde fern. bildet, muß man bei G. felbft lefen.

Die Jünger waren der Gewohnheit treu geblieben, mit) Die geiftvolle und fcharffinnige Arbeit des denStoff und
einander zu leben und Tifchgemeinfchaft zu pflegen, die um denfelben gehäufte Literatur vollkommen beherr-
aber derTodJefu war in ihren Augen noch ein zu fchweres ; Ichenden Verfaffers, ift dazu angetan, dem Unbefangenen
OxdvÖaXov, als daß ihre Gedanken gerne bei diefem Er- j die Grenzen unfers Erkennens recht lebendig zum Bewußt-
eignis liehen geblieben wären. Allmählich aber bemächtigte fein zu bringen. Bei aller Befonnenheit und Umficht,
lieh die theologifche Reflexion jener Tatfache und fie mit welcher der von keinem dogmatifchen oder kritifchen
entdeckte, daß der Tod des Meffias fchriftgemäß und Vorurteil eingenommene Forfcher verfährt, bringt er es
heilbringend war. In demfelben Maße drängte fleh das , doch in den meilten Punkten nur zu Möglichkeiten, im
Bild der letzten Tage und Stunden dem Gedächtnis und | bellen Fall zuweilen zu Wahrfcheinlichkeiten. Nirgends
dem Herzen der Jünger wieder auf, die in dem zuletzt 1 kommt es m. E. zu allfeitig überzeugenden Refultaten.
mit ihrem Herrn gehaltenen Mahl eine zu wiederholende Am eheften befriedigen noch die den Berichten über
Feier erkannten. Höchft wahrfcheinlich gefchah es zu das letze Mahl Jefu gewidmeten Kapitel, obgleich auch
derfelben Zeit, daß der Kelch, der urfprünglich eine ! da die Fragezeichen fleh häufen. Und mit welchen
felblfändige vorwiegend eschatologifche Bedeutung ge- j Konjekturen muß den Texten nachgeholfen werden, um
habt hatte, zu einem Äquivalent und einer Dublette des zu der fauberen Konltruktion zu gelangen, die G. aus
Brotes geftaltet wurde. — Diefe Lage fcheint Paulus den Quellen aufzuführen fleh bemüht! Wo fleht denn
vorgefunden zu haben. In doppelter Beziehung hat er zu lefen, daß die Urgemeinde nicht gerne bei dem
in den Entwicklungsgang der Euchariftie eingegriffen. Mefüastode mit feinen Gedanken verweilte? Kann wirk-
Einmal hat er von derfelben eine theologifche Deutung ; lieh die Stelle I Kor. io, 14—22 die ganze Lad der
gegeben Andern erden euchariflifchen Formeln einen realiff- Paganifierung des Herrenmahles tragen? Ift, bei der
ifehen Sinn unterlegte, erblickte er in dem Abendmahl ein Unterfuchung der johanneifchen Auslagen, die vorläufige
Mittel, mit dem leidenden und fterbenden Chriftus in Ge- Frage der Quellenfcheidung fo irrelevant, wie der Verf.
meinfehaft zu treten und kraft diefer Gemeinfchaftaucheine es behauptet? (203 ig.) Doch es kann fleh nicht darum
lebendige Einheit- mit der chriftlichen Gemeinde zu voll- handeln, das Heer von Fragen aufzuzählen, die G.'s Anziehen
. Zum andern brachte die Verfetzung der Eu- beit hervorrufen könnte. Daß fie überall Probleme
chariflie aus der jüdifchen in die hellenifche Geifteswelt zeigt, daß fie die durch die Forfchung herbeigeführten
eine Veränderung, die durch das neue Milieu bedingt Frageftellungen fcharf und beftimmt herausarbeitet, das
war, in welches fie eintrat: indem die Heidenchriften gehört zu den Hauptverdienftcn der auch durch licht-
das Abendmahl hielten, konnten fie (ich den Ein- volle Darftellung und vornehmen Ton in der Auseinanderwirkungen
und Eindrücken nicht entziehen, welche fie fetzung mit fremden Anflehten ausgezeichneten Unter-
den in ihrer ehemaligen Religion üblichen Opfermahl- fuchung. — Der Druck ift, bis auf einige Verfehen (fo
zeiten, myfteriöfen Zeremonien, fakralen Handlungen ver- z. B. Seite 334, Zeile 7 von unten: Igniace), korrekt und
dankten. Daß die Menfchen durch den Genuß von der gefällig.

Gottheit geweihten Speifen in einen fall phyf.fchen ' Straßburg 1./E. P. Lobftein.
Kontakt mit diefer Gottheit gerieten, das ift ein Gedanke _s _

der, in durchaus fpontaner Weife, in die euchariftifchen D„,,. u„_ r> c r i- r~ u j r___1___im , „ ,

,, ' „ 1, 1 r r 1 i~ • j j r> 1 Raulchen, Prof. D. Dr. Gerhard, Euchariftie und Bußlakra-

Vorftellungen der paulimfchen Gemeinden, ja des Paulus .' ""

felber, eindringen mußte. — In der nun nachfolgenden ' ment ln den erften fechs Jahrhunderten der Kirche.

Periode ift die Entwickelung der Euchariftie in Dunkel Zweite, verbefferte und vermehrte Auflage. Freiburg

gehüllt. Am Anfang des zweiten Jahrhunderts verbürgen i. B., Herder 1910. (XI, 252 S.) gr. 8°

Ignatius und der vierte Evangelift die Fortdauer der! M 4_■ geb M e —

paulinifchen Auffaffung vom Leib und Blut Chrifti. Aber - _ ' ' f ' J

Johannes gibt dielen Formeln eine rein geiftige Deutung; Franzof.fche Ausgabe u. d. T.: L'Euch.n.t.e et laP*„i-

er erblickt in der Ocü$ Chrifti (diefen Begriff fubftituiert ten« duram les s,x premiers sicdes de l'Eghse. Traduit de l'alle-

er dem des OÜua) den göttlichen Logos, der fleh bis mand parVic. Michel Decker et Prof. E. Richard. Paris, V. Lecoffre

zur Menfchheit'herabläßt um diefe zu fich felber zu '910- W 245 P.) s« fr. 3-.

erhöhen. Ignatius, der manche Berührungspunkte mit l)RaufchensvorzweiJahrenerfchieneneSchrift(Theol.

der johanneifchen Vorftellung aufweift, entfernt fich Litztg. 1908, Nr.* 25) durfte fich einer fehr beifälligen
von diefer durch fein Beftreben, die euchariftifche Aufnahme erfreuen. Eine beträchtliche Zahl z. T. recht
Feier zu verkirchlichen und die hergebrachte Praxis j eingehender Rezenfionen zeugt für das lebhafte Intereffe,
der Privatfeiern zurückzudrängen, um die heilige Hand- | das das Buch fand. Eine italienifche und eine fran-
lung der Autorität des Bifchofs zu unterftellen. Von zöfifche Überfetzung machte es auch außerhalb der
einer einheitlichen Konzeption der Euchariftie fcheint Grenzen Deutfchlands bekannt. Mit Hilfe der ihm
indeffen zu jener Zeit nicht geredet werden zu dürfen. ; von feinen Kritikern zu Teil gewordenen Anregungen
Die Didache und das Pliniuszeugnis kennen eine ganz hat der Verf. feine Schrift für die notwendig gewordene
anders geartete Euchariftie: diefelbe ift kaum etwas anders zweite Auflage einer gründlichen Umarbeitung unter-
als ein lörudermahl; in den euchariftifchen Gebeten der > zogen und um etwa hundert Seiten erweitert. Drei Pa-
Didache wirkt eine den johanneifchen analoge Auffaffung ragraphen erfcheinen hier in ganz neuer Geftalt: in § 3
nach; wird doch für übernatürliche Gaben, fpeziell für , werden die neuen liberal-proteftantifchen Forfchungen
das i'n Chriftus erfchienene ewige Leben Dank gefagt. — mitgeteilt und beurteilt (S. 57 ,luftige Phantafiegebilde,
Durch welche Faktoren die noch am Anfang des IL Jahr- die in den biblifchen Texten felbft keine Grundlage
hunderts lebendige Vorftellung eines Mahles fich in den haben, fondern nur durch Verftümmelung und willkür-
Gedanken eines Ritus verwandelte, läßt fich nicht mit | liehe Deutung der Einfetzungsberichte geftützt werden
Sicherheit feftftellen. Wurde diefe Umbildung durch die ; können'); in § 4 nimmt der Verf. eine andere und
Unterfagung der Hetärien, oder durch die Schwierigkeit wie er meint, beffer begründete Stellung zu der Kontro-
der Herllellung von Brudermahlen in umfangreichen Ge- verfe Wieland-Dorfch in betreff des Wefens des heilirren
meinden, oder durch Mißbräuche, die immer mehr Meßopfers ein (Seite 71 fg.; f. Ergebniffe 91—55); in § 8
eindrangen, herbeigeführt? Wirkten noch andere Urfachen (früher 7) wird die Vergebung der Kapitallün'den im
mit? Diefe Fragen wagt der Verf. nicht zu entfeheiden. chriftlichen Altertum nach den Einwendungen Stuflers