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Ausgabe:

1910 Nr. 14

Spalte:

430-435

Autor/Hrsg.:

Schieß, Traugott (Bearb.)

Titel/Untertitel:

Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer 1509 bis 1548. Band II 1910

Rezensent:

Bossert, Gustav

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429 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 14. 430

hörte. — Dazu einige Bemerkungen: Wenn Gr. zunächft
behauptet, ein allgemeines Prieftertum habe es in der
älteften Kirche nicht gegeben, fo ift das einfach eine
Verkennung der Tatfache, obwohl es ,häretifch' ift, fie
anzunehmen. Ich verweife nur auf Irenaus: ,omnes justi
sacerdotalem habent ordinem' (IV, 8,3). Und daß die
Mahnung Jak. 5,16 nicht erfüllt worden fei, ift eine Behauptung
Gr.s, der der Beweis fehlt. Dagegen hat es
alle Wahrfcheinlichkeit für fich, daß jene Mahnung auf
der fchon beftehenden Praxis beruht, alfo nichts abfolut
Neues fchaffen will. Übrigens kommt Gr. in die eigentümliche
Lage, die Nichterfüllung der Mahnung des
Jakobusbriefs als etwas fehr Erfreuliches anzufehen, da

S. 31 Anm. 1 lies: sed numquid. — S. 36 Anm. 1 lies:
vis. — S. 40 Anm. 1 lies: obiiciat und per peccatum originale.
— S. 42 Anm. 2 lies letzte Zeile: sacramentum. — S. 48
Anm. 2 lies: possumits. — S. 50 Anm. 1 lies: investigen-
dam. — S. 51 Anm. 5 tilge das erfte Dominus. — S. 60
Anm. 2 lies: Flagellanten.

Halle a. S. paul Drews.

Briefwechfel der Brüder Ambrofius und Thomas Blaurer 1509
bis 1548. Herausgegeben von der Badifchen Hiftori-
fchen Kommiffion, bearbeitet von Traugott Schieß.
Band II. Auguft 1538 bis Ende 1548. Freiburg i. B.,
diefe auf etwas fehr Bedenkliches hinauslief^.Zuzugebenrft , F. E. Fehfenfeld 1910. (XVII, 917 S.) Lex.-8<> M 30 —

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allerdings, daß wir von einer Laienbeichte in der alten
Kirche nichts mehr hören und daß fie weit fpäter erft ins Der Arbeitskraft, der freudigen Hingabe an feine
helle Licht der Gefchichte tritt. — Den ,Kernpunkt' feiner Aufgabe, der bewährten Gewandtheit in Bearbeitung
ganzen Unterfuchung lieht Gr. gerade darin, daß die | reformatorifcher Briefwechfel, der Sorgfalt in der ErWurzel
der Laienbeichte in dem Umfchwung im Büß- läuterung, wie fie Schieß im erden Band und im Brief-
wefen zu Gunften der Beichte liege. Man habe, fo wechfel Bullingers mit den Graubündnern bewiefen hatte,
befchreibt er diefen Umfchwung näher (S. 7), nach verdanken wir im Verein mit der Leiftungsfähigkeit des
Erfatz für die Buße, die fich fchon feit dem 8. Jahrhundert Verlags und der Druckerei nach kaum mehr als andert-
immer mehr veräußerlicht habe, gefucht und diefen in halb Jahren den zweiten Band des wichtigen Briefwech-
der Reue und Beichte gefunden. War aber erft der Wert [ fels der beiden Konftanzer Brüder. Zugleich erhalten
der Beichte an fich geftiegen, fo fei die Laienbeichte wir die erfreuliche Mitteilung, daß das Werk kein Torfo
möglich geworden. Es ift mir nun in der Tat auch nicht : bleibt. Die Badifche Hiftorifche Kommiffion wird, wie
zweifelhaft, daß Gr. den richtigen Punkt getroffen hat, i ThLZ 1909 Nr. 12 Sp. 364 dringend geraten wurde, in
aus dem heraus die Laienbeichte des fpäteren Mittelalters < einem dritten Band den Briefwechfel bis zum Tod der
in ihrer weiten Verbreitung zu begreifen ift. Dies ift wirk- Brüder in Verbindung mit dem Zwingliverein heraus-
lich der ,Umfchwung'im Beichtwefen, nur daß diefer vor geben, und Schieß hofft ihn bis 1911 erfcheinen laffen
allem darin liegt, daß man von der Buße, d. i. der Satis- zu können.

faktion, durch die die Vergebung erft möglich wurde, Der neue Band geht vom Abfchied des älteren Bruders

immer mehr abfah, und zwar gefchah das z. T., weil i aus feinem Wirkungskreis in Württemberg bis zum Fall

alte Traditionen über die poenilentia fideliwn unter dem ; der Vaterftadt und den erften Monaten des Exils Ende 1548

Einfluß der Pfalmen (vgl. Loofs, Dogmengefchichte ,
S. 486) wieder lebendig wurden. Die Beichte felbft erhielt
fündentilgende Kraft. Nicht weil die Bußpraxis
fank, ,fuchte' man ,Erfatz' in der Beichte, fondern weil
die Beichte an Wert flieg, fank die alte Bußpraxis. Sodann
konnte die Laienbeichte deshalb Boden gewinnen,
weil man feit der Karolinger Zeit Sterbende — und um
Sterbende allein handelt es fich bei der Laienbeichte —
ohne Satisfaktion zu abfolvieren pflegte. Dies find die
Momente, die n. m. M. für die Entftehung der Laienbeichte
in Betracht kommen. Dazu kommt noch, daß
bei der Beichte der Priefter vor allem die Rolle des
Fürbitters und des Ratgebers, wie die Sündenfchuld zu
löfen fei, vertrat (vgl. fchon vita Ambrosii 39; Auguftin

n 783 Nummern. Dann folgen in Anhang I 52 Nachträge
und undatierte Briefe, welche nach den Namen
der Brieffchreiber alphabetifch geordnet find, und S. 788
eine Zufammenftellung von Gedichten teils von Th. Blarer
teils an den einen oder andern der Brüder. Anhang II
gibt die Briefe an Margareta Blarer und zwar 92 von
Butzer, einen von Capito und 3 von Joh. Jung. Den
Schluß bilden S. 840—48 ein Verzeichnis der Briefe der
beiden Bände nach Brieffchreibern und Adreffaten,
S. 849—914 ein willkommenes Regifter zu beiden Bänden
, S. 915—917 Berichtigungen und Ergänzungen.

In der Einleitung orientiert Schieß über den Inhalt des
Bandes, wie beim erften Band. Wohl geht jetzt die auswärtige
reformatorifche Tätigkeit des Apoftels Schwabens

serm. 393,3). So wird es begreiflich, daß im Notfall | allmählich zu Ende. Er befchränkt fich immer mehr auf
auch der Laie als Fürbittender und Ratgebender eintreten fein Konftanz, aber fein Blick geht noch ins Weite. Wir
konnte. Hier kommen in der Tat die alten Gedanken 1 gewinnen eine Menge neuer Kenntniffe der Ereigniffe
des allgemeinen Prieftertums wieder zu Tage. Und daß j jenes Jahrzehnts, der Verhältniffe in den verfchiedenen

gerade diefe Gedanken bei der Laienbeichte die herr-
fchenden waren, geht aus der Stelle hervor, die als ihr
erftes Zeugnis gilt, Thietmars von Merfeburg Chronik
(VIII, 14 zum Jahre 1015; vgl. Gromer S. 11 f.). — Diefer
Stelle entnimmt Gr. nun die Tatfache, daß im Anfang
des 11. Jahrhunderts die Laienbeichte noch etwas Seltenes

Gebieten, welche von der Reformationsbewegung erfaßt
find. Neue Perfönlichkeiten treten auf, andere bekommen
ein beftimmtes Gepräge. Mit Spannung folgen wir den
theologifchen Kämpfen mit Schwenkfeld und feinen Anhängern
, mit Rupert von Mosham, dem unklaren Vermittlungstheologen
, und fehen den durch die Konkordie

und dem Chroniften eine Theorie darüber unbekannt von 1536 entftandenen unheilvollen Riß zwifchen Butzer

gewefen fei. Insbefondere find es die Worte des Chroni- einer- und den Konftanzern und Schweizern andererfeits.

ften: ,Hic, ut spero, feinem habet animam', auf die fleh Tiefe Bewegung faßt den Lefer erft bei den Nachrichten

Gr. dabei ftützt. Ich glaube, nicht mit Recht. Man kann über den Schmalkaldifchen Krieg und die dadurch

aus dem ganzen Bericht auch das Gegenteil folgern. Noch
kühner ift es, wenn Gr. weiter fchließt, daß die Schrift
de vera et falsa poenitentia, weil Thietmar an jener Stelle
keine Kenntnis von ihr verrate, erft in die Mitte des 11.
Jahrhunderts fallen könne (S. 13, Anm. 1). Das fcheint
mir alles in der Luft zu fchweben. Dennoch wird es

hervorgerufene Not, welche Schnepf zur Flucht nach
Konftanz treibt, wie ein Jahr fpäter das Interim Brenz
nach Straßburg und Bafel, dann bei der Enthüllung der
trugvollen Politik des Kaifers und feines Bruders gegenüber
den Evangelifchen auf dem Reichstag zu Augsburg 1548
und feiner kaiferlichen Religion, die ebenfowenig für

richtig fein, daß ums Jahr 1000 die Laienbeichte aufkam [ Katholiken wie für Proteftanten annehmbar war. Vol

und daß jene Schrift dem 11. Jahrhundert angehört. Auch
den weiteren Ausführungen Gr.s wird man zuftimmen
können. — Es fehlt nicht an Druckfehlern, namentlich in
den Anmerkungen. Ich notiere: S. 10 Anm. 1 lies: 1906.

lends aber erregt uns die Behandlung von Konftanz,
das freilich unter dem hlinfluß der Züricher zu lange
mit feinem Friedensfchluß zögerte, und die große Ent-
täufchung, welche die beiden Brüder und mit ihnen