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Ausgabe:

1909 Nr. 21

Spalte:

591-593

Titel/Untertitel:

Calvin‘s Lebenswerk in seinen Briefen 1909

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 21.

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the tnemory; and the tendency in evcry uncritical mind is
so to Interpret all the post-resurrection narrativcs as to
accord with the most realistic ones, and also to Interpret
Paul and Jesus in consonance with them' (p. 83). Daß
der Fortfehritt in den fpäteren theologifchen Beweisführungen
— fofern man ihn einen folchen nennen darf
— gerade auf heidenchriftlichem Boden eintreten mußte,
wird durchgehend, auch angefichts des Gnoftizismus,
erwiefen, deffen Schriftauslegung gegenüber dem altkirchlichen
fogar ftellenweife im Rechte ift (p. 52 k; vgl. p.
67 sub 4). Der Angelpunkt einer veränderten Stellungnahme
über das Zufammenfein von Seele und Leib nach j
dem Tode (von Paulus nicht geleugnet) fcheint mir da
zu liegen, wo diefe Verbindung (im Unterfchied von
Paulus) fozufagen von unten auf hergeftellt wird. Dabei
wird mit dem bunteften Beweismaterial gearbeitet, und ;
gehen unausgeglichene Vorftellungen, zum Teil recht ver-
fchiedener Art, noch bei den jüngeren Verfechtern
(Laktanz p. 77k) neben einander her. Intereffant ift unter
den Beweifen Tertullians de res. carnis 12 (vgl. I. Clem.
24) die Ausführung über die Erhaltung und Wiederkehr
alles einmal dagewefenen (fehlt p. 61), durch die man j
förmlich an ein modernes Naturgefetz erinnert wird. Zu
den gnoftifchen Verwendungen des Begriffs (p. 50k) wäre j
noch nachzutragen, daß er neben vielen andern zur Bezei- j
chnung Chrifti felbft oder irgend einer Phafe des Göttlichen
verwandt und damit unwirkfam gemacht wird. Daß
übrigens die Annahme von dem 18 Monate währenden
Verkehr des Auferftandenen mit feinen Jüngern aus dem
,Evangelium der Wahrheit' entnommen gewefen fei (p.
49), durfte nicht als zweifellos hingeftellt werden. Beim
Johannesevangelium war die Anführung von 5,25. 29 unerläßlich
.

Schon auf der jüdifchen Vorftufe ftellt Verf. die
dreifache Löfung lieft: körperliche, geiftliche Auferftehung,
verwandelter Körper (p. 13). In diefem Abfchnitt wäre
in mancher Beziehung eine genauere Darftellung erwünfeht
gewefen; z. B. wird zu Apoc. Bar. 49fr. nicht gefagt, wem
eigentlich die Verwandlung gilt. Der Abftand von Paulus
ift vielleicht doch nicht fo fundamental, wie A. 2 an- !
gegeben wird.

Betheln (Hann.). E. Hennecke.

Calvin's, Johannes, Lebenswerk in leinen Briefen. Eine Auswahl
von Briefen Calvins in deutfeher Überfetzung.
Mit einem Geleitwort von Prof. D. Paul Wer nie. Zwei
Bände. Tübingen, J. C. B. Mohr 1909. gr. Lex.-8°

M. 20—; geb. M. 24 —
Erfter Band: Die Briefe bis zum Jahre 1553. (XXII, 498 S.) —
Zweiter Band: Die Briefe bis zum Jahre 1564. (XIX, 496 S.)

Das Calvinjubiläum dürfte fchwerlich ein fchöneres,
des Reformators würdigeres Werk gebracht haben, als
die zwei prächtig ausgeftatteten Bände, die eine Auswahl
von Briefen, in deutfeher durch Pfr. Rudolf Schwarz |
beforgter Überfetzung, dem gebildeten Publikum zugäng- '
lieh machen. Selbflverftändlich hat diefe Überfetzung die
in der Ausgabe des Corpus Reformatorum (Vol. io.b—22) 1
herausgegebenen Briefe zur Grundlage. Es enthält diefe
große kritifche Ausgabe neben vielen an Calvin gerichteten
oder feine Perfon betreffenden Schreiben feiner Zeit-
genoffen circa 1250 Briefe Calvins felbft, die jedoch nur den
kleineren Teil der von ihm felbft gefchriebenen darftellen;
fchon allein die in der Korrefpondenz erwähnten, aber 1
nicht mehr erhaltenen Briefe ergeben eine recht hohe j
Zahl. — Der erfte Band vorliegender deutfeher Überfetzung
enthält 389 Briefe, die die Jahre 1531—1553 umfaffen; der
zweite Band, deffen Inhalt bis zum Jahre 1564 reicht,
bringt 370 Briefe, — demnach eine Gefamtfumme von
759 Briefen.

Die Auswahl der zu überfetzenden Stücke wurde fo
getroffen, daß Wernle in Bafel und Pfr. Schwarz in

Bafadingen (Thurgau), unabhängig von einander, je eine
Lifte der zu berückfichtigenden Briefe anlegten. Die
Vergleichung der beiden Liften ergab dann eine fo große
Übereinftimmung der Auswahl, daß die Hoffnung berechtigt
war, nichts charakteriftifches fei weggelaffen.
worden. Die Abficht beider Herausgeber war ja nicht,
eine vollftändige deutfehe Ausgabe der Briefe Calvins zu
bieten, fondern nur die, ein von der Hand des Reformators
felbft gezeichnetes Bild feiner Wirkfamkeit zu geben. ,Ein
Calvinleben in Briefen', fagt Wernle, ,ift unfer Gedanke
gewefen nach Art des Carlylefchen Cromwell, bloß ohne
Vollftändigkeit und mit der äußerften Befchränkung der
begleitenden Noten, damit der Lefer nichts vor fich habe
als Calvin. Ein folches Calvinleben ift natürlich einfeitig;
es läßt uns alle Ereigniffe und alle Perfonen mit Calvins
Augen, d. h. mit feiner Liebe und feinem Haß, fehen.
Ein vorfichtiger Lefer wird allemal zwifchen den Tatfachen
und ihrer calvinifchen Beleuchtung zu unterfcheiden
haben' (Geleitwort, Band I, Seite IV). — Man kann es
nur billigen, daß rein theologifche Erörterungen, wie fie
bisweilen in den Briefen vorkommen, weggelaffen wurden,
wenn fie nicht notwendig und auch für Nichttheologen
verftändlich waren. DerÜberfetzer hat die Originalfprache
der Briefe, von welchen etwa ein Fünftel in franzöfifcher
Sprache, die übrigen lateinifch gefchrieben find, nicht,
jedesmal angegeben. Es wird indeffen dem Lefer leicht
fein, aus der Anrede — Du bei den lateinifchen, Sie bei
den franzöfifchen Briefen — und aus der Verfchied.enheit
des Stils, zu erkennen, welche Briefe Calvin in feinem
fchönen, knappen Latein, welche er in feinem klaren
Franzöfifch gefchrieben hat.

Die Geleitworte, die Wernle beiden Bänden der mit
äußerfter Sorgfalt und feinem Verftändnis vollendeten
Überfetzung vorausgefchickt hat, dienen zugleich zur
Orientierung in dem reichen Material, das dem Lefer
geboten ift, und zur Charakteriftik des vor den Augen des
Betrachtenden fich mit wachfender Deutlichkeit und Kraft
entwickelnden Lebenswerks Calvins. Die Erfahrung, die
Wernle in einem freimütigen und höchft anziehenden
Bekenntnis zum Ausdruck bringt, werden gewiß manche
Lefer mit ihm teilen. Seine anfängliche Auffaffung
Calvins hatte er aus einigen Hauptfchriften des Reformators
und aus den Werken von Kampfchulte und
Cornelius gewonnen. ,Wie erftaunt war ich aber, als ich
zum erften Male an die Briefe des Mannes geriet und
mich anfehickte, an ihrer Hand von Jahr zu Jahr fein
Leben zu durchwandern! Jene für mich fo anftößigen
Züge feines Charakters wurden durch die Briefe beftätigt,
allein fie traten gar fehr zurück hinter andern mir gänzlich
unbekannten und ordneten fich dem Ganzen eines übermächtigen
, in fich gefchloffenen und mit fich verföhnenden
Lebensbildes ein, deffen Zauber ich trotz allem Wider-
ftreben unterlag'.

Der von Schwarz und Wernle gehandhabte Kanon,
nach welchem nur die wirklich charakteriftifchen Briefe
aufgenommen wurden, ift nicht nur unanfechtbar, er ift
im einzelnen auch fehr glücklich zur Anwendung gebracht
worden. Befonders dankenswert erfcheint die
Erweiterung des Rahmens, welche auch die Aufnahme
der größeren und wichtigeren Widmungsfehreiben Calvins
geftattete: fo die Widmung der Institutio an Franz I und
die in derfelben enthaltene herrliche Verteidigung der
Evangelifchen und ihres Glaubens (I, 8—20); der an
Grynäus gerichtete Dedikationsbrief des Kommentars zur
Epiftel an die Römer, mit feinem Programm über das
Prinzip und dieMethode der exegetifchen Arbeit (1,81—84);
die Widmung des Kommentars zu den kleinen Paulusbriefen
an Herzog Chriftoph von Württemberg (1,298—299);
weitere Widmungsfehreiben zu feinen Kommentaren an
den König von Polen (I, 343.197.), an feinen ehemaligen
Lehrer Cordier (I, 375), an Eduard VI (I, 390fg.), an den
König von Dänemark, Chriftian III (I, 436), an die Königin
Elifabeth von England (II, 251 fg.), an den König Guftav