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Ausgabe:

1909 Nr. 13

Spalte:

386-388

Titel/Untertitel:

Monumenta vaticana historiam episcopatus constantiensis in Germania illustrantia 1909

Rezensent:

Bossert, Gustav

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385 Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 13. 386

Das eigentliche Thema der Arbeit ift das literarifche Monumenta Vaticana historiam episcopatus Constantiensis in

Problem des gegenteiligen Verhältniffes, zunächft der Germania illustrantia. Römifche Ouellen zur Konftanzer

verfchiedenen Raffungen der Legende eines und desfelben j Bistumsgefchichte zur Zeit der Päpfte in Avignon
Märtyrers, dann der Legenden der verfchiedenen Märtyrer. 0 u , j r» jt u t7-/i

Mit meifterhafter Sicherheit, Klarheit, Nüchternheit und f ^ ^ ^J^l l ™ Z 10 .H?°"

Eleganz weiß der Verfaffer diefem Problem gerecht zu nfchen Kommiffion. Bearbeitet von Karl Rieder.
werden, die urfprüngliche P"orm der Legende heraus- Innsbruck, Wagner 1908. (XC, VII, 738 S.) Lex.-8°

zuflellen, ihre Variationen aufzuzeigen und den verfehle- j M. 30 —

denen Rezenfionen ihre Stelle in der Entwicklung^- ,„ . .. . „ . ■■

gefchichte der Legende anzuweifen. Nicht minder be- rn^Z;ZT^L /™™ga W aK Äff"
merkenswert, wenn auch minder f.cher find die Hinweife V°H der Bad.fchen hiftonfehen

auf die unte den einzelnen Legenden obwaltenden Ver- K°
wandtfehafts- und Abhängigkeitsverhältniffe. Von be- 7^*^

r i t . a -n. j- tu ■ w^f^rc^ T A*-**,A*e Avignon 1305—1370'. Zu ihrer Bearbeitung fte te fich
fonderm Intereffe ift die, fchon indes Vertatlers Legendes 1 „V„__w„„ df „ rs. 1 r>- j ■ c u

/ • j.i ■ r-u * u 4. ;„i,i.,.,„ aar P^^Lr,i,,<: 1 der Kommillion Pfarrer Dr. Karl Rieder in Scherzingen

/lagiop-rap/iiqucs vorgeführte Entwicklung der 1 rocopius- r„,f,i_.,.,„ j„„ r n j j 1- •• j

t j •, r ... • . „J? • j,,,Aana : zur Vertilgung, dem Vollendung und Ergänzung des

Legende, wen fie anfchaulich zeigt, wie ein durchaus , .. u_„j_„ u 4. o .. j 1

hiftorifcher Märtyrer von der Legende fchließlich bis zu ?™ten Bandes der eben genannten Regest,i zu verdanken
vollfler Unkenntlichkeit umgebildet werden kann. D. ^UutJZffZ d«efe Arbeit mit der Gefchichte des
kommt zu dem Refultat, daß, einzelne Daten des Proco- ™t«™t und hatte noch das Gluck 1904^6 als

pius-Martyriums ausgenommer,, alle diefe Legenden keine Kaplan ^Z^ Z • n l^f °$ ^ Vratlkan,ffch/n
Spur wirklicher hiftorifcher Tradition aufweifen (S. 112). Archiv arbeiten zu können. Dabei durfte er fich auf das
Es ift methodifch nur richtig, wenn er unter Hinweis auf g.biet des Mums Konftanz befchranken wahrend Dr.
Procopius erklärt, daß dies Refultat eine zwingende Inftanz ^ider von Ende Oktober bis Ende Januar 1892 93

gegen die Gefchichtlichkeit der betr. Märtyrer nicht bilde. ; F™^?^** ^r fur. «uf"=mb«gifche

ri n n4- 1 k„- ;«„i„m a»rr0iu*n mnipannmwpifp Landesgefchichte die Urkunden des vatikanifchen Archivs

Darum ftellt er auch bei jedem derlelben einleitungsweue , »

die ältefte Kultgefchichtezufammen, mit der Begründung, ™n »V^JäK ^ ganzech^utlge Württemberg an

daß nicht die literarifche, fondern die lebendige Tradition d^ rVnen " ^"'^ ^5B'StA,e,r A ha"en-
, tr ,, r . n' n„ -.,..,;,-i,i„;t0 /e o Muß Pr ausziehen muBte. DieErucht feiner Arbeit fteht in den

des Kultus ficher zu' Q"eU^ württembergifchen Gefchichtsquellen 2,367-484. Rieder

dann al erdings zugeftehn, daB he in unlerm halle nient • „_„ 5° .__n u uj o t-

ganz fo weit führe (S. 112) fo ift er doch geneigt, Derne- br'ngt uns in einem ftattl.cher» Band von großem Format
trius von Theffalonich für einen hiftorifchen Märtyrer und fcharfem aber ged^ Druck 2146 Nummern,
von Sirmium (S. 108) und Georgius für einen lokalen ^ Recbt hat dle bad hift. Kommiffion be. ihrem AufMärtyrer
von Lydda-Diospolis z% halten (S. 70). Zum ,™S ar. R.eder den bisherigen Fehler m der Ausnutzung
Schlupfe lehnt D. unter Hinweis auf den Abfchnitt über des vatikanifchen Archivs vermieden. Denn AI. Schulte
die kriegerifchen Märtyrer bei Lucius, Die Anfänge des hatr rech*} ^ennr ?r fag* (XXVI Anm. 2): der Typus

Heihgenkults die .mythologifche Hypothefe' kurz ab. i unferer. Vatikanifchen Literatur ift nun einmal der der
Doch könnte der unanfechtbare Satz: ,Dans ce sens ,fxnt™x*X™ Zersplitterung. Die Gefchichte der deutfehen
reslrcint (daß die Menge, die einft zum berühmten Tempel fernffenheit fpiegelt fich in der Ausnützung des Vat.
der Stadt wallte, nunmehr zum Heiligtum des berühmten Archivs deutlich wieder. Vgl. auch Hallers Urteil ThLZ
Märtyrers wallt), un martyr celebre est toujours Phiritier '9°5.^ IwP; 4°4—4Q5- Die von Rieder aufgeftellten

(Tun dieu; tnais il den est gas necessairement la trans- Grundfatze S. XXII werden allgemeine Billigung finden.

_ _ __ _ _. t' I4II4- dm Alif.Kni.In dnn tlLl-,.....1,. 1.:.'___________Jf . /"_______

formation' (S. 114) die Grundlage für eine Verftändigung
zwifchen den beiden entgegengefetzten Standpunkten
bilden. Das zweite, die Transformation, ift gewiß nicht
eine

1) Für die Ausbeute des Materials können nur die Grenzen
der Diözefen oder Kirchenprovinzen, nicht die der poli-
tifchen Territorien maßgebend fein, da für den Verkehr

: notwendige, aber doch eine mögliche Folge des mit d« K«r,e jene ausfehlaggebend waren. 2) Die Sprache
erften, vgl. z. B. Cyrus und Johannes in Menuthis. Bei , der Quellenpubhkation kann nur die der Kanzlei, d h.
dem felbftändigen literarifchen Dafein der Legende dem j d'e ^mf a* LandesfPrache fein' .lnu wel?ver

Kult gegenüber kann fehr wohl der Kultus eine folche ! kanoniffifch^
Transformation darftellen, ohne daß diefelbe in der I wiedergeben ^

Legende zum Ausdruck käme. Die Tatfache, daß der Reg.ftere.ntrage nicht möglich ift, muß man fich be. allen
Demetrius der urfprünglichen Legende noch nicht Soldat Urku"den' deffren. Y^Jr ? r 13"g-' Kanzl^ordnung
ift, fchließt alfo mit nichten aus, daß in Theffalonich auf | ^11^1°^
die Konzeption des himmlifchen Heros Demetrius Züge
des kriegerifchen Kabir eingewirkt haben können. Daß
nun freilich grade Demetrius undTheodorus folche Transformationen
einer beftimmten Gottheit darftellen, ift darum
nicht gefagt. Denn wenn D. die Beweisführung von
Lucius nicht überzeugend findet, fo dürfte ihm in diefen
beiden Fällen zuzuftimmen fein. Die auffallende Tatfache
, daß die Legende eine folche Fülle von Märtyrern
kennt, die dem Heere angehören — ,saints militaires'
nennt fie D., wohingegen Lucius unter .kriegerifchen
Märtyrern' folche verlieht, die als himmlifche Heroen
Völker und Städte in Kriegsnot befchützen, einerlei was
fie in ihrem Erdendafein gewefen fein mögen, was D.
S. 113 mißverftanden zu haben fcheint — fucht Verfaffer
rein literarifch fo zu erklären, daß eine berühmte Legende,
refp. eine Gruppe von verwandten Legenden, die diefen
Typus geboten, in der Volksphantafie folchen Anklang
gefunden, daß das Modell von den Hagiographen immer
wieder kopiert worden wäre,

fich enge an den Wortlaut anfchließen und alles Wefent-
liche wiedergeben. 4) Unerläßlich ift die Wiedergabe
aller auf das Kanzlei- und Regifterwefen bezüglichen Vermerke
.

Auf Grund diefer Prinzipien geben die neuen Monumenta
Vaticana einen willkommenen Beitrag zur Klar-
ftellung der päpftlichen Kanzleipraxis. Weil fie die ganze
Diözefe berückfichtigen, aber dabei folche Bullen aus-
fchließen, die fich auf andere Diözefen beziehen und nur
den Bifchof oder fonft einen Dignitär als Exekutor etc.
nennen, kann Rieder ein reiches Material für die Schweiz,
Württemberg und Baden darbieten. Die Avignoner Periode
1305—1378 erwies fich infofern befonders ergiebig, als
mit derÜberfiedlung der Päpfte nach Avignon die deutfehen
Diözefen infolge des erleichterten Verkehrs in nähere
und regere Beziehungen zur Kurie traten.

Der Band zerfällt in drei Teile: 1) Suppliken von 1342
Aug. 23—1366 Nov. 4 in 546 Nrn., da für die Avignoner
Periode nicht mehr erhalten ift. 2) Bullen von 1306/7

Straßburg i/E. Anrieh. Juli 9(?) bis i377 Dez. 23 Nr. 547-i927, von denen aber

I Nr. 548 ausfcheidet, da keiner der dort genannten Orte