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Ausgabe:

1909 Nr. 12

Spalte:

357-358

Autor/Hrsg.:

Hertlein, Eduard

Titel/Untertitel:

Der Daniel der Römerzeit 1909

Rezensent:

Volz, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 12.

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ftörende Macht ift, daß vielmehr erft mit ihrer Hilfe die erklärt werden foll. Diefe Grundfätze finden bei mir
Einheit des religiöfen und kulturellen Lebens möglich , mehr Beifall als Widerfpruch; immerhin dürfen fie nicht
ift, und die Schrift uns eine nie verfiegende Quelle reli- in Einfeitigkeit übertrieben werden, und es bleibt als
giöfer Erkenntnis bleiben kann. ficher, daß für die Erforfchung des apokalyptifchen

Straßburg i. E. W. Nowack. ' ein -entbehrliches Neben-

In der literarkritifchen Thefe bin ich geneigt, dem

Hertlein, Eduard, Der Daniel der Römerzeit. Ein kritifcher Verf. zuzuftimmen und das 4. Weltreich in Kp. 2 und 7

Verfuch zur Datierung einer wichtigen Urkunde des ! auf das römifche zu deuten; denn die Befchreibung paßt

c a <• t • • a/i u„:„r,„c v.JPi,f Tnr>8 m der 1 at am beften auf diefes. Nur fcheinen mir einige

Spatjudentums. Leipzig, M. He.nfius Nachf. 1908. Fragen nQch nicht erledjgt Trt hiftorifcher Grund &

(IX, 90 S.) gr. 8" M. 2.50 das römifche Reich (z. B. im Gegenfatz zu den helleni-

Schon Lagarde ftellte die Thefe auf, daß Dan. 7 aus ftifchen) als ein alles zermalmendes zu fchildern? Müßten
römifcher Zeit flamme. Hertlein nimmt die Frage neu | nicht auf jeden Fall neben der reingefchichtlichen Deu-
auf und unterzieht die 4 Weltreiche Kp. 2 und 7 einer tung ftereotype antikmythologifche Töne zur Erklärung
eingehenden, exegetifchen und gefchichtlichen Prüfung, mitbeigezogen werden? Wie begreift es fich, daß das
Das erfte Reich fei beidemal das neubabylonifche, das Büchlein Kp. 1—7 dem viel früheren Büchlein Kp. 8—12
zweite das medifch-perfifche; H. führt verfchiedene Zeug- angegliedert wurde? H. erinnert an den kompilatorifchen
niffe aus dem AT. und der klaflifchen Literatur an, die Charakter von Henoch, 4. Esra u. a., aber bei Daniel
es unmöglich erfcheinen laffen, das medifche und das Hegt die Sache doch etwas anders. Damit im Zufammen-
perfifche Reich als zwei gefonderte Größen in der Apo- hang fcheint mir das Gegengewicht der Kanonifierung
kalypfe zu verliehen; zudem, je weiter der Zeitpunkt des doch nicht fo leicht zu wiegen. Ift es denkbar, daß das
Verf. herabrückt, defto fchwieriger würde diefe Trennung. Danielbuch kanonifch wurde, wenn den Schriftgelehrten
Das dritte Weltreich ift das des Alexander. Das um- bekannt war, daß ein namhafter Teil feiner Apokalyptik
ftrittene ift das vierte. Mit vielen Argumenten fucht H. erft vor kurzem im wütenden Kampf geboren war? Jeden-
zu beweifen, daß das feleukidifche oder das helleniftifche falls müßte das literarkritifche Problem des ganzen Ab-
oder das 'alexandrifch-feleukidifche Reich mit diefer i fchnitts Kp. 1—7 noch forgfältiger unterfucht werden,
vierten Weltmacht nicht gemeint fein kann, daß wir Tübingen. Volz

folglich mit diefer vierten Weltmacht noch weiter herab- 1___"

rücken müffen, und daß ferner alle ihre Züge ausgezeich- . ■ • -

net auf das römifche Reich paffen. Diefes habe alle Heinnci, D. C. F. Georg, Des Petrus von Laodicea Erklärung

Reichein fich vereinigt (Mifchcharakter); diefes habe die j des Matthäusevangeliums zum erften Male herausgege-
ganze Welt zertreten und zertrümmert; in feine Ver- ben und unterfucht. (Beiträge zur Gefchichte und
nichtung wären alle andern Reiche der Welt einbegriffen. Erklärung des Neuen Teflaments V.) Leipzig, Dürr-
Die 10 Hörner Kp. 7 feien die erften IO Kaifer (Cafar; f , ° ' . F,

Antonius, der für den Orient, fpeziell für Paläftma, große fche Buchhandlung 1908. (XLVIII, 356 S.) 40 M. 20 -
Bedeutung hatte vgl. die ,Antonia'; Auguftus . .), das In erfreulicher Weife wendet fich das Intereffe der

kleine Horn fei Vespafian, die drei Hörner Galba, Otho, Exegefe der Kirchenväter zu. Man erkennt ihren Wert
Vitellius. H. wagt die Weisfagungen Kp. 2 und 7 fogar für die Feftftellung des neuteftamentlichen Textes, aber
ganz beftimmt zu datieren: Kp. 2 falle in den Anfang auch für das Verftändnis des Inhaltes, da es ihnen na-
des jüdifchen Aufftandes, Kp. 7 fei zwifchen Juli 69 und mentlich an Empfindung für vorliegende Schwierigkeiten
Juli 70 ins Volk geworfen worden, mit der Abficht den I nicht gefehlt hat. Auch einen Ertrag für die Dogmen-
Mut der Belagerten aufs äußerfte zu fteigern. Die litera- gefchichte ftellt die in diefer Hinficht noch wenig er-
rifche Entftehung des Danielbuches wäre alfo fo zu forfchte patriftifche Exegefe in Ausficht. Eine hervordenken
, daß Kp. 8—12 in der Zeit des Antiochus IV ragende Leiftung innerhalb diefer exegetifchen Literatur,
verfaßt, Kp. 1—7 dagegen (aus verfchiedenen Beftand- wenn auch vorherrfchend nur Wiedergabe älterer Inter-
teilen zufammengefetzt cf. Reuß) in römifcher Zeit zu 1 pretation, ift der Kommentar des Petrus von Laodicea,
einem Ganzen vereinigt und durchgearbeitet wurde. Der den Heinrici hier erftmalig herausgibt. Schon Lambeccius
fprachliche und fachliche Vergleich zwifchen Kp. 8—12 hatte ihn als wertvoll erkannt und feine baldige Veröffent-
einerfeits und Kp. I—7 andrerfeits erweife, daß diefe lichung erwartet. Inzwifchen find zwei Jahrhunderte ohne
zwei Hälften fich charakteriftifch unterfcheiden. Außere eine folche dahingegangen. Dem handfchriftlich mit ihm
TTugniffe gegen die römifche Datierung von Kp. I—7 zumeift verbundenen, inhaltlich ihm verwandten Kommen-
gebe es nicht; Hen.-B., 4 Esra, Jofephus, Jh.apc. flehen ; tar des Victor von Antiochien ift ein günftigeres Gefchick
hinter 70, der Titel ,Menfchenfohn' wurde Jefus erft von ; geworden. Nachdem fchon 1580 Theodor Peltanus ihn
den Synoptikern beigelegt; die kanonifche Frage fchlage in lateinifcher Überfetzung veröffentlicht hatte, edierte
nicht durch. Was die Exegefe von Dan. 7, 13 betrifft, ihn Poffinus 1673, eine andere Rezenfion 1775 Matthaei
fo biete fich die Deutung auf das göttliche Weltreich aus Moskauer Handfchriften (derfelbe Text verkürzt oder
fsrael als die nächftliegende. erweitert bei Märkfi in der Budapefter Catene 1860),

Im Lauf der Unterfuchung berührt H. wichtige | wieder eine andere Cramer 1840 in feinen Catenen.
methodologifche, religionsgefchichtliche Fragen. Die Er- Heinrici betont den Unterfchied zwifchen dem Text des
klarungdesapokalyptifchenStoffsausantikmythologifchem Poffinus und dem Matthaeis. Dagegen urteilte von Soden
(babylonifchem) Traditionsmaterial fei nur eine Verlegen- I (,üie Schriften des N. T.s in ihrer erreichbaren älteften

heitsauskunft und prinzipiell unrichtig. Sie fei nur daraus
entftanden, daß man die zutreffende hiftorifche Deutung
"•cht kannte. So wie man Kp. 8 ff. rein gefchichtlich
erkläre, dürfe man fich auch bei Kp. 2 und 7 nicht zufrieden
geben, bis man die gefchichtliche Deutung des
Manzen und des Einzelnen finde und dürfe nicht an die
Stelle des Unbekannten das (übrigens auch noch fehr
unbekannte) Mythologifche fetzen. Die Tierbilder Kp. 7

Textgeftalt' I, 578), daß der urfprüngliche Text diefes
Kommentars lieh durch eine Vergleichung der drei Redaktionen
mit großer Sicherheit feftftellen Iaffe. Das
am Petruskommentar bisher Verfäumte wird nun von
Heinrici in vorzüglicher Weife nachgeholt.

Die Matthäuserklärung des Petrus ift handfchriftlich
meift als Randkommentar überliefert, fo in Laur. VI, 18.
Mosqu.45(86).42(85). Vat. 358, alle s. X; als Textkommen-

feien nicht aus der Bilderwelt der Mythologie, fondern j tar von älteren Handfehritten nur in Vat. 1445 s- XI.
aus der des AT. zu exegefieren. Es müffe als metho- j Er bildet aber auch das exegetifche Rückgrat für eine
difche Regel gelten, daß das AT. zunächft aus fich felbft ; Gruppe von Catenen, wie für andere Chryfoftomus.

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