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Ausgabe:

1908 Nr. 25

Spalte:

703-705

Autor/Hrsg.:

Uhlmann, Josue

Titel/Untertitel:

Die Persönlichkeit Gottes und ihre modernen Gegner 1908

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

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7°3

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 25.

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des Verf.s, der bei allerlei Belefenheit vor allem doch
nur mit den fchon von Martin Chemnitz gerügten rhe-
torifchen Mitteln der landläufigen römifchen Polemik arbeitet
, würde lediglich unfruchtbar fein und kann daher
füglich unterbleiben. Die zweite Abhandlung erörtert
und kritifiert die religionstheoretifchen Hypothefen von ,
Feuerbach, F. A. Lange und Wundt, die der Verf. als
Repräfentanten der Anficht, daß das erfte Entftehen der |
religiöfen Vorftellung auf die Phantafietätigkeit zurück- i
zufuhren fei, wie er fagt, mit Bedacht gewählt hat. Die j
gegenwärtig auch von manchen proteftantifchen Theologen
gepflegten religionspfychologifchen Intereffen
richten fich jedoch auf fehr viel mehr und meiftens auch
auf recht andere Erkenntnisprobleme. Alfo werden diefe
Beftrebungen auch nicht durch das Verdikt des Verf.s
getroffen. Vielmehr ift der von diefem in dem Titel
feines Buches gebrauchte Ausdruck .moderne Religions-
pfychologie' einfach irreführend. Die Kompetenz des
Verf.s zu einem Urteil über die Religionspsychologie
und über die wiffenfchaftliche Pfychologie überhaupt
wird aber recht eigentümlich beleuchtet durch folgendes |
Diktum: ,Schon der pfychologifche Parallelismus, der '
eben nur fteif behauptet:

„Das Erft' wär' fo, das Zweite fo,
Und drum das Dritt' und Vierte fo:
Und wenn das Erft' und Zweit' nicht wär',
Das Dritt' und Viert' wär' nimmermehr" —
diefe Philofophie mit ihren gräßlichen Fremdnamen fieht
doch bloß aus wie eine Umfchreibung unferer Unwiffen-
heit' (S. 75 f.).

Bonn. O. Ritfchl.

Uhlmann, Pfr. Dr. Jofue, Die Perfönlichkeit Gottes und ihre
modernen Gegner. Eine apologetifche Studie. (Straßburger
theologifche Studien. Herausgegeben von
Albert Ehrhard und Eugen Müller. Achter Band.
Erltes und zweites Heft.) Freiburg i. B., Herder 1906. ;
(XII, 237 S.) gr. 8° M. 5 -

Das Buch befchäftigt fich mit der Frage, ob ,Gott
feinem Wefen nach perfönlich' fei, demnach ,felbftbe- :
wüßtes Dafein' habe und ,mit Selbftändigkeit, Erkenntnis
und Abficht tätig' fei oder nicht. Es gelangt zu dem i
Ergebnis: ,Der Theismus mit feiner Grundforderung der
Perfönlichkeit Gottes ift allein genügend, das philofophi- I
fche und theologifche Bewußtfein zu befriedigen, dem j
wiffenfchaftlichen und religiöfen Denken gerecht zu
werden.'

Der Gang der Unterfuchung ift etwa folgender: Zu-
nächft wird der ,ontologifche' und ,pfychologifche' Be-
griff ,Perfon' erörtert und im Anfchluß daran die Definition
aufgehellt: .Perfönlichkeit ift das felbftändige, t
individuell, einzeln für fich beftehende vernünftige Wefen.'
Hierauf wird die Übertragung des betreffenden Begriffs auf
Gott unter eingehender Berückfichtigung der Trinitätslehre
befprochen. Dabei wird eingeräumt, daß der .Begriff j
Perfon, wie wir ihn bei den Gelchöpfen in Anwendung
bringen', ,von Gott nicht adäquat, fondern nur analog, d.h. !
nur annähernd, zwar wahrhaft, aber doch nicht ganz in
derfelben Weife ausgefagt' werden könne, indeffen ,auch
nicht zur bloßen Allegorie abgeflacht werden' dürfe. I
Was er nämlich ,Vollkommenes' enthalte, treffe bei Gott I
im höchften Maße zu, während das, was er ,bei den
Kreaturen Unvollkommenes in fich fchließt', bei der Übertragung
auf Gott fallen gelaffen werden muffe.

Nachdem durch diefe Beftimmungen das Thema pro- '
banduni genauer abgegrenzt worden ift, wird in einer Kritik
des Materialismus und des pantheiftifchen Monismus darzutun
verfucht, daß beide Syfteme keine zureichende Er- j
klärung der Welt darbieten, und daß eine folche nur in
der Annahme einer perfönlichen fchöpferifchen Urfache
gefunden werden könne. Zugleich wird die Reduktion j

des Trinitätsdogmas auf die Lehre einer .Selbftentwick-
Gottes in der Welt' abgelehnt.

Nunmehr kommen die Einwendungen des .Pantheismus
' gegen die Möglichkeit eines überweltlichen perfönlichen
Gottes zur Diskuffion, urn zurückgewiefen zu
werden. Sie find in nachftehenden fünf Sätzen zufam-
mengefaßt: das Selbftbewußtfein entftehe durch den
Gegenfatz der äußeren Einwirkung; Individualität fei die
Bedingung der Perfönlichkeit; Perfönlichkeit oder Bewußtfein
fei Individualifierung und Innenfeite des Stoffes;
Gott fei nicht Perfönlichkeit, fondern Unperfönlichkeit
oder Allperfönlichkeit; nicht die Perfönlichkeit, fondern
die Unperfönlichkeit fei der ideale Vollendungszuftand
des Geiftes.

In einem weiteren Abfchnitt wird, unter fortwährender
Auseinanderfetzung mit E. von Hartmann und Kant
und indem den Anfchauungen des letzteren foweit als
möglich entgegengekommen wird, dargelegt, daß ,der
perfönliche Gott als die ewige Selbftwirklichkeit der vollkommenen
Liebe und als der würdige Zielgegenftand
der Hingebung für perfönliche Vernunftwefen, als der
ewige Selbftbefitz der vollkommenen Heiligkeit oder
Freiheit und der vollkommenen Gerechtigkeit' der ,einzig
hinreichende Erklärungsgrund der fittlichen Ordnung' fei.
Zu diefem .fittlichen Beweis' gefeilt fich der .religiöfe', in
dem zwar auch die Bedeutung des Glaubens an die Perfönlichkeit
Gottes für das Gebet und die .myftifche Seite'
der Religion beleuchtet wird, deffen .Ausgangspunkt' und
wichtigften Beftandteil jedoch der Gedanke bildet, daß
es eine überweltliche, gütige, heilige, gerechte und perfönliche
Vorfehung geben müffe, .welche unferem Gemüt
die Erfüllung des fittlichen Ideals verbürgt.' Verf. will
nicht leugnen, daß dies Argument ein ,Poftulat' fei, ,und
zwar ein Poftulat des religiöfen und fittlichen Gemütes,
aber nicht anders als wie jede Beweisführung ein Poftulat
ift, nämlich bedingt durch die Vorausfetzung, daß nur
die Vollkommenheit bezw. Vollendung als Grund und
Zweck hinreicht, der Wirklichkeit Sinn und Ziel gibt,
die Wirklichkeit verftändlich und befriedigend macht.'

Ein längeres Schlußkapitel unterwirft endlich Biedermanns
.Kritik der Perfönlichkeit Gottes' einer Metakritik.

Daß, um von der etwas weitfehweifigen gern reduplizierenden
Sprache nicht zu reden, die Anlage der Unterfuchung
keine befonders glückliche ift, leuchtet ein. So
kehren beifpielsweife die Einwendungen des Pantheismus
gegen die Perfönlichkeit Gottes notwendig in der Auseinanderfetzung
mit Biedermann wieder. Das führt zu
Dubletten und ermüdenden Wiederholungen. Auch die
der Befprechung des ,fittlichen' und des,religiöfen' Beweifes
gewidmeten Abfchnitte greifen ineinander. Im übrigen
nimmt bekanntlich die proteftantifche Apologetik zu der
aufgeworfenen Frage prinzipiell eine andere Stellung ein,
als die katholifche. Sie behauptet wohl, unter ftarker Betonung
des Unterfchieds zwifchen religiöfer Erkenntnis und
wiffenfehaftlicher Erkenntnis, auf Grund des religiöfen Vertrauens
die Perfönlichkeit Gottes, begnügt fich aber fonft,
etwa mit Wendt, die dagegen erhobenen Einwände durch
genauere Beftimmungen über den Begriff der Perfönlichkeit
zu entkräften oder mit Häring auf die Schranken
des .zwingenden Wiffens' hinzudeuten. Hier wird trotz
einzelner, in anderer Richtung fich bewegender Gedanken
das Wagnis eines förmlichen theoretifchen Beweifes unternommen
. Und wenn nun gleich ungeachtet des grund-
fätzlichen Diffenfus nicht beftritten werden foll, daß der
Verf., der fich gern und oft auf Schell ftützt, bei der
Bearbeitung des fchwierigen Themas viel Fleiß und Scharf-
finn aufgewandt hat, fo fragt fich doch fehr, ob fich ein
Gegner wie Drews auf feinem eigenen Gelände gefchlagen
fühlen wird. Es handelt fich eben offenbar um ein Problem
, für das fich vom Standpunkt des bloßen welterklärenden
Denkens aus verfchiedene Löfungen mit fchein-
bar gleichem Recht verteidigen laffen; zum Zeichen eben,