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Ausgabe:

1908 Nr. 25

Spalte:

691-693

Autor/Hrsg.:

Eiselen, Frederick Carl

Titel/Untertitel:

Sidon. A Study in oriental History 1908

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 25.

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14. Karl Müller, Luthers Schlußworte in Worms
1521 (S. 269—289). Die Frage kann nach M. nur noch
fein, ob die Faffung gelautet hat, wie in Luthers Aufzeichnung
: ,Gott helf mir', oder, wie der einzige ganz
fichere Augenzeuge Peutinger berichtet: ,Gott komm mir
zu Hilf'. In diefer Beziehung aber kann kaum ein Zweifel
fein, daß nur die Form in Betracht kommen kann, die
Luther felbft gefchrieben hat. Sie war ihm auch fonfl
am Schluß von Predigten geläufig. Die Schlußworte
Luthers haben alfo lediglich gelautet: Gotthelfmir! Amen.

15. Graf Baudiffin, Der karthagifche Jolaus (S.
291—-314). Bei Polybius wird im Vertrag zwifchen
Hannibal und Philipp von Mazedonien als eine der den
Bund fchützenden Gottheiten loXaoc. genannt. Abgefehen
hiervon kommt 'lolaog auf karthagifchem Boden nicht vor,
wohl aber ericheint fonftjolaos als Begleiter des Herakles.
Er ift vermutlich identifch, refp. identifiziert worden mit
einem auf libyfchem Boden nachweisbaren Gott Jol. Wie
nun Jolaos Begleiter des Herakles ift, fo kommt auf karthagifchem
Boden Esmun neben Melkart-Herakles vor.
Beide aber, Esmun und Jolaos, fcheinen Heilgötter gewefen
zu fein. So ift die fchon von Anderen vertretene Anficht,
daß Jolaos gleich Esmun fei, allerdings zutreffend. Unter
libyfchem Einfluß ift bei Polybius erfterer an Stelle des
letzteren gefetzt.

16. Carl Schmidt, Irenaus und feine Quelle in adv.
haer. I, 29 (S. 315—336). In einer für das ägyptifche
Mufeum in Berlin erworbenen koptifchen Papyrushand-
fchrift ift uns ein gnoftifches Originalwerk erhalten, welches
Irenaus a. a. O. benutzt hat.

17. Lenz, Zur Entlaffung de Wettes (S, 337—388).
Diefer Auffatz ift der umfangreichfte der ganzen Sammlung
. Uber die für die preußifche Regierung wenig ruhmvolle
Abfetzung de Wettes waren wir bisher im Wefent-
lichen nur durch die von ihm felbft im J. 1820 herausgegebene
Aktenfammlung unterrichtet. Diefe ift aber
unvollftändig. Lenz teilt eine große Zahl bisher unbekannter
Aktenftücke aus den Minifterialakten (jetzt im
Geheimen Staatsarchiv), der Univerfitätsregiftratur und
dem Aktennachlaß des Fürften Wittgenflein im Königlichen
Hausarchiv mit, indem er fich eine zufammen-
faffende Darfteilung für fpäter vorbehält.

18. Seckel, Zwei Reden aus mittelalterlichen Rechts-
handfchriften (S. 389—415). Die beiden Reden — bisher
inedita — find: 1) aus einer Handfchrift der Laurentiana
in Florenz: Rede eines Legiften contra pseudolegistas,
wohl noch aus dem 12. Jahrhundert: aus dem juftinia-
nifchen Corpus juris werden die Lehren der Moral entwickelt
im Gegenfatz zu den pseudolegistae, deren mora-
lifche Grundfätze fchwach waren. Vielleicht hat die Rede
den Zweck, die Juriften gegenüber der Anklage der
Immoralität zu rechtfertigen. 2) aus einer Bamberger
Handfchrift: Rede eines Scholarenrektors in Bologna,
wohl noch aus dem Ende des 13. Jahrhunderts: auf die
übermäßige Verteuerung aller Lebensbedürfniffe in Bologna
antwortet die vereinigte Juriftenuniverfität durch
Verhängung des Interdikts über das Studium.

Göttingen. E. Schürer.

Eiselen, Prof. Frederick Carl, Ph. D.( Sidon. A Study
in oriental History. (Columbia University Oriental
Studies. Vol. IV.) New York, The Columbia University
Press 1907. (VII, 172 p.) gr. 8°

Der Verf. gibt eine Gefchichte Sidons von feinen
Anfängen bis auf die Gegenwart, von den älteften Belegen
des Stadtnamens bis auf die Gründung einer
Schule der Alliance lsraelite im J. 1902 (S. 109). Er
ift fich bewußt, daß die Ausführung diefes Planes
nur in fehr lückenhafter Weife möglich ift. Von den
älteften Zeiten nicht zu reden, bleiben zwifchen der
affyrifchen Periode und der perfifchen, zwifchen der

ptolemäifch-seleucidifchen und dem Beginn der chrift-
lichen Aera, zwifchen diefem und der Zeit der Kreuzzüge
lange Zeiträume unausgefüllt. Es ift aber dankenswert
, daß der Verf. überfichtlich zufammengeftellt hat,
was überhaupt bekannt ift. Er hat mit Fleiß die Vorarbeiten
verwertet, nicht immer allerdings mit der wün-
fchenswerten Unterfcheidung der Beurteilungen des Materials
, die Beachtung verdienen, von andern, für welche
dies nicht gilt.

Daß eine über die ganze gefchichtliche Zeit ausgedehnte
Darftellung gerade für Sidon eine innerliche Berechtigung
.hat, läßt fich freilich bezweifeln. Solche
hiftorifche Überblicke find überall fehr am Platz in einer
hiftorifchen Geographie, auch fo wie fie in gedrängter
Kürze befonders in den Ausgaben des Bädeker, die
Socin beforgt hatte, mit ausgezeichnetem Gefchick gegeben
find. Aber im eigentlichen Sinn ,a study in oriental
history1" gibt der Verf. nicht und kann er nicht geben.
Zwifchen dem fpätern Sidon, etwa vom Beginn der Kreuzzüge
an und fchon früher, und dem alten Sidon befteht
keine Verbindung außer im Ort und Namen, und das
fpätere hat nach keiner Seite hin irgendwelche Bedeutung
. Es hat eine ganz andere Berechtigung, eine
fortlaufende Gefchichte Jerufalems zu geben, deffen alte
Würde bis auf den heutigen Tag nachwirkt, oder der
Stadt Harran, wo fich auf religiöfem Gebiet Refte des
Altertums durch die Jahrtaufende erhalten haben. Auch
für Gaza, von dem in befchränkterem Umfang einigermaßen
dasfelbe gilt, ift der ebenfalls in der Sammlung
der Columbia University Oriental Studies gemachte
Verfuch einer Gefamtgefchichte mehr angezeigt als für

| Sidon. In Eifelen's Gefchichte Sidons nimmt es fich z. B.
einigermaßen frappierend aus, wenn in der Darfteilung der
.Kolonien, des Handels und der Induftrie' (S. 110—123)
auf die Schilderung der großen alten Handelsmetropole
beinahe unvermittelt einige ftatiftifche Angaben über den
gegenwärtigen kümmerlichen Verkauf von Seide, Baumwolle
, Feigen, Orangen ufw. in der Stadt Saida folgen.
Dazu kommt, daß die Notwendigkeit, die neuere Gefchichte
in der Art einer Revue darzuftellen, dahin führen
mußte, dasfelbe Verfahren einigermaßen auch für die
alte Zeit anzuwenden. Hier, wo aus dürftigen oder
zweifelhaften Daten alles erft durch Kombination zu-
fammenzufügen ift, haben nur Detailunterfuchungen eine
Berechtigung. Es ift von zweifelhaftem Wert, wenn wir
für die Zeit nach Alexander zunächft eine glatt verlaufende
Darfteilung mit Einfügung der Efchmunazar-
Dynaftie erhalten und dann nachträglich in einem Exkurs
über die Infchriften (S. 138 —154), der gewiffenhaft
über alle Möglichkeiten berichtet, erfahren, daß es fehr
ungewiß ift, ob diefe Dynaftie jener Zeit angehört. Beffer
hätte fich m. E. der Verf. lediglich auf Unterfuchungen
befchränkt, und zwar nur für die Zeit bis zum Ver-
fchwinden der letzten Rcfte phönizifchen Lebens.

Neben dem eben genannten Exkurs und dem ebenfalls
fchon erwähnten über Kolonien ufw. ift noch ein dritter

i gegeben: ,The religious Iiistory of Sidon' (S. 124—137)-
Am beften zur Orientierung gelungen fcheint mir
die Darfteilung über den älteften Gebrauch des Namens
Sidon und über das komplizierte Verhältnis der alten
Stadt zu Tyrus in den Kapiteln: ,Der Name Sidon'
S. 10ff. und: ,Ift Sidon älter als Tyrusr' S. 16 ff. Am
wenigften finde ich befriedigend den religionsgefchicht-
lichen Abfchnitt (worin wieder auf eine ausführlichere
Behandlung des Altphönizifchen unvermittelt einige Daten

über die fpäteren Verhältniffe folgen: Aufkommen des

! Chriftentums und die verfchiedenen heutigen Kon-
feffionen). Die Darftellung der altphönizifchen Religion
befchränkt fich im wefentlichen auf die Aufzählung von
,Gottesnamen'. Der Verf, weiß fehr gut, daß dies zum

| Teil nicht wirkliche Namen, fondern nur Gottheitstitel find
(S. 125); dann aber entfteht durch die Aufzählung aller
nebeneinander ein falfches Bild, ebenfo durch die Folge