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Ausgabe:

1908 Nr. 18

Spalte:

519

Autor/Hrsg.:

Hilgers, Joseph

Titel/Untertitel:

Die Bücherverbote in Papstbriefen 1908

Rezensent:

Bruckner, Albert

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5>9

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 18.

520

Von den evangelifchen Stimmen entfällt weitaus die
Hauptmaffe (47) auf das 19. refp. 20. Jahrhundert, während
das 16. nur mit 3 (Heerbrand, Nigrefius, Taubmann) und
das 17. und 18. nur mit je 2 (Grotius, Leibniz — Friedrich
der Große, Wolff) vertreten find. Die katholifchen
Stimmen verteilen fich etwas gleichmäßiger über die 4
Jahrhunderte, aber fie find dafür auch von fehr verfchie-
denem Werte. — Leider ift die Form der Zitierung durchgängig
eine ungenaue, fodaß das Auffuchen der betreffenden
Stellen dem Unkundigen viele Mühe verurfachen
wird; ja bei manchen Autoren (Andrej Camargo, Cordara,
Elizalde) erfährt der Lefer nicht einmal, wann und wo
fie gelebt haben. Es hätte mir ferner richtiger gefchienen,
die Stimmen in akatholifche und katholifche zu zerlegen,
da die zahlreichen Altkatholiken und der orthodoxe
Zar Peter I nicht als Katholiken gelten können. Von
befonderem Intereffe ift im erften Bande die Rede des
Liberalen Windthorft im Reichstage am 15. Mai 1872
(S. 141—176), im zweiten das Zitat aus Ellendorf: Die
Moral und Politik der Jefuiten, Darmftadt 1840 (S. 14—21);
der Bericht Felbigers an Friedrich den Großen über die
Schulen der Jefuiten in Schienen (S. 23—28), die Äußerungen
Jofephs II (S. 46 — 49), die markante Denkfchrift
des Luzerner Chorherrn Burkard Leu von 1840 (S. 53—
65), und die Briefe des mexikanifchen Bifchofs Palafox
(S. 83—95), da fie wichtiges und entlegenes Material zur
Jefuitenfrage in bequemer Form darbieten. Wer irgend
in die Lage kommt, in nächfter Zeit einen Agitationsvortrag
gegen die Jefuiten zu halten, oder fonftwie gegen
diefelben zu wirken, wird in den beiden Bändchen eine
reiche und dankbare Ausbeute finden.

Bremgarten. Alb. Bruckner.

Hilgers, Jofeph, S. J., Die Biicherverbote in Papftbriefen.

Kanoniftifch-bibliographifche Studie. Freiburg i. B.,
Herder 1907. (VIII, 107 S.) Lex. 8° M. 2.50

Ein typifches Mufter jefuitifcher Sophiftik! Die vorliegende
Schrift erinnert mich lebhaft an die Unterfuchung
des Heiligen Liguori über die follizitierenden Beichtväter
(Theol. mor. VI § 675 ff.) und ähnliche ,weitherzige' Erörterungen
. Denn es wird hier wie dort mit einer bedenklichen
Sophiftik ein päpftlicher Erlaß, der mit Abficht
ftreng und allgemein gefaßt ift, fo fehr erweicht und
befchränkt, daß er nur noch für fehr wenige Fälle zutrifft.
Die Einleitung zeigt nämlich, daß der Artikel 47 der
apoftolifchen Konftitution ,Officio7-ian ac tnunerum' vom
25. Januar 1897 lange nicht für alle ketzerifchen Veröffentlichungen
zutrifft, ja felbft nur für einen kleinen Teil
der durch befondere Papftfchreiben verbotenen Bücher
gilt. Der erfte Teil führt dann die einzelnen Papftbriefe
auf, der zweite gibt über jedes der durch folche verbotenen
Bücher fein Urteil ab, ob und in welchem Maße es als
verboten zu gelten habe. Der dritte, auch wiffenfchaft-
lich wertvolle Teil enthält 22 feltene Papftfchreiben mit
Bücherverboten. Es mag für liberale Gelehrte angenehm
fein, fich durch das Urteil Hilgers' darüber belehren zulaffen,
daß fie eine ganze Reihe von Büchern, die fie nach dem
Wortlaut des betreffenden Artikels für unter ftrengfter
Strafe verboten halten müßten, unbedenklich lefen dürfen.
Und da nach der Lehre der Jefuiten jede probable Meinung
zur Erlangung der fakramentalen Abfolution ausreicht
, fo erweift Hilgers gewiß dem Forfcherfinn manches
katholifchen Gelehrten einen dankenswerten Dienft; denn
er kann hier von jeder Schrift nachlefen, ob er fie lefen
darf oder nicht, und fein eigener kafuiftifcherSpürfinn wird
ihm gewiß auch noch Wege zeigen, auf denen er fich nach
derfelben Methode ein probables Urteil über die Erlaubtheit
auch der wenigen nach Hilgers' Urteil noch verbotenen
Bücher bilden kann.

Bremgarten. Alb. Bruckner.

Peters, Prof. D. Norbert, Kirche und Bibellelen oder Die
grundfätzliche Stellung der katholifchen Kirche zum
Bibellefen in der Landesfprache. Paderborn, F. Schö-
ningh 1908. (VI, 58 S.) gr. 8° M. 1 —

Peters behandelt in feinem Vortrag die zeitgemäße
j Frage: Wie ftellt fich die katholifche Kirche zu dem
privaten Lefen der Bibel in der Landesfprache? oder,
was im wefentlichen auf dasfelbe herauskommt: Dürfen
j die katholifchen Laien die Bibel lefen? In 4 Abfchnitten:
Die theoretifche Grundlage; Die früheren Befchränkungen;
Das jetzt geltende Recht; Praktifche Folgerungen, beantwortet
der Verfaffer diefe Frage dahin, daß die Kirche
das Bibellefen ftets für fehr nützlich gehalten habe, obwohl
fie aus erzieherifchen Gründen in früheren Zeiten
häufig genötigt gewefen fei, dasfelbe für die Schwachen
zu befchränken. Dagegen fei es nach dem heutigen Recht
jedem Katholiken erlaubt, die Bibel in der Landesfprache
zu lefen, wenn er nur eine genügend approbierte Aus-
I gäbe benütze. Im vierten Teil wünfcht er eine gründliche
Vertiefung des Klerus in die Bibel, die Einführung
von Bibelftunden zur fortlaufenden Erklärung einzelner
biblifcher Bücher, die Bafierung des religiöfen Unterrichts
auf die Bibel und die energifche Herftellung und Ver-
j breitung billiger katholifcher Bibelausgaben. Wer über
■ die Stellung der katholifchen Kirche zum Bibellefen in
| der Vergangenheit einigermaßen orientiert ift, wird freilich
finden, daß der Verfaffer diefelbe des öfteren in einem
zu milden und bibelfreundlichen Lichte dargeftellt habe;
aber er wird diefen Mangel gerne überfehen, wenn er
hoffen darf, daß nun eine andere Praxis Platz greifen
wird, und daß zahlreiche einflußreiche Männer dazu mithelfen
wollen, das deutfche, katholifche Volk anftatt mit
jefuitifch-ultramontanem, mit biblifch-evangelifchem Geift
; zu erfüllen. Aber freilich, wie nach einem Ausfpruch
Taulers eine einzige Schwalbe noch keinen Sommer aus-
! macht, fo wird es auch hier noch geraume Zeit dauern,
! bis eine gründliche Umwandlung erfolgt, und es fragt fich
erft noch, ob folche vereinzelte Verfuche überhaupt
durchdringen werden gegenüber der großen Zahl der
römifchen Priefter, die dem Lefen der Bibel in der Lan-
, desfprache äußerft mißtrauifch, wo nicht feindlich gegen-
überftehen. Wenigftens hat der Schreiber, der feit Jahren
in der Diafpora tätig ift, noch fehr wenig vom diefem
neuen, bibelfreundlichen Geifte unter feinen katholifchen
1 Amtsbrüdern verfpürt.

Bremgarten. Alb. Bruckner.

Ziegler, Dek. K., Die Sakramente der evangelifchen Kirche.

Zwei Vorträge, in Stuttgart für die ,Freunde der
Chriftl. Welt' gehalten. Heilbronn, E. Salzer 1908.
(70 S.) 8° M. —80

In zwei Vorträgen, die für die ,Freunde der chrift-
j liehen Welt' in Stuttgart gehalten wurden, befpricht der
Vf. die Sakramente der evangelifchen Kirche, indem er
| feine lichtvollen und im Geifte proteftantifcher Freiheit
I und warmer Religiofität gehaltenen Ausführungen in
! folgenden Leitfätzen zufammenfaßt: ,Die fakramentalen
Kultushandlungen-der chriftlichen Kirche find nicht über-
[ haupt unterchriftlich und unevangelifch, fondern können
reformiert, d. h. dem Geifte Jefu und feines gefchicht-
lichen Lebenswerks angenähert oder aus ihm heraus ge-
geftaltet werden. Die Reformation Luthers gibt uns
(chon jetzt das Recht, von evangelifchen Sakramenten,
insbefondere von einem Abendmahlsfakrament im evangelifchen
Sinne zu reden. Das Recht unfrer evangelifchen
Abendmahlsfeier beruht nicht bloß auf den überlieferten
! Einfetzungsworten Jefu, fondern zugleich auf dem ganzen
I tatfächlichen Gang und Ausgang feines Lebens, der von
genügend deutlichen, im Zufammenhang der Gefchichte
Israels und der Lebensgefchichte Jefu wohl verftändlichen