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Ausgabe:

1908 Nr. 10

Spalte:

294-295

Autor/Hrsg.:

Lippert, Julius

Titel/Untertitel:

Bibelstunden eines modernen Laien. Neue Folge 1908

Rezensent:

Zillessen, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 10. 294

weifen, dagegen macht Polybius vom Infinitiv mit dem Lippert, Julius, Bibelftunden eines modernen Laien. Neue
Artikel, zumal bei Präpofitionen einen fehr ausgiebigen | Folge. (Neues Teftament.) Stuttgart, F. Enke 1907.

Gebrauch. Man darf bei diefer, übrigens nicht erft neu ! 180 S) 8° jyj ,_

entdeckten Erfcheinung billigerweife auch nach dem Grund v. > -0
fragen, was A. unterläßt. Er fcheint mir folgender zu j Auch diefer Band trägt die gleiche Art, wie der von
fein: Das Streben nach Einfachheit ließ die Nebenfätze mir ThLZ. 1907, Sp. 419k befprochene. Über die Tü-
zurücktreten zugunften von Konftruktionen, die Satzteile binger Schule (von der er lieh freilich in der Evangelienergeben
. So erklärt fich befonders der häufige Gebrauch frage fcheidet) hinaus fcheint der Verf. nichts mehr zu
von dia ro c. inf. für ort, von yctQiv rov und tvtxa rov kennen; fonft ift nur wieder der Name Strauß' genannt.
c. inf für Iva. Im III. Kapitel geht der Verfaffer dazu Das 1. der 10 Kapitel (Zur Gefchichte Galiläas) legt
über, den Infinitivgebrauch des Polybius mit dem der dem Nachweis des unjüdifchen Charakters der Heimat
LXX zu vergleichen. Er zieht jedoch nur bei die Genefis, jefu übertriebenen Wert bei, namentlich der Zwangs-
das Sirachbuch und die beiden original-griechifch gefchrie- , bekehrung Ariflobuls, die Verf. dem Alexander Jannaeus
benen Makkabäerbücher II und IV. In fünf fehr ein- zufchreibt. Ebenfo übertreibend wird das Syftem der
gehenden Tabellen wird die Häufigkeit der einzelnen 1 Tempelabgaben als eine Wirtfchaftspolitik kraffefter Aus-
Gebrauchsweifen im Vergleich mit Polybius vor Augen beutung durch die Priefterfchaft gefchildert. Darauf begeführt
. Weshalb uns der Verfaffer dabei für die LXX zjent fich Petrus' Wort Act. 1510, und Jefus ift der Ver-
nur Tabellen und Zahlen, aber keine Stellennachweife I treter der galiläifch-ethnifchen Oppofition gegen das aufbietet
, kann ich nicht recht einfehen. Nach Kap. V er- j gezwungene Gefetz, ein ,freigeiftiger' Revolutionär. Die
geben fich fodann folgende Refultate: Genefis und Sirach, Sadduzäer-.Schule' wird ,von den Schriften der Gläubig-
alfo zwei überfetzte Bücher, flehen im durchfehnittlichen keit ganz zu unrecht als die jüngere bezeichnet'. Die
Gebrauch des Infinitivs hinter Polybius weit zurück, wo- 1 Effener, ausgefprochene Eklektiker, find Nichtjuden. —
gegen die griechifchen Originale Makkab. II und IV fich 2. Johannes der Täufer ift Effener, denn er tauft; er
ihm fehr nähern. In Kap. VI kommen fodann einige wirkt nur in Galiläa mit feinen dem Judenkult konkur-
Befonderheiten der genannten Bücher der LXX zur ; rierenden Heil- und Sühnmitteln. Jefus hat erft länoer
Sprache, die man bei Polybius vergebens fucht, befon- feiner Schule angehört. Die Verfuchuncsgefchichte ift zu
ders der konfekutive Gebrauch des Infinitivs mit rov in verliehen als der ethnologifch bekannte&Ritus einer Ju-
Fällen.wieGenef. 12 aovvtxltiOtv pexvQioq rov uij rixruv. , gendweihe; ihr folgt erft die Taufe = Aufnahme in den
Die Folge ift aber oft, wie A. felbft richtig fagt, eine ! Jüngerbund, Eintritt in eine neue Verwandtfchaft (Mc. 3 33V
beabfichtigte, fo daß alfo folche Fälle auf der Grenze Jefus ein .Effenerbündler'. — 3. Jefus wollte nicht der
zwifchen konfekutivem und finalem Gebrauch flehen und Meffias fein, fondern .Gottes Sohn' = Verkünder einer
als abfolute Befonderheit meiner Meinung nach doch andern Art Gottesreich; der Begriff ift unjüdifch Mc
fchließlich nicht gelten können. Ift die Folge eine wirk- I nenne Jefus auch nicht Davidsfohn (1047!); Mt macht
liehe, fo kann es dann nicht wunder nehmen, wenn rov j den Galiläer Jefus zu einem richtigen Juden (Vorgefchichte)
auch hier hinzutritt. In Kap. VII werden dann die Gründe _ 4, Die nächften Kapitel über Jefu Wanderjahre
der Befonderheiten befprochen. Es kommt dabei fchheß- ' feinen Zug nach Jerufalem (5), Prozeß (6), das Abendmahl
lieh darauf hinaus, daß eben Genefis und Sirach durch (7j geben immer erft den Markusbericht, da L Mc für
das mechanifche Uberfetzen gebunden find, während fich , den älteften Berichterftatter (immerhin erft 100 Jahre
Makkab. II und IV freier bewegen. Dies hat z. B. zur nach den Ereigniffen) hält, und dann die Ergänzungen
Folge, daß die Genefis den einfachen Infinitiv des Zwecks de.s Mt., Lc. und die gänzlich ungefchichtlichen Angaben
viel häufiger (71 mal) verwendet als Polybius, der ihn des .philofophifchen Lehrgedichtes' des Joh — Jefus übt
überhaupt nur 13 mal bietet. Umgekehrt ift z. B der ! a)s Effenerfchüler Heilkunft und Wohlfahrtstätigkeit mit

reine objektive Infinitiv, den die hebräifche Grundlage
weniger veranlaffen konnte, in den beiden Makkabäer-
büchern viel häufiger ebenfo wie bei Polybius. Mir

ethifierender Belehrung verbunden. Vom Gefetz erfüllt
und ergänzt er den ethifchen Gehalt, das Kultgefetz lehnt
er ab. Seine Lehre ift eine Ethik der Menfchenliebe:

—----- -— -.- — — -— v» v. » iilvlllVllV.lll.lv. Uü .

fcheint es ziemlich ficher zu fein, daß fich das Refultat befreien wir uns, lieben wir uns — das ift das wahre
wefentlich anders gellaltet hätte, wenn A. etwa ftatt Gottesreich. Mt. mache daraus ein jenfeitiges Himmel-
Genefis und Sirach den ganzen Pentateuch beigezogen reich (!). Die Wunder find teils Übertreibungen wirklicher
hätte. Die fonft fehr verdienftvollen Unterfuchungen , Heilerfolge, teils fachlich zwecklofe Beglaubigungswunder.
Mommfens in feinen Beiträgen zur Lehre von den Eine ganz gute Bemerkung macht L. zu den Gleichniffen
griechifchen Präpofitionen haben doch bei genauerer Ein- (S. 74). — 5. Der Zug nach Jerufalem war ein Deficht
ergeben, daß ftatiftifche Unterfuchung einzelner ; klarationszug. Mc. 8 aSf. bedeutet nicht: du bift der Meffias,
oder nur weniger Bücher zu unficheren, ja falfchen Re- fondern: du bift unferM. = unfer Befreier, Erlöfer. Als
fultaten führt. Zu bedauern ift auch, daß die vor- Sohn eines fremden Volks begründet Jefus die Tempelliegende
Arbeit weder auf Papyri noch auf Infchriften j reinigung mit der von einem Mitgenuß der Fremden
Bezug nimmt, obwohl doch die Sprache diefer wert- am Tempel fprechenden Stelle Jef. 567. — Die Frage
vollften Abtfz/denkmäler fchließlich ^ das gemeinfame | der Zerftörung Jerufalems (Mc. 13) fei damals nicht aktuell
Fundament für Polybius und die LXX find. Die Bei- gewefen(l). — 6. Prozeß und Exekution Jefu fucht L.

1 ohne alles Auffehen, ohne Schaufpiel vor dem Volk,
Schlag auf Schlag fich abfpielen zu laffen, vom Trubel
der Fefttage völlig übertäubt. Die zum Friedensbruch

Ziehung diefer Dokumente follte heute bei keiner lingui-
ftifchen Studie über ein helleniftifches Buch fehlen. Bei-
fpielshalber ließe fich durch Papyri und Infchriften zeigen,

daß der finale Infinitiv mit toü fehr volkstümlich war; 1 aufgebaufchte Tempelreinigung führte zur Verurteilung
man vergleiche hierfür das charakteriftifche Anakolutn Jefu als Aufrührer. — 7. Das Abendmahl ift ein Rezep-
m dem Brief des Antigonus an die Skepfier 311 v. Uhr. , tionsritus in Form eines Blutbundes, durchaus unjüdifch

von
er
zu

Orient Graeci inscript. sei. /N. 5), *° « errt fpater aus opportun.ftifchen Gründen mit dem v
Zeile 16 heißt: Iva rov rix %xXa OVPTBXsOt^VCa; * follt« Jefus gar nicht gefeierten Paffah kombiniert. Ein andrer
alfo ein Satz mit tva gebildet werden, der Verfaffer der Aufnahmeritus ift die Salbung, von Jefus zunachft zu
Infchrift oder der Steinmetz ift aber alsbald in die ihm Heilzwecken empfohlen. Die von ihm nicht geübte Taufe
offenbar geläufigere Infinitivkonftruktion übergegangen. ; biidet die profelytentaufe nach. - 8. Nach Jefu 1 od
Im großen und ganzen läßt fich fagen, daß vor- j flohen die Fifcherjünger nach Galiläa (ihr Haupt Petrus);
liegende Abhandlung wohl für Polybius nutzbringender j ein andrer Teil famt Jefu Familie (Haupt Jakobus) blieb
ift "als für die LXX. in Jerufalem, fich dem Judentum anfchmiegend. Auf die

Karl ruhe _ Helbing Kunde von deffen günftiger Lage kehrte die galiläifch

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