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Ausgabe:

1907

Spalte:

138-140

Autor/Hrsg.:

DeBruyne, Donatien

Titel/Untertitel:

Prologues bibliques d‘origine Marcionite 1907

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Hauptgedanken in der Regel nicht modifizieren), feine
eigenen Gedanken nur feiten eingemengt hat; doch fehlt
es an einigen fchweren Eingriffen nicht. Matth, hat dagegen
in der Regel die alte Textfaffung bewahrt, aber
die Zahl tiefer Eingriffe in den Text ift etwas größer
als bei feinem Rivalen.

Die Anlage der Quelle als Sammlung von Reden
Jefu erfcheint infofern erweitert, als eine Einleitung vor-

Überfetzer war alfo wohl fchon in vielen Fällen durch
eine fefle Textform beftimmt. Dennoch läßt fich eine
gewiffe Einheitlichkeit nicht verkennen. In den an mich
gerichteten Zufchriften kommen ganz entgegengefetzte
Eindrücke zu Wort: die Einen finden die fprachliche und
ftiliftifche Einheit frappant, die Anderen beklagen ihren
Mangel. Man fieht, wie fubjektiv hier die Urteile find.
Schließlich noch Eines: ich habe oben gefagt, daß

angeheilt ifl. welche die Bußpredigt des Johannes und Q von befonderen Tendenzen frei fei; aber ift es nicht
die Verfuchun^saefchichte (und deshalb auch die Taufe i antipaulinifch ? Muß nicht Matth. 5, 18, wenn es um das
Jefu durch Johannes — fo auch Wellhaufen) enthält. , J. 60 fixiert ift, von einem Antipauhner niedergefchrieben
Man kann verbucht fein und der Verfuch wird gemacht l fein? Gewiß, wäre anzunehmen, daß das Wort um diefe
werden, diefe Stücke als fremde von Q abzutrennen, da Zeit in der Chriftengemeinde zu Jerufalem frei fixiert
fie zu dem Charakter als /Didaskalia' nicht paffen. Allein worden ift, fo müßte man an Antipaulinismus denken;
fowohl aus methodifchen als auch aus fachlichen Er- aber es braucht nicht antipaulinifch zu fein, wenn es
wägungen fcheint mir die Abtrennung nicht möglich zu ; längft fixiert war und nur noch fortgeführt wurde. In
fein. Matth, und Luk. bieten diefe Stücke, und die Art, diefer Hinficht muß man der Tradition die größte Elafti-
wie fie fie wiedergeben, ift eben die Art, in der fie Q : zität zutrauen. Da aber nichts hindert, das Wort^ für
gegenüber verfahren. Behauptet man dennoch, die Täufer- j authentifch zu halten, kann aus feiner bloßen Fort-
predigt und die Verfuchungsgefchichte flammen nicht führung eine antipaulinifche Tendenz nicht abgeleitet
aus O, fo kann man mit derfelben Willkür auch alle : werden. Auch fonft finde ich in Q nur die vorpaulinifche,
andensn Stücke beanftanden , d. h. alles Gewonnene nicht aber eine antipaulinifche Stufe ausgeprägt. Wie fich
niederreißen. Aber auch aus fachlichen Gründen ift an die freier gerichteten Judcnchriften mit ihr abfanden,
den Stücken feftzuhalten. Es ift das Unternehmen, die , wiffen wir nicht oder vielmehr: wir wiffen es wohl.
Erinnerungen an Jefus in Form einer Spruchfammlung Man braucht nur die Haltung der Matthäus-Evs forg-
des Lehrers und Propheten zu geben (denn diefer j fältig zu ftudieren.

Charakter tritt notwendig nun in den Vordergrund), an ^ Berlin A Harnack
fich auffallend — auch trotz der vorangeftellten Ein- .__'___'_'__

leitnngJr°uhne d'efe Einleitung aber würde es fchwer Deßr uyne, Donatie n.Prol ogues bibliques dorigine Marcionite.

verftandheh werden; denn in dem Kreife, aus welchem Q „ ' , ,,, , ,. . . . ,,

hervorgegangen ift, glaubte man an Jefus als den Aufer- [Extra* de la Revue Benedictine, Janvier 1907, p. I—16.]

ftandenen. alfo als den, den Gott zum Meffias eingefetzt , De Bruyne hat eine Entdeckung gemacht, die, wenn

hat. Es ift daher nicht wohl glaublich, daß man Erinnerungen l fie fich bewährt, epochemachend für die NT.liche

an ihn zufammengefaßt hat. ohne feine Meffianität zum Kanonsgefchichte ift. Er zeigt, daß die kleinen Prologe,

Ausdruck zu bringen und dadurch feine Didaskalia als ; weichein fehr zahlreichen alten lateinifchen Handfchriften

die Lehre des Meffias zu kennzeichnen. Dies ift nun ; (zuerft — für uns — im Fuld.) den einzelnen paulinifchen

aber durch die Einleitung gewährleiftet, und eben fie Briefen vorangehen, marcionitifchen Urfprungs find.

machte es möglich, den Spruchen ihr urfprüngliches Gepräge
zu laffen; denn als ftiller Koeffizient wirkt fie nun
bei jedem Spruch für den Hörenden mit.

Kürzer habe ich die Frage behandelt, was etwa noch
aus dem Sondergut des Matth, oder Luk. der Quelle

Seine Begründung ift folgende: 1) vergleicht man die
Prologe mit einander, fo ergibt fich, daß der Epheferbrief
dort als Laodicenerbricf betitelt war, ferner, daß die

Briefe in der Reihenfolge Gab, Cor.....Laod., Coloff..

Philipp, geftanden haben. Das ift die marcionitifche

hinzugefügt werden kann. Viel kann es nicht fein; denn Ordnung. Daß die Sammlung, für welche die Prologe
von den meiften Erzählungen läßt fich der negative Be- ! verfaßt worden find, wirklich diefe Reihenfolge gehabt
weis erbringen, daß fie nicht in Q geftanden haben I hat, hat der Verf. mit glänzendem Scharffinn wirklich
können, bez. es läßt fich kein Argument für ihre Zuge- j erwiefen. 2) Die Prologe für I. II. Tim. und Tit. haben
hörigkeit nachweifen. Die Hypothefe von Weiß, daß Q einen ganz anderen Charakter, find alfo von einem an-
ein Evangelium gewefen ift, beftehend aus Erzählungen deren Verfaffer; der alte Prolog zum Flpheferbrief (Lao-
und Reden, läßt fich alfo m. E. nicht beftätigen; aber dicenerbrief) ift geftrichen (kann aber noch aus dem Prolog
auch Wernle hat zu fchnell einiges aus dem Sondergut zu Coloff. rekonftruiert werden) und ift durch eine fklavifche
der beiden Evangeliften für O in Anfpruch genommen, j Nachbildung des Prologs zum Philipperbrief erfetzt. Auch
Doch will ich anderfeits nicht leugnen, daß einzelne dies hat der Verf. m. E. erwiefen. Dagegen ift mir
Sprüche und Verfe, die nur bei einem Evangeliften | zweifelhaft, was er über die Prologe zu II. Cor. und II.
flehen, doch zu Q gehören; fo z. B. Matth. 10, 23 ] Theff. bemerkt; doch macht es für die Hauptfrage wenig
(Bouffet), ein VersT der fich ganz in der Eigenart von 1 aus, ob man diefe Prologe für urfprünglich hält oder mit
Q einfügt und ficher vor der Zerftörung Jerufalems ^ dem Verfaffer verwirft und annimmt, für Cor. und Theff.
niedergefchrieben ift. Auch Matth. 12, II. 12a (hier ift fei urfprünglich nur je ein Prolog vorhanden gewefen.
übrigens auch bei Luk. 14, 5 eine Parallele) wird zu Q 3) Der Charakter diefer 8 alten Prologe zu IO Paulus-
zu rechnen fein. Ich glaubte aber bei diefer grund- briefen ift marcionitifch (nur am Prolog zu Philem. läßt
legenden Unterfuchung fo vorfichtig wie möglich fein ! fich das der Natur der Sache nach nicht erweifen); denn
und mich faft ausfchließlich auf das parallele Material fie haben es lediglich mit dem Gegenfatz des
befchränken zu follen, um den Eindruck ihrer Zuver- Paulusund der ,falfchen Apoftel' zu tun, und unter
läffigkeit nicht abzufchwächen. 1 den falfchen Apofteln müffen alle Apoftel und

Was die fprachliche und ftiliftifche Einheit derQuelle ! Miffionäre außer Paulus verftanden werden. Die
betrifft, fo habe ich zufammengeftellt, was fich zufammen- Kürze der Prologe erlaubt den Abdruck:
ftellen ließ, lege aber felbft auf das, was fich hier ergeben 1 Galat.: Galatae sunt Gracci [.']. Iii verbum veri-
hat. kein entfeheidendes Gewicht. Die Sprüche, die zuerft tatispriviurn ab apostolo acccpcrunt, sed post dit-
aramäifch niedergefchrieben worden find und die fchon hier I cessnm eins temptati sunt a falsis apostolis ut in
eine große Mannigfaltigkeit hatten — denn Jefus hat keine , legem et circumeisionem vertcrcntur.hos apostolis
Schulfprache gefprochen und fich mancherlei Redeformen ( revocat ad fidem veritatis scrIbens eis ab Epheso
bf-r unt 7? h;itten gewiß fchon in der mündlichen grie- | Diefer Prolog, für fich genommen beweift noch
chifchen Übertragung eine bunte Gefchichte erlebt, bevor nichts; doch fällt der Gegenfatz Mpostotus' und talsi
fie fehriftheh im Griechifchen fixiert worden find. Der apostoli' auf.