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Ausgabe:

1907

Spalte:

509-511

Titel/Untertitel:

Rampolla del Tindaro, Santa Melania giuniore senatrice Romana 1907

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 18.

zufammen, um trotz feines Cyprianifchen Kirchenbegriffs
jenen Grundfatz verteidigen zu können. Dann darf die
Taufe nicht an und für fich das Heil garantieren — der
Kirchenbegriff fchließt das aus — fie foll aber auch nicht
bloß innerhalb der Kirche eine Bedeutung im Heilsprozeß
befitzen, — fonft müßte man den Namen Taufe für
etwas, was außer der Kirche vollzogen wird, verweigern
und die Übertretenden neu taufen. Alfo hilft er fich
mit einem Taufbegriff, der fowohl einen character indele-
bilis, die Einleitung der Überführung eines Menfchen zu
dem Heiland, zugefteht, als auch die Unwirkfamkeit
feftftellt für den Fall, daß nicht rechtzeitig Glaube und
Geift — beides in der Kirche vereint — hinzutreten. Es
war keine Lichte Aufgabe, die unferm Autor geftellt
war. Aber für die Anfprüche feiner Partei wird fie
genügt haben. Es ift von Intereffe zu beobachten, wie
der Mann, der nach Ernft ein faft ftupider Anbeter der
fakramentalen Allgewalt der Firmung gewefen wäre,
durch die kirchliche Situation vielmehr genötigt ift, die
Unentbehrlichkeit der Sakramente überhaupt preiszugeben
: im Kampf für das hochheilige Herkommen
wird die Freiheit Gottes vertreten, auf ganz verfchie-
denen Wegen die Gläubigen zum Heil zu führen. Eine
von der Kirchenlehre total abweichende Tauüehre hat
der Anon. nicht vorgetragen, am wenigften vortragen
wollen; er legt uns ein Kompromiß vor zwifchen dem
Dogma von der Kirche und dem römifchen Brauch,
übertretende Ketzer nicht nochmals der Taufe zu unterziehen
.

Marburg. Ad. Jülicher.

Rampolla del Tindaro, Card., Santa Melania giuniore
senatrice Romana. Documenti contemporanei e note.
Roma, tipographia Vaticana 1905. (LXXIX, 306 p.
c. 3 Tav.) Fol. L. 30 —

Der Staatsgefchäfte ledig hat Kardinal Rampolla fich
wieder eifrig literarifchen Studien hingegeben; er ift (wie
man hört) ein ganz regelmäßiger Befucher der vatikani-
fchen Bibliothek. Als reife Frucht langjähriger Studien
liegt jetzt diefer ftattliche Folioband vor uns. Schon
1884 fand der damalige Nuntius bei einem Befuch im
Eskurial eine wifigotifche Handfchrift mit der bisher
ungedruckten Vita der h. Melania: er erkannte fcharfen
Auges den Wert des Textes und fchrieb ihn ab; aber
der Kardinalftaatsfekretär hatte dann wichtigeres zu tun;
der Text blieb im Schreibtifch liegen. Inzwifchen wurden
von verfchiedenen Seiten, befonders von den Bollandiffen,
andere Melaniatexte publiziert; aber keiner kam an
Wert dem Scorialenfis gleich. So bietet der Kardinal
jetzt diefen zufammen mit allem erreichbaren Material:
es ift in Wahrheit die erfte zufammenfaffende wiffen-
fchaftliche Edition eines für die Kulturgefchichte der
ausgehenden Antike, der chriftlichen Gefellfchaft des 4.
und 5. Jahrhunderts ungemein wichtigen Textes.

Die Überlieferung ift recht kompliziert: älter als die
Vita find die noch zu Melanias Lebzeiten gefchriebenen
Stücke in der Historia lausiaca des Palladius: Kard.
Rampolla weift hierin Widerfprüche nach, die er durch
die Annahme alter Interpolationen zu löfen fucht; hieran
gemeffen erweift fich ihm Butlers Text als Auszug aus
einer bereits interpolierten Form: der Vulgärtext bei
Meurfius (Ducaeus und Migne) hätte alfo daneben noch
fein Recht; von hohem Wert ift die eine lateinifche
Überfetzung in Rosweyds Appendix. Ref. ift von diefer
Ausführung nicht ganz überzeugt. Von den erhaltenen
Formen der Vita erweift fich die metaphraftifche (M) als
Bearbeitung eines älteren, in einem Barberinianus erhaltenen
griechifchen Textes (B), den auch das Synaxar
benutzt. Diefer tritt nun in Konkurrenz zu dem latei-
nifchen Text, wie er vollftändig in jenem Scorialenfis (a),
mit Lücken, Kürzungen, Stilglättungen u. f. f. in 7 wei-

teren Handfchriften erhalten ift. Der Herausgeber zeigt
in eingehender Erwägung des pro und contra, daß der
lateinifche Text zwar das Original ift, der Grieche eine
vielleicht gleichzeitige, doch von Mißverftändniffen nicht
| freie Überfetzung; daß aber dem Überfetzer ein voll-
ftändigerer lat. Text vorgelegen haben muß, als wir ihn
befitzen; alfo auch a fchon Kürzungen erfahren hat.
Fügen wir hinzu, daß, wenn man hier wie bei Palladius
auf Widerfprüche achtet, fchon der gemeinfame Urtext
als interpoliert gelten müßte; K. 2 vermeidet die junge
Melania jedes Bad; K. 18 zeigt die Asketin in ihrem
Seebad. Aber das kann derfelbe Autor gefchrieben haben!

Auf Grund diefer in K. III der Introduxione fehr
gründlich klargelegten Überlieferung folgt dann die
Edition der Texte: p. I—40 der Lateiner nach dem Scor.
mit den Varianten der andern Zeugen; 41—85 der Grieche
nach Barb. mit italienifcher Überfetzung; 87—90 die
2 Rezenfionen der Hist. Laus, mit der alten lat. Verfion;
leider nur K. 61 Butler = 119—121 Migne; auch die
von der älteren Melania handelnden Kk. 54. 55 = 118.
142. 143 hätten der Vollftändigkeit halber Aufnahme
verdient. Daneben würden wir es dankbar begrüßt haben,
wenn in diefer großartig angelegten Publikation uns auch
der metaphraftifche Text in kritifcher Ausgabe (an folchen
fehlt es) auf Grund aller erreichbaren Handfchriften geboten
worden wäre: die Vaticana befitzt deren allein drei.
Ehrhards metaphraftifche Forfchungen Rheinen nicht
berückfichtigt, wie denn überhaupt die deutfehe Literatur
ftark zurücktritt. In dem lat. Text fcheint S. 2619
satietate somno verderbt lind entweder satietate sovini
oder beffer satiate somno zu lefen. Gut wäre es, wenn
auch die biblifchen Anfpielungen immer notiert würden:
I erft fie zeigen das Maß der Bibelkenntnis in feinem
vollen Umfang, außerdem ergeben fie wertvolle Beiträge
zur Kenntnis des altlateinifchen Textes, z. B. 12 10 Eph. 612;
1613 Phil. 313; 1710 II Kor. 112:1; 181 Jac. In (omnis
donatio); 2425 I Pet. 4s; 2611 Lk. 1324; 26 w Lk. 632; 20
Mt. Ii 12; 362s II Kor. 67; 362:1 Phil. 1 23; 3728 Phil. 22;
40 <j Joh. 17 2i. So dürfte auch 5211 eine Reminiszenz an
Rom. 215 (bezw. eine hierauf ruhende erbauliche Wen-
I dung) zu finden und das überlieferte scoXsfiov nicht mit
E. Kurtz in (rbv) stoXsuiov zu verändern fein.

Der gelehrte Herausgeber hat fich aber mit der
forgfältigen philologifchen Textbehandlung nicht begnügt.
Die Vita ift fchließlich nicht um ihrer felbft willen von
Intereffe, fondern wegen der einzigartig intimen Einblicke,
die fie uns in das Leben der vornehmen chriftlichen
Häufer Roms und ihrer Asketenkreife gewährt. Der Ver-
faffer gibt fich als den der Heiligen nächftftehenden
Priefter und er ift darin glaubwürdig. Kard. Rampolla
Hellt im Anfchluß an P. de Smedt durch Vergleich der
Viten des Euthymius (von Cyrill v. Skythopolis) und
Petrus des Iberers feft, daß es kein anderer als Gerontios
fein kann, der, in Jerufalem geboren, fchon als Kind nach
Rom in das Haus der Melania kam, hier auferzogen
wurde und dann ihr ftändiger Begleiter war bis er, in
Jerufalem zum Mönch eingekleidet, zum Diakon und
fpäter zum Priefter geweiht, nach dem Tode der Heiligen
(31. Dez. 439) ihre Klöfter noch 45 Jahre lang
leitete. Was und wie er erzählt, macht alles den Eindruck
vertrauenswürdiger Naivität, auch die Erfcheinungen
der Heiligen, deren fich ihre Nonnen nach ihrem Tode
rühmen. Der Herausgeber hat es fich nun angelegen
fein laffen, nicht nur in der Einleitung ein Bild jener
Zeit (Kap. I) und des Lebens der Heiligen (Kap. II) zu
entwerfen, fondern auch in den 200 Seiten umfallenden
,Notc' alles zur Erklärung notwendige Material mit großer
Gelehrfamkeit zufammenzutragen. Hier wird von der

Chronologie (1), von der ganzen Verwandtfchaft (2_11

mit 3 Stammtafeln), von Melanias Bildung und ihrem
Übergang zur Askefe (12--14), von den römifchen Pa-

läften und den fonftigen Befitzungen (15_18) von der

üppofition der Verwandten und dem Schutz'der Prin-