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Ausgabe:

1907 Nr. 15

Spalte:

444

Autor/Hrsg.:

Ebers, Godehard

Titel/Untertitel:

Das Devolutionsrecht vornehmlich nach katholischem Kirchenrecht 1907

Rezensent:

Frantz, Adolf

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443

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 15.

444

Meifterfchaft darf fich davon emanzipieren, fie trägt in fich
felbft die Bürgfchaft der Ordnung und des zielgewiffen
Aufbaues der Predigt. Ob aber den Hörern nicht doch
mit der Erwähnung der Partition — alle pedantifche Form
natürlich ausgefchloffen —■ gedient ift? Auch an exege-
tifche Verwendung des Schrifttextes wiffen fich die
Prediger nicht gebunden; wir finden ftreng, fogar allzu
ftreng, analytifche Predigten, wie die letzte Nr. 68,
bis hin zu den von den Verfaffern fo genannten Mottopredigten
, in denen etwa ein einzelnes Wort oder auch
die Gefamtflimmung des Textes als Thema genommen und
ausgeführt wird. Auch hier: wer will den Meiftern des
Wortes bindende Vorfchriften geben? Allein vorbildlich
ift diefe Art wohl kaum; unter den Händen von Nicht-
meiftern wird nichts Erfprießliches fich ergeben. Solche
Texte, die mehr find als ein Motto, find für die fynthetifche
Predigt zu wählen, damit die ,beneficia textus1 zur Geltung
kommen; andernfalls würden wir es durchaus vorziehen, auf
einen Text in folchen Fällen überhaupt zu verzichten. —
In der fog. Abhandlung der Predigten tritt eine
Eigentümlichkeit hervor, die in folcher Ausdehnung geradezu
dem Werke etwas fpezififch Charakteriftifches
verleiht: die überaus reiche Verwendung der Illuftration.
Abgefehen von der oftmaligen Anknüpfung der Einleitung
an gegenwärtige Ereigniffe oder gefchichtliche
Erinnerungen finden wir eine bunte Menge von Erzählungen
, Anekdoten, verwendet und vor allem eine Fülle
von Zitaten fog. profaner Schriftfteller. Von Piaton
bis Schopenhauer und Nietzfche, von Afchylos bis Uhland
und Mörike, von dem ganze Gedichte rezitiert werden,
dann in Schilderung der Kompofitionen von Bach und
mit Vorliebe von Brahms, gibt die einzelne Predigt
oft mehr als ein Dutzend Zitate. Mit fehr wenigen Ausnahmen
find die Zitate durchaus treffend und dienen dem
religiöfen Gedanken, ohne fich vorzudrängen und eine
felbftändige Bedeutung in Anfpruch zu nehmen. Tholuck
hat folche Zitate in der Predigt aus apologetifchen Gründen
empfohlen für eine Hörerfchaft, der ein Wort von
Goethe oder Shakfpere größere Autorität habe, als ein
Wort Jefu oder des Paulus. Ich habe nicht den Eindruck,
als ob bei unfern Predigern ein apologetifches Motiv wirk-
fam wäre: die Zitate erfcheinen vielmehr als einer innern
Nötigung ohne Reflexion entfprungen; dem lebhaften
Geifte ftrömen fie zu aus einem Schatze ficherer Erinnerungen
oder gegenwärtiger Befchäftigung. Sie löfen die
evangelifche Wahrheit, welche die Predigt verkündet,
aus einer von der Kulturbewegung ifolierten Stellung, fie
geben den Hörern die Zuverficht, daß der Prediger folch
entfchiedener Zeuge des Evangeliums ift, nicht weil er
die kulturellen Geiftesftrömungen der Gegenwart nicht
kennt, fondern obgleich oder weil er damit vertraut ift.
Allerdings fetzt folche Predigt nicht nur eine literarifch
und äfthetifch mit dem Prediger gleichartige Hörerfchaft
voraus, fondern auch in der Hörerfchaft ein vertrauensvolles
Verftändnis der genannten Vorzüge folcher Predigt.
Wo jene Gleichartigkeit und dies Verftändnis fehlt, werden
die Zitate als Beiwerk empfunden werden, das nicht im
keufchen Dienft der Sache fteht. Der individuellen Begabung
foll unter der Vorausfetzung einer fympathifchen
Hörerfchaft ein volles Recht zu diefer Predigtart eingeräumt
werden — der Referent infonderheit ift den Verfaffern
von Herzen dankbar für den Reichtum an Anregungen
und für die Reinheit der Erbauung, und viele werden
den Predigten dasfelbe Zeugnis ausheilen —j allein als
allgemein gültig und vorbildlich können wir, fo wirkungsvoll
ein gelegentliches »Zitat fein mag, die Zitatenpredigt
nicht anerkennen. Die Vorausfetzungen: reiche Belefen-
heit und reflexionslofe innere Nötigung zur Verwendung
der Zitate finden fich bei den Predigern, ein vertrauensvolles
Verftändnis bei den Gemeinden nicht oft. Mitteilungen
aus dem feelforgerlichen Verkehr mit einzelnen
Gemeindegliedern möchten wir jedoch unter allen Um-
(fänden ausgefchloffen fehen.

Das Predigtwerk,Gott und die Seele' trägt in manchen
Eigentümlichkeiten ein allerdings nur individuell, aber
in diefer Befchränkung vollberechtigtes Gepräge; darin
allein liegt jedoch nicht fein Wert. Es hat eine hervorragende
Bedeutung, die als allgemein vorbildlich zu
bezeichnen ift, in der geiftvollen Urfprünglichkeit der
Erkenntnis und der Verkündigung des Evangeliums, die
lebenfprühend Leben weckt, in dem aufgefchloffenen
Wirklichkeitsfinn und in der geradherzigen Wahrhaftigkeit.
Daß binnen Jahresfrifl das 12. Taufend des Werkes ausgegeben
wird, ift ein Beweis, daß es nicht nur unter
Theologen, denen es zum Studium auf das wärmtte
empfohlen werden foll, fondern auch unter gebildeten
Gemeindegliedern bereits die gebührende Beachtung gefunden
hat.

Marburg. F. Chr. Achelis.

Ebers, Refer. Dr. J. U. Godehard, Das Devolutionsrecht

vornehmlich nach katholifchem Kirchenrecht. Eine
von der juriftifchen Fakultät der Univerfität Breslau
preisgekrönte hiftorifch-dogmatifche Studie zum kirchlichen
Benefizialwefen. (Kirchenrechtliche Abhandlungen
. 37. und 38. Heft.) Stuttgart, F. Enke 1906.
(XXIV, 448 S.) gr. 8» M. 16 —

Der nicht unbeträchtlichen Anzahl tüchtiger Arbeiten,
die fich in der Stutz'fchen Sammlung finden, tritt die
vorliegende Abhandlung als durchaus gleichwertig zur
Seite. Diefelbe befchäftigt fich mit dem Devolutionsrecht,
welches Verfaffer S. 270 definiert als das außerordentliche
Verleihungsrecht des nächft höheren Kirchenoberen
für den Fall, daß die zur Befetzung eines kirchlichen
Amtes oder zu entfcheidender Mitwirkung bei derfelben
berufenen Perfonen fchuldhafter Weife ihre Rechte gar
nicht oder den kanonifchen Vorfchriften zuwider ausgeübt
haben. Die von der Breslauer Juriftenfakultät
preisgekrönte Arbeit bezeichnet fich als .hiftorifch-dogmatifche
Studie zum kirchlichen Benefizialwefen' und in
der Tat wird zugleich eingehend von der Entwicklung
des Befetzungsrechtes der kirchlichen Ämter gehandelt
und zwar vielfach eingehender, als es meines Erachtens
für die Darftellung des Devolutionsrechtes unmittelbar
erforderlich gewefen wäre. Im einzelnen gliedert Verfaffer
feine Abhandlung in 3 Teile. Der erfte Teil befchäftigt
fich in umfangreicher Weife mit der gefchicht-
lichen Entwicklung; der zweite gibt eine fyftematifche
Darfteilung des Devolutionsrechts; im dritten Teile wird
von der heutigen Geltung des Devolutionsrechts, insbesondere
innerhalb des Deutfchen Reiches, gehandelt und
dabei gezeigt, inwieweit die gemeinrechtlichen Be-
ftimmungen durch die neueren Vereinbarungen mit der
Kurie aufgehoben find. Anhangsweife wird endlich die
Gefchichte und etwaige Geltung des Devolutionsrechtes
in der evangelifchen Kirche kurz erörtert. Die äußerft
gründlich gehaltene, auf quellenmäßigen Studien beruhende
Arbeit wird jedem, der Veranlaffung hat, fich
mit den behandelten Fragen zu befchäftigen, Befriedigung
und auch Anregung gewähren.

Kiel. Frantz.

Bibliographie

von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
jDeutfcbe ^Literatur.

König, E., Die Poefie des Alten Teftaments. (Wiffenfchaft u. Bildung.
11. Bd.) Leipzig, Quelle & Meyer 1907. (III, 160 S.) 8" M. 1—;

geb. M. 1.25

Zenner, J. K., Die Pfalmen nach dem Urtext. Ergänzt u. hrsg. v.
Herrn. Wiesmann, S. J. 2. Tl. Sprachlicher Kommentar. Münder
i. W., Alchendorff 1907. (IV, 63 S.) gr. 8« M. 2 -7-

Sievers, E., u. H. Guthe, Arnos. Metrifch bearbeitet. Akad. Leipzig
1907. (92 S.) Lex.-80