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Ausgabe:

1905 Nr. 14

Spalte:

402-403

Autor/Hrsg.:

Gillmann, Franz

Titel/Untertitel:

Das Institut der Chorbischöfe im Orient 1905

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung 1905 Nr. 14.

402

diefem Brief die Irrlehrer als Läfterer der böfen Engel 1
vorgeftellt feien), und einige Lücken (Dofitheus und Kleo-
bius vermißt man; bei Cerinth ift die Frage, ob erJuden-
chrift war, nicht erörtert; das über Simon und die fimo- j
nianifche Gnofis Ausgeführte ift allzu kurz) fallen kaum !
ins Gewicht gegenüber der Fülle und Korrektheit des
Gebotenen. In dem Kapitel über die Theologie ift die
Auffaffung vom Hebräerbrief, daß er eine polemifche
Spitze gegen das Judentum habe, m. E. nicht richtig; damit
ift teils zu viel, teils zu wenig gefagt. S. 367 ift ein Witz
Tertullians (Jiortulanus corpus Christi detraxit, ne lac-
tucae suae frequcntia commeantium iaedcrentur') doch wohl
zu ernfthaft genommen. S. 368 mußte gegenüber dem
Vorwurfe, die Jünger hätten die leiblofe Seele des Gekreuzigten
durch eine Totenbefchwörung aus dem Hades
heraufzitiert, die Lazarus-Gefchichte erwähnt werden;
denn fie ift von hier aus zu verftehen. Daß die Vor-
gefchichten bei Matthäus und Lukas bezw. die Vor-
ltellungen von der wunderbaren Zeugung Jefu auf heiden-
chriftlichem Boden entftanden fein müffen (S. 377), ift
recht unwahrfcheinlich, um nicht mehr zu fagcn, und fügt
fleh auch nicht zu der wohlerwogenen Zurückhaltung,
die der Verfaffer fonft in bezug auf die .religionsgefchicht-
lichen' Einflüffe in frühefter Zeit übt. Er verkennt diefe
Einflüffe nicht, wo fie deutlich find (f. die Efchatologie),
aber er fieht fehr wohl, daß bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts
das Judentum das Medium für die Einfchleppung
mythologifchen Stoffs in die Kirche gewefen ift, und daß
Hypothefen in bezug auf unmittelbare Abhängigkeit von
heidnifchen Mythologumena kaum irgendwo gerechtfertigt
lind.

Zum Schluß möchte ich es noch einmal ausfprechen,
daß der hohe Vorzug diefer Darfteilung vom erften bis
zum letzten Blatte neben ihrer Vollftändigkeit in dem
Suum cuique liegt. Sie läßt — im Unterfchied von fo
manchen neueren Verfuchen — den Dingen überall ihr
Maß und hält fich fern von jeder Übertreibung und Ein-
feitigkeit. Wie in einem ruhigen Spiegel erblickt man
den wirklichen Tatbeftand, foweit er bisher ins Klare
geftellt ift. Das ift der Vorzug einer aufs Ganze gehenden
Unterfuchung. daß fie vor Ausfeh weifungen und Verzerrungen
fchützt. Wir können die Forfchung über einzelnes
nicht entbehren und werden häufig erft durch Übertreibungen
aufverfteckte Wirklichkeitenaufmerkfam; aber
wenn der Monograph fich aufs hohe Pferd fetzt, gibts
gewöhnlich einen tollen Ritt. Der Verfaffer hat feine
Augen nach allen Seiten geöffnet und hat viele Wege
befchritten. Daß er nicht alles ausfehöpft, was in dem
4. Evangelium für die Gefchichte des nachapoftolifchen
Zeitalters gegeben ift, und die Aufhellung diefes Buchs
überhaupt nicht wefentlich gefördert hat — wer darf ihm
deshalb einen Vorwurf machen? Noch immer erwarten
wir den Gelehrten und Genius, der uns hier belehrt; bis
dahin müffen wir uns mit Fragmenten einer unficheren
Erkenntnis begnügen.

Der Druck des Werks ift fehr korrekt (die letzte
Ziffer auf S. 461 muß 342 heißen).

Berlin. A. Harnack.

Wiegand, Prof. D. Friedrich, Das apostolische Symbol im

Mittelalter. Eine Skizze. (Vorträge der theologifchen
Konferenz zu Gießen 21. Folge.) Gießen, J. Ricker
1904. (52 S.) gr. 8° M. 1 —

Der Verfaffer hat feit längerer Zeit weitgehende
handfehriftliche Studien zu dem Thema gemacht. Von
einem größeren Werke darüber, welches er begonnen
hat, erfchien 1899 der erfte Band, der freilich mehr nur
eine Einleitung zu der eigentlichen Aufgabe bot; f. dazu
meine ausführliche Befprechung in diefer Zeitfchrift 1901,
Nr. 13. In gegenwärtigem Vortrag fkizziert Verf. das,
was wohl den Inhalt des zweiten, Hauptbandes feines

Werkes bilden foll. Er hat vielerlei Intereffantes zu berichten
. In der Symbolgefchichte des Mittelalters fpiegelt
fich im kleinen die geiftige Entwicklung der Kirche
diefer Zeit. Wiegand redet frifch und lebendig; der
Vortrag gehört zu den Zierden der Serie, der er eingegliedert
ift, er hat mehr des Neuen zu bieten, als man
gewöhnlich in einem Vortrag erwartet. Zwar für den
erften Teil kommt dabei mehr nur in Betracht, daß Verf.
von bekannten Dokumenten manche neue Handfchrift zu
fignalifieren vermag. Was er bis in die Zeit Abälards
und Thomas' beibringt, ift von mir in meiner Gefchichte
des Apoftolikums auch fchon berückfichtigt; ob W.
meinen zweiten Band kennt, habe ich nicht konftatieren
können. Aber was der zweite Teil, der bis an die Zeit
Luthers heranführt, beibringt, ift gar nicht oder noch viel
zu flüchtig bisher beachtet worden. Meine Aufgabe
fchloß da, wo der jetzige textus reeeptus eben als reeeptus
feftfteht. W.s Aufgabe beginnt nicht gerade erft da, hat
aber von da ab ihr fpezififches Intereffe. Der Vortrag
zeigt, daß das karolingifche Zeitalter die Wende war, in
der man wieder anfing, das Symbol lehrhaft (nicht bloß
liturgifch) zu verwerten. Das fteigert fich dann immer
mehr. W. hat fich eine lebendige Anfchauung der
Verhältniffe gebildet, er erhebt fich zu guter Verdeutlichung
der Menfchen und Ordnungen. Immer freier,
individueller, inhaltvoller geftaltet fich die Symbolauslegung
. Erft .im 15. Jahrhundert wird die Behandlung
wieder äußerlicher, formaliftifcher. Ich habe den Vortrag
mit einer Art von Spannung bis zum Schluffe ge-
lefen und empfehle ihn jedem, den das Thema überhaupt
angeht.

Göttingen.- F. Kattenbufch.

Gillmann, Dr. theol. Franz, Das Institut der Chorbischöfe im
Orient. Hiftorifch- kanoniftifche Studie. (Veröffentlichungen
aus dem kirchenhiftorifchen Seminar München
. Herausgegeben von A. Knöpfler. II. Reihe
Nr. 1.) München, J. J. Lentner 1903. (IV, 136 S.)
gr. 8° M. 2.50

Mit eindringlichem Fleiß und Scharffinn ift in diefer
Habilitationsfchrift eines jungen katholifchen Theologen
eine vielerörterte Frage (vgl. zuletzt Parifot in der Revue
de l'Orient ehret. VI, 1901, S. iS7ff., 419fr.) in Unterfuchung
genommen worden. Völlig zu löfen wird fie
wohl nicht fein, d. h. die eigentliche Entftehung und ur-
fprüngliche Bedeutung des Chorepifkopats wird wohl im
Dunkel bleiben. Aber der Charakter, den diefes Inftitut
im 3. Jahrhundert und fpäter hatte, die Umftände, unter
denen es verfchwunden bezw. umgebildet ift (das Amt
des fog. Weihbifchofs ift im wefentlichen an feine Stelle
getreten), laffen fich, wenn nicht unbedingt, fo doch mit
großer Wahrfcheinlichkeit klarftcllen. Das beweift die
Schrift des Verf.s, die ich im allgemeinen für abfchlicßend
anfehen möchte. Im Abendland hat fich der Chorepi-
fkopat fpäter und, wie es fcheint, in geringerem Umfange
gebildet, dann aber auch länger erhalten als im Orient,
bezw. in den griechifchen Teilen desfelben (die Maroniten
haben den Chorepif kopat noch heute). Gillmann will
den Chorepif kopat des Weftens, dem Jul. Weizfäcker
zuletzt eine (nicht vollftändige, aber das wichtigfte Gebiet
desfelben, das Frankenreich behandelnde) Monographie
widmete (1859), in einer weiteren Schrift beleuchten; in
der gegenwärtigen hält er fich ausfchließlich an den Often.
Er handelt einleitungsweife von Begriff und Namen des
XmQEJtiOxojtoq, dann in drei Kapiteln von der ,äußeren
Gefchichte des Chorepifkopats', von dem ,Weihegrad'
und von der jurisdiktionellen Stellung' der Chorbifchöfe.
Die .Landbifchöfe', d. h. die Bifchöfe (G. zeigt überzeugend
, daß ihr ,Weihegrad' der vollftändige ,bifchöf-
liche' war), die keine ,Stadt' als Diözefe befaßen, müffen
in irgend einem Sinne einen anderen, geringeren Charakter

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