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Ausgabe:

1904 Nr. 25

Spalte:

690-691

Autor/Hrsg.:

Merkle, Sebastian

Titel/Untertitel:

Reformationsgeschichtliche Streitfragen 1904

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 25.

690

Luther als Dichter und Komponift tritt in etwas | jedenfalls ein Beglaubigungsfchreiben für Johann v.Mecheln

andere Beleuchtung, als wir es gewohnt find. Luthers
Geburtsjahr ift neu unterfucht, für die Rückkehr nach
Erfurt und die dortige Tätigkeit, die Zeit der Romreife,
Winter 1511/12, neues Licht gewonnen, und wahrfchein-
lich gemacht, daß Luther den Papft Julius II. in feiner
Pracht gefehen hat. Der Wartburgaufenthalt, die Rückkehr
nach Wittenberg und der Kampf gegen die
Schwärmer hat beftimmtere Züge bekommen, die neuentdeckten
Lutherfchriften und Fickers Lutherfunde in Rom
find berückfichtigt.

Willkommen ift die beffere Einteilung der Kapitel
in Unterabteilungen und der kleinere, aber doch deutliche
Druck für den Inhalt der Lutherfchriften, der es
neben den Kürzungen möglich machte, daß der Umfang
des ganzen Werks nicht zu fehr anfchwoll.

Da und dort wird noch Raum zu Berichtigungen
bleiben. So ift auffallend, daß immer noch Konrad von
Thüngen, der die evangelifch gefinnten Würzburger
Domherren Joh. Apel und Friedrich Fifcher gefangen
fetzte, Bifchof von Bamberg ftatt Würzburg genannt
wird (1, 597). 1, 49 erfcheint jetzt der Lehrer Luthers,
der Auguftiner Paltz als Joh. Genfer von Paltz, ohne daß
der Verbuch gemacht wäre, den Namen Paltz zu erklären
und die Heimat des Mannes nachzuweifen. Einen
Ort Paltz gibt es nicht, an Palzem im Kreis Saarburg

und Luther, das den Kern des Streites kurz wiedergeben
dürfte, aber doch wohl auch Eingaben der Abgefandten
felbft, wie die Entfcheidung der Kurie, zu finden fein.

Der Ordensbruder, der Luther auf der Reife nach
Heidelberg begleitete, kann doch kein anderer fein, als
fein Schüler und Heidelberger Refpondent Leonh. Beier
aus München (1, 173) 1, 222 Z. 26 ift die Form Breves ftatt
Breven oder Brevien zu beanftanden. In der Anmerkung
S. 787 zu 1, 614, 1 wäre die wichtige Schrift H. Haupt,
Beiträge zur Reformationsgefchichte der Reichstädt
Worms (1897) nicht zu vergeffen. 2, 484 Z. 8 ift aus
Köftlins ,einem uns unbekannten Lehrer' geworden
,einem uns bekannten'. Dann aber follte er auch mit
Namen genannt fein. Schlaginhauffens präzifierter Name
Tipontius 2, 670, 1 zu 2, 393 ift wohl zu lefen Tiptoncius
(von xvjixco und oyxoq ,moles, qua qtiis premitud).
S. 2, 680 zu 487, t ift die Heimat des Jodocus Neuheller]
Neobolos, nicht richtig erklärt. Er ift nicht von Lauterburg
im El faß, fondern von Ladenburg bei Heidelberg,
dem alten Lupodunum im Lobdengau, wie fchon in'
,Luther und Württemberg' S. 46 nachgewiefen ift. Im
Regifter 2, 696 ift bei Ambrofius auf Catharinus zu ver-
weifen, da der Dominikaner Ambrofius 1, 389 kein anderer
ift als Ambrofius Catharinus. S. 697 ift bei
Bamberg Bifchof Konrad 1, 597 Bamberg zu ftreichen,

ft gewiß nicht zu denken. In den Bl. f. württb. K.-G. j wie bei Konrad S. 702, dagegen bei Würzburg Konrad

7, 71 (1892 Beibl. zum evgl. Kirchen- und Schulblatt)
hat Ref. den Mann für Schwaben in Anfpruch genommen
und auf den häufigen Wechfel von B, P und W auf-
merkfam gemacht. Seidemann hat in feinem Jakob
Schenk S. 88 die Wittenberger Studenten aus Waldfee
zufammengeftellt. Dort erfcheint der Name in der Form
Baltze, Waltze und Waltzen. Kawerau aber hat in der
Befprechung des erften Bandes von Enders' Luthers
Briefwechfel 1,19 die Notiz beigebracht, daß der Auguftiner
feine Heimat als patria stagnalis kennzeichnet. Das
paßt vortrefflich zu Waldfee, das an zwei Seen liegt.
Noch mehr fpricht die Form des Familiennamens, der
bei Kolde, Die deutfehe Auguftinerkongregation S. 174

1, 597 einzufetzen und bei Bamberg Georg von Limpurg
I, 585 und Weigand von Redwitz 2, m einzufügen. &
Zum Schluffe feien noch der gute Druck und die
faubere Ausftattung, befonders aber der billige Preis
hervorgehoben, der es möglich macht, daß das fchöne
Werk Köftlins Gemeingut der Theologen werden kann.
Nabern. G. Boffert.

Merkle, Prof. D. Dr. Sebaftian, Reformationsgeschichtliche
Streitfragen. Ein Wort zur Verftändigung aus Anlaß
des Prozeffes Beyhl-Berlichingen. München 1904,
Kirchheim. (VIII, 76 S. 8.) M. 1.20

noch Zenfer lautet, für die Herkunft aus dem ober- I Den Kern diefes Schriftchens bildet das Gutachten,

fchwäbifchen Waldfee, denn im heutigen württb. Ober- j das der Verfaffer auf Veranlaffung des Amtsgerichts Würzamt
Waldfee findet fich der kleine Ort Genfen. Damit 1 bürg in dem Prozeffe Beyhl-Berlichingen abgegeben hat.
dürfte Oberfchwaben als die Heimat des Verfaffers der ! ,Dasfelbe war anfänglich nicht zur Veröffentlichung be-
Cclifodiua erwiefen fein. , ftimmt. Erft die unglaublich leichtfertigen und gehäffigen

Die Bekanntfchaft mit Paltz wird wohl die erfte Ge- j Entftellungen und Verdrehungen meiner Worte in einer
legenheit für Luther gewefen fein, die fchwäbifche oder j Anzahl von Tagesblättern nötigen mich, die Sache vor

das Forum der Wiffenfchaft zu bringen, um nicht einigen
Parteifkribenten, bei denen Unwiffenheit und Frivolität
fich die Wage halten, allein das Wort zu laffen'.

Die Bedeutung der kleinen Schrift liegt in der Perfon
ihres Verfaffers und in ihrer Vorgefchichte. Sieht man
davon ab, fo enthalten die Blätter nichts Ungewöhnliches:
ein katholifcher Klopffechter — diesmal jedoch ein fo
fchlimmer und fo frivoler, wie wir ihn noch nicht erlebt
haben — hat alte Lügen über Luther verbreitet (zu
neuen reichte es kaum irgendwo). Ein guter Kenner der
Reformationsgefchichte tritt ihm entgegen und weift ihm

allgäuifche Sprache kennen zu lernen, die aber auch lein
Wittenberger Amtsgenoffe Joh. Stob gen. Gunckelin von
Wangen im Allgäu (vergl. des Ref. Luther und Württb.
1883 S. 19) und die durch ihn nach Wittenberg gezogenen
Wanger Matthäus und Rudolf Ratzeberger,
Crifpin Metzfeld, Matthäus Wyfer, Konrad Gunckelin
und die Waldfeer Michael und Jakob Schenk, Matthäus
Krat, Kafpar Bendel, Chrift. Fürftenheufer fprachen.
Damit fällt das 1, 95 aus der fchwäbifchen oder allgäu-
ifchen Ausfprache des Wortes ,daas' gewonnene Argument
für die fonft ganz wahrfcheinliche Richtung des

Rückwegs auf der Romreife von Mailand nach Augsburg j mit leichter Mühe, aber unwiderfprechlich, haarfträubende
über das Allgäu und Oberfchwaben, wobei namentlich Unwiffenheit (auch in katholifchen Dingen) und nichts-
Memmingen mit feinem Auguftinerklofter in die Wag- würdige Leichtfertigkeit nach. Es handelt fich, wie be-
fchale fällt. merkt, faft überall um längft erledigte Punkte, nicht um

Die Romreile, fo viel fie jetzt aufgehellt ift, gibt j Probleme; oder vielmehr: es handelt fich um den Ein-
noch mehrfache Rätfei auf. Ref. kann der Angabe des | bruch eines Freibeuters, der fo untaugliche Waffen führt,
Cochleus kein Gewicht beilegen, daß Luther fich erft im 1 daß fein Unternehmen auf einem konfeffionell neutralen
Gegenfatz zu Staupitz befunden und fpäter zu ihm ab- j Gebiete irgend welche Beachtung überhaupt nicht gefun-
gefallen fei, was Luther in feinen Tifchreden gewiß nicht j den hätte. Auf dem reformationsgefchichtlichen Gebiete
verfchwiegen hätte. Das, was Cochleus aus dem Munde mußte man leider Notiz von ihm nehmen; das ift cre-
alter Ordensgenoffen ungünftiges gegen Luther erhafcht fchehen, und der Freiherr hat erhalten, was er verdient,
haben will, ift kaum von Bedeutung. Der Haß ift ein Er ift aus der Reihe der Hiftoriker, und nicht nur aus
fchlechter Hiftoriker. Auffallenderweife hat Denifle nicht diefer Reihe, geftrichen.

einmal die Streitfrage, welche die Auguftiner bewegte, Das Gericht hat der Profeffor der Kirchengefchichte

aus dem vatikanifchen Archiv ganz aufgehellt; dort müßte in Würzburg, Merkle, alfo ein Konfeffionsgenoffe des