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Ausgabe:

1904 Nr. 20

Spalte:

569-571

Autor/Hrsg.:

Hoensbroech, Graf Paul von

Titel/Untertitel:

Der „Zweck heiligt die Mittel“. 3., umgearb. u. verm Aufl 1904

Rezensent:

Tschackert, Paul

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569 Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 20. 570

Beweisführung ift als terminus a quo der Frühling 1516 ' fachlich (wenn auch nicht wörtlich) in der Tat oft genug
anzunehmen. Aber die Verfe 109—112 fcheinen das Ge- j in Jefuitenfchriften findet. Ich flehe nicht an, diefer
dicht in die Kampfeszeit Luthers gegen den Papft zu Arbeit Graf Hoensbroechs einen hohen Wert beizumeffen.

rücken. Denn der einft dem Papft treu ergebene Mann
nennt hier den Löwen (Leo) ,voll viel arger untreuer
Lift', der als ,röubig' (räuberifch), flüchtig und ,nimmer
unangerent' d. h. ftets zu bekämpfender Feind erkannt
werde. Man wird dann auch den Schluß des Gedichtes
darauf anfehen müffen, ob hier nicht Anklänge an Luthers
erfte Schriften zu finden find. Vgl. z. B. ,der wärcken
lär niemans ghein geduld, ghein lieb weift' Z. 224fr.

Zeitlich würde nun Zwingiis Abfchrift der paulinifchen
Briefe aus dem griechifchen Teftament des Erasmus, die
das Datum des März 1517 trägt, mit den Randbemerkungen
(vgl. Ufteris Arbeit in den Stud. u. Krit. 1885) folgen
fie ift aber mit gutem Grund zu der Gruppe der exege

Er hat fielt in ihr das wiffenfehaftliche Verdienft erworben
, eine große Anzahl von Stellen aus Jefuitenfchriften
beigebracht zu haben, auf die rein proteftantifche Hifto-
riker bisher nicht geftoßen waren. Seine Arbeit wird
durch diefe Quellenfammlung von dauerndem Werte
bleiben.

Es ift bekannt, daß lieh der Satz ,Der Zweck heiligt
die Mittel' nicht wörtlich in Jefuitenfchriften findet.
Darüber find alle Parteien einig. Es fragt fich nur, ob
das durch diefen Satz mit nackter Deutlichkeit ausge-
fprochene Urteil fachlich in Jefuitenfchriften ausgefprochen
ift. Nebenfache ift dabei, ob das Objekt fingularifch
oder pluralifch (,das Mittel' oder ,die Mittel') ausgedrückt

tifchen Schriften gewiefen. Ziemlich genau ließ fich j wird. Auch ift bei der Unterfuchung das deutfehe

Zwingiis dreifaches Peftlied datieren, wozu er felbft die
Melodie komponierte. Ks gehört in das Ende des Jahres
1519. S. 67, Z. 14 ift ein Komma ftatt des Ausrufzeichens
zu fetzen, da Z. 15 ein zweites Prädikat bringt. Z. 23 ift
,hafft' in CD doch kaum etwas anderes als Druckfehler,
denn es könnte nur Gefangenfchaft oder Hafte bedeuten,
was beides keinen Sinn gibt, aber nicht .Gefangener', wobei
auch das Bild zerftört wäre. Den Schluß bildet die
Einleitung zu Zwingiis Zeugenausfagen und Predigtworten
zu den Soldverträgen mit dem Ausland.

Was die erfte Lieferung gibt, ift nur erft ein Vorfpiel
von Zwingiis Werken, aber es zeigt doch fchon die
Tüchtigkeit der Arbeit, welche Egli und Finaler den
Werken des Züricher Reformators widmen, deren neuer
Ausgabe nur ungeftörtes F'ortfchreiten zu wünfehen ift.

Nabern. G. Boffert.

Hoensbroech, Graf Paul von, ,Der Zweck heiligt die Mittel.'

Eine ethifch-hiftorifche Unterfuchung nebft einem
Epilogus galeatus. Dritte gänzlich umgearbeitete und
ftark vermehrte Auflage. Berlin 1904, C. A. Schwetfch-
ke & Sohn. (III, 112 S. gr. 8.) M. 2.—

Den Anlaß zur Abfaffung diefer Schrift gab der
Zentrumsabgeordnete Kaplan Dasbach aus Trier, der
in einer Katholikenverfammlung zu Rixdorf bei Berlin
am 31. März 1903 fich öffentlich erbot, demjenigen zweitaufend
Gulden zu zahlen, der aus Jefuitenfchriften eine
Stelle nachzuweifen vermöge, in welcher der Grundfatz
gelehrt werde ,Der Zweck heiligt die Mittel'. Dasbach
ift des guten Glaubens, daß man den Jefuitenorden mit
Unrecht befchuldige, diefen Satz zu lehren, und fo tat
er diefes öffentliche Angebot, um für den angefeindeten
Orden Stimmung zu machen. Graf Hoensbroech nahm
ihn beim Worte, erklärte fich bereit, den von Dasbach
gewünfehten Nachweis zu erbringen, und veröffentlichte
in der von ihm herausgegebenen Zeitfchrift .Deutfchland',
im Julihefte des Jahrganges 1903, das von ihm zufammen-
gebrachte Beweismaterial. Gleichzeitig ließ er es unter
obigem Titel als feparate Schrift erfcheinen und jetzt
liegt diefe bereits in .dritter gänzlich umgearbeiteter und
ftark vermehrter' Auflage vor uns. Da Dasbach ablehnte,
anzuerkennen, daß fich Graf Hoensbroech durch die Beibringung
diefes Beweismaterials den ausgefetzten Preis
verdient habe, fo übergab der Verfaffer die Entfcheidung
dem Gericht, indem er den Kaplan Dasbach bei dem
Landgericht in Trier verklagte. In den Gang diefes
Prozeffes laffen wir uns hier nicht ein; er ift aus den
Zeitungen bekannt; unfere Aufgabe ift die rein wiffen-
Ichaftliche, eine fachgemäße Rezenfion der Schrift Hoensbroechs
zu liefern. Seine Polemik gegen Dasbach und
deffen Hintermänner laffen wir hierbei auch gänzlich aus dem
Spiele; denn wiffenfehaftlich wertvoll ift für uns nur der
hiftorifch-kritifche Teil der Schrift, welcher den Nachweis
bringt, daß fich der Grundfatz ,Der Zweck heiligt das Mittel',

Wort .heiligt' nicht zu preffen; denn es ift eine derbe
Übertragung des lateinifchen jtonestat, hat alfo den Sinn
von ,macht ehrbar, macht fittlich gut'. Es kommen ja
nur lateinifche Jefuitenfchriften in Betracht; aus ihnen
muß feftgeftellt werden, ob fich Gedanken darin finden,
die fachlich ausfagen, daß durch den Zweck ein Mittel
den Charakter der Ehrbarkeit, des Gutfeins im tittlichen
Sinne erhält, den es an fich nicht hat. Es handelt fich
alfo hierbei immer um an fich fittlich fchlechte, nicht um
fogenannte indifferente' Mittel. Nun foll nicht geleugnet
werden, daß es Jefuiten genug gibt, die es für unzuläffig
erklären, zur Erreichung eines guten Zweckes an (ich
fchlechte Mittel zu verwenden; aber zahlreiche andere
Schriftfteller des Ordens haben dennoch die umgekehrte
Praxis für erlaubt erklärt. Nun haben wir proteftan-
tifchen Schriftfteller, die wir dem Orden dies zum Vorwurf
machten, meift folche Stellen z. B. aus Escobar,
Bufenbaum und anderen benutzt, die die anftößige Praxis
nicht deutlich genug zum Ausdruck bringen. Graf Hoensbroech
dagegen führt andere und zwar fo deutliche
Stellen an, daß jeder Zweifel ausgefchloffen wird. Er
weift darauf hin, daß in den jefuitifchen Moralfchriften
die fragliche Sache in der Regel in dem Kapitel ,de
scandalo' behandelt wird. Da hat z. B. der Jefuit Paul
Laymann (f 1635) in feiner Schrift Theologia moralis,
Monachii 1625 (bei Hoensbroech S. 19 — 21) gelehrt, daß
man einem Menfchen, der den feften Entfchluß gefaßt
hat, eine größere Sünde, z. B. einen Ehebruch, zu begehen
, den Rat geben darf, eine kleine Sünde, z. B. Unzucht
mit einer Unverheirateten, zu begehen. Und Laymann
fügt felbft dabei hinzu, daß in diefem Falle absolute
suadetur quod bonum est, siquidem ex duobus malis
si alterum eligendum sit, bonum est, eligere minus1. Der
Rat, Unzucht mit einer Unverheirateten zu treiben, ift
aber ein Mittel, das nach allgemein menfehlichen und
fpeziell chriftlichem Urteil fchlecht ift und unter allen
Umftänden fchlecht bleibt, mag der Zweck, den man
dadurch erreichen will (die Verhinderung des Ehebruches)
auch noch fo gut fein. Nach der Moral des Jefuiten
Laymann dagegen ,suadetur bonum''. Und der Jefuit
Ferdinand de Castropalao { 1633) [Operis moralis pars
prima t. 6 Lugd. 1669, bei Hoensbroech S. 21—30) lehrt
ein ,Honestari permissionem [peccandi]': es fei erlaubt
einem anderen Gelegenheit zur Sünde zu bieten oder die
gebotene Gelegenheit nicht zu befeitigen, damit er dabei
ertappt und gebeffert werde. Diefer Zweck ift ihm eine
,sufficicns causa honestandipermissionem'. (,Licitum esse,
offerre delinquentibus occasionem peccandi ob bonos fincs').
Gelegenheit zur Sünde zu geben, ift nach dem Urteil
aller, die die fünfte Bitte des Vaterunfers beten, fchlecht;
nach Caftropalao aber ift es erlaubt und fogar .ehrbar'.
Der gute Zweck .honeftiert' das Mittel.

Wer den Ausdruck ,der Zweck heiligt die Mittel'
in Deutfchland geprägt hat, wird fich nicht mehr feft-
ftellen laffen; er läuft bei uns im Volksmund um; fachlich
- enthält er aber nichts anderes als was Caftropalao