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Ausgabe:

1904 Nr. 18

Spalte:

509-513

Autor/Hrsg.:

Karo, Georgius

Titel/Untertitel:

Catenarum graecarum catalogus 1904

Rezensent:

Heinrici, Carl Friedrich Georg

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509 Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 18. 510

den beftimmten Nachweis zu verfuchen, ob die betreffenden
Ausfagen auf fchriftlicher oder mündlicher Tradition
beruhen, und ohne in feinen Darbietungen fyftematifche
Vollftändigkeit anzuftreben. S. 238 wird dann dasfelbe
Thema noch einmal behandelt und hier allerlei zu dem
S. 2 ff. Gebotenen hinzugefügt; Stellen, die K. S. 2 noch
nicht bietet, werden nachgetragen, weitere Hinweife zur
Löfung der Frage, ob mündliche oder fchriftliche Traditionen
, nachgebracht. Unter diefen Umfländen muß man
fich oft die betreffenden Angaben des Verfaffers in dem
ganzen Buch zufammenfuchen, wenn man ftraffe Nachweife
und überhaupt einen Überblick über das Dargebotene
haben will. Trotzdem ift das Buch als Materia-
lienfammlung und Grundlage für weitere Unterfuchungen
der ToFdoth eine fehr dankenswerte Arbeit. Daß die
ToFdoth zur Eruierung des Tatfächlichen im Leben
Jefu wertlos find, gibt auch K. zu. Allenthalben äußert
fich, wie fern die ToFdoth dem neuteftamentlichen Stoffe
flehen und wie eng fie dagegen mit Talmud und Mi-
drafch, Korän und Apokryphen zufammenhängen.

Wittenberg. Paul Fiebig.

Karo, Dr. phil. Georgius, et Lic. theol. Iohannes Lietz-
mann, Catenarum graecarum catalogus. (Aus: Nachrichten
der K. Gefellfchaft der Wiffenfchaften zu Göttingen
. Philologifch-hiftorifche Klaffe. 1902. Heft 1.3. 5.)
(III u. S. 1—66, S. 299—350 u. S. 559—621. 4.)

Nachdem Lietzmann in feiner Schrift ,Katenen, Mitteilungen
über ihre Gefchichte und handfchriftliche Überlieferung
' (1897, vgl. dazu meine Befprechung DLZ. 1898
Sp. 905—909) einen orientierenden Vorbericht voraufge-
fchickt hatte, iß nunmehr auf Grund fruchtbarer Zu-
fammenarbeit von ihm und Karo der verheißene Katenen-
katalog erfchienen. Wer die Arbeit überfieht und ihre
Mühen kennt, würdigt den Stoßfeufzer am Schluß, der
von einem Katenenfchreiber übernommen ift:
LFovxojiXojovoi otavXa Xi/irjo xmv növmv
Kogtjßaxovai xigfia xov dgo/iov uioXtq
Kai xols ygacpovöi vao/za xrjc ßißXov x£Xoq.
Weit mehr als vierhundert Handfchriften find gebucht,
foviel als irgend den Verfaffern des Katalogs erreichbar
waren. Faß alle find von ihnen eingefehen und geprüft
worden. Nur die in fpanifchen Bibliotheken vorhandenen
blieben außer Betracht, die — 39 an der Zahl, 53 Katenen
und 28 Katenentypen — jüngß Faulhaber (Biblifche Zeit-
fchrift 1903 S. 151 f. 246t. 351 f.) charakterifiert hat. Somit
find wir jetzt in der Lage, in bequemer Weife uns über
mehr als 450 Katenen, von denen bisher nur ein kleiner
Teil durch den Druck zugänglich gemacht worden iß,
Kechenfchaft zu geben. Das iß ein großer Fortfehritt
für die Wertung diefer mehr und mehr beachteten Gruppe
der patrißifchen Literatur; denn wie zerßreut ift das handfchriftliche
Material in den Bibliotheken der chriftlichen
Welt!

Nach Lage der Sache ift es richtig, daß die Verfaffer
fich auf die griechifchen Katenen befchränkt haben und
von den Überfetzungen und den lateinifchen Katenen abfallen
. Aber betreffs der fonftigen Abgrenzung des Stoffs
erheben fich Bedenken. Die Grenzen zwifchen den Katenen
und den Kommentaren byzantinifcher Gelehrten
find fließende. Die Kommentare des Procopius, Niketas,
Oecumenius, Theophylakt u. a. find alle Sammelfchriften,
wie die Katenen. Von diefen ift aber ein bedeutender
Teil, z. B. des Procop Kommentar zum Jefaias {ed. et
trad. loh. Curterius. Paris 1580), des Euthymius Kommentar
zu den 4 hlvangelien {ed. Matthaei 3 Bde. Leipzig
1792), ebenfo der des Theophylakt (griechifch herausgegeben
Rom 1542), des Oecumenius Kommentar zu den
katholifchen Briefen {ed. loh. Hentenius Frankfurt 1610)
nicht einbezogen. Befonders ferner fällt auf, daß die
Apokalypfe mit ihrer gewichtigen exegetifchen Literatur

nicht berückfichtigt ift (vgl. dazu Cramer, Catenae Grae-
corum Patrum etc. Bd. 8 S. IV). Daß die Hergehörigkeit
derfelben als felbftverftändlich angefehen wurde, beweift
die Tatfache, daß die Katene zu den Paulusbriefen
und der Sammelkommentar des Arethas zur Apokalypfe
öfter in derfelben Handfchrift fich finden.

Die Katenenforfchung hat im letzten Jahrzehnt einen
bedeutenden Auffchwung genommen. So konnte der
Katalog fich auf die namhaften Arbeiten von Gregory,
Faulhaber, Sickenberger, Mercati u. a. nützen, von Sodens
kritifcher Unterbau zum Neuen Teftament ift noch
nicht berückfichtigt. Von den älteren Forfchern ift auch
mancherlei noch brauchbares geliefert, das ausgiebigere
Beachtung verdient hätte. So bietet der liebenswürdige
Polyhiftor Lami in feinen Deliciae eruditorum abgefehen
von der Ausgabe des Niketaskommentars zu 1 Kor. 1—8
aus Cod. Laur. IX 10 beachtliches, und er dürfte auch
wohl Recht behalten, wenn er den Niketas als den wirklichen
Verfaffer des Sammelkommentars anfleht, in dem
befonders Oecumenius ausgenutzt ift (gegen Lietzmanns
Fragezeichen S. 606). Viel ergiebiger noch find Matthaeis
Beigaben zu feiner großen Ausgabe des Neuen Teftaments,
auf die zumeift erft die Nachträge (S. 619) aufmerkfam
machen. Vor allem fügt Matthaei zu den Theffalonicher-
briefen (S. 181 f.) einen trefflichen Katalog von moskauer
Kommentar-Handfchriften zum Neuen Teftamente bei.
Auch im Anhang zu feiner, von L. nicht berückfichtigten
Ausgabe der Markuskatene (Bixxcogoq ngeößvxtgovAvxio-
XEiag xal aXXcov rivmv ay'uov Jiaxsgcov egz/ywöZc eic xb
xaxa Mägxov äyiov avayyeXtov. Moskau 1775 2 Bde.) gibt
er reiches Material. In feinem handfehriftlichen Nachlaffe
lagern gleichfalls noch wertvolle Abfchriften und Exzerpte
zur Katenenliteratur (vgl. den Katalog feiner Bibliothek
von Rodosskij Petersburg 1885 S. I04f.).

Jedenfalls aber ift der erfte umfaffende Katenenkatalog,
den Karo und Lietzmann den Mitforfchern gefchenkt haben,
ebenfo durch die bisher nicht erreichte Vollftändigkeit,
wie durch die Sorgfalt und Umficht, mit der er angelegt
und durchgeführt wurde, wohl geeignet, das Orientierungsbuch
für alle weitere Arbeit zu werden. Er gibt ein klares
und fachgemäßes Bild von dem Tatbeftande der handfehriftlichen
Überlieferung, infoweit dies eben im Rahmen
eines Katalogs möglich ift. Selbftverftändlich find die
Angaben da, wo bereits eindringendere Unterfuchungen
vorlagen, reicher und beftimmter; fo beim Oktateuch, bei
den Pfalmen, bei Jefaias, bei den Evangelienkommentaren.
Bei letzteren allerdings bedarf Marcus der Ergänzung,
außerdem auch die meiften Schriften des Apoftolos. Aber
folche Ungleichheiten find bei dem Stande der Forfchung
fchwer zu vermeiden. Der bleibende Wert des Katalogs
ift durch die überfichtliche und zweckmäßige Weife, in
der er das weit auseinanderliegende und nach feinen Beziehungen
oft fchwer zu beftimmende Material darbietet,
wohl gefichert. Die Schranken und Lücken ihrer Arbeit
haben fich übrigens die Herausgeber keineswegs verhehlt.
In dem fehr knappen Vorwort, bei dem ich eine bequemere
Überficht der Sigla gewünfeht hätte, machen fie fehr benimmt
darauf aufmerkfam und halten offen, daß fie Berichtigungen
erwarten.

Die Anlage des Katalogs ift folgende-. Die Katenen
werden in drei Hauptteile gefondert: die Katenen zu den
hiftorifchen Büchern des Alten Teftaments, die zu den
Hagiographen und den Propheten und die zu den neuteftamentlichen
Schriften. Für die einzelnen Schriften
werden zuerft die im Druck veröffentlichen Katenen
angegeben, auch die bereits gedruckten Fragmente einzelner
in denfelben genannter Schriftfteller — letzteres
eine befonders dankenswerte Leiftung in Anbetracht
der Verftreutheit des Materials. Es folgt dann nach
den verfchiedenen Typen, die fich ausfeheiden ließen,
gefondert, die Uoerficht über die Handfchriften mit ungefährer
Angabe ihres Alters. An der Spitze der einzelnen
Gruppen wird das Gefamtbild des betreffenden Typus