Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1900 Nr. 6

Spalte:

167-171

Autor/Hrsg.:

Charles, R.

Titel/Untertitel:

A critical history of the Doctrine of a Future Life in Israel, in Judaism, and in Christianity 1900

Rezensent:

Schürer, Emil

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

167

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 6.

168

.Wörterbuch', ein Refultat vieljährigen Fleifses, rafch gefolgt
und damit einem dringenden Bedürfnifs in dankens-
werther Weife abgeholfen worden. Aus dem Umfange der
Arbeit, welche etwa 2500 griechifche und lateinifche Wörter
behandelt, erhellt ihre Wichtigkeit für die neuhebräifche
Lexikographie. Die Belegftellen find mit grofser Voll-
fländigkeit gefammelt, für viele falfche Lesarten wird das
Beffere an die Hand gegeben, die wichtigften Deutungs-
verfuche früherer werden mitgetheilt, Verweife auf
Schriften, welche Einzelnes befonders behandeln, werden
gegeben und der Verf. hat eine ganze Zahl eigener
neuer Deutungen vollzogen. Allerdings ifl er dabei der
Gefahr nicht entgangen, griechifche Fremdwörter auch
da finden zu wollen, wo femitifches Sprachgut vorliegt,
und eine Erklärung geben zu wollen, wo Unerklärbares
vorliegt. Aber der damit zufammenhängenden Unvoll-
kommenheit feines Werkes hat er felbft dadurch abgeholfen
, dafs er den berufenften Kritiker für diefe Dinge,
Immanuel Low, zur Mitarbeit gewann. Diefer hat mit
gutem Tact Zweifelhaftes und Unmögliches vom Guten
gefondert und öfters einer von Kr. mit Unrecht verworfenen
Erklärung zu ihrem Rechte verholfen. Er hat
aufserdem ein doppeltes Regifter der griechifchen und
lateinifchen Wörter, ein fachlich- und ein alphabetifch-
geordnetes, beigefügt, und durch das letztere auch archäo-
logifchen Studien einen Dienft geleiftet. Low hat durch
feine offenherzige Kritik, deren Aufnahme Kr. zum Lobe
gereicht, dem Ree. wenig zu thun übrig gelaffen. Was
Ree. bei der Grammatik des Verf. rügte, gilt allerdings
auch hier. Der Textapparat, über den Kr. verfügte, ift
ganz ungenügend. Auf Grund neuerer Ausgaben von
Midrasch rabba und Talmud Jeruschalmi hat man kein
Urtheil über die Lesarten derfelben, und auch neben den
Buber'fchen Ausgaben müffen die erften Drucke ftets befragt
werden. Kr. befchwert fich im Vorwort, dafs Ree.
in der Befprechung der Grammatik ihm die Behauptung
untergefchoben habe, die Juden hätten griechifches r
wie 1 ausgefprochen, während er doch gefagt habe, dafs
die itaeiflifche Ausfprache nicht die alleinherrfchende ge-
wefen fein könne. Ich kann den von mir damals gebrauchten
Ausdruck jetzt nicht fefiflellen. Zu rügen war
aber damals ebenfo wie jetzt, dafs der Verf. auf die fehr
alte jemanitifche Ausfprachetradition keinerlei Rückficht
nimmt und bei der Transfcription in Bezug auf Itacismus
und Silbentheilung ohne Weiteres von der traditionellen
Ausfprache ausgeht, welche die Wörter eben nur aus
den Büchern kennt. Ein Studium der Behandlung
griechifcher Fremdwörter im lebenden Arabifch würde
ihn davor behütet haben. Trotz Allem bleibt fein Werk
ein verdienftvolles, und es ift nur zu wünfehen, dafs die
perfifchen Fremdwörter derfelben Literatur in gleicher
Weife behandelt werden.

Aleppo. G. Dalman.

Charles, Prof. R. H., D. D. A critical history of the Doctrine
of a Future Life in Israel, in Judaism, and in Christianity

or hebrew, jewish, and Christian eschatology from
pre-prophetic times tili the close of the New Testament
canon. London, A. and Ch. Black, 1899 (X,
428 S. gr. 8.) Sh. 15.—

Erft vor wenigen Jahren hat Prof. Salmond in Edinburgh
ein umfangreiches Werk über die chriftliche Lehre
von der Unfterblichkeit veröffentlicht (The Christian doc-
trine of immortality, Edinburgh, Clark, 1895, 703 S.).
Es ift ausfchliefslich der Darfteilung der biblifchen Lehre
gewidmet und behandelt diefe mit grofser Sorgfalt, wenn
auch nicht immer mit hiftorifcher Unbefangenheit (vgl.
die Anzeige von Clemen, Theol. Litztg. 1896, 429—432).
Nun erfcheint abermals ein gröfseres englifches Werk
über denfelben Gegenftand. Der Verf. (jetzt Professor
of Biblical Greek, Trinity College, Dublin) hat fich be- |

reits durch Herausgabe verfchiedener apokalyptifcher und
apokryphifcher Texte als hervorragenden Kenner auf
diefem Gebiete ausgewiefen. Sein neues Werk ifl die
reife Frucht langjähriger Vorarbeiten. Es behandelt den
Gegenftand in ftreng hiftorifchem Sinne. Von den elf
Capiteln des Buches find 4 dem Alten Teftamente, 4 der
apokryphifchen und apokalyptifchen Literatur und 3 dem

I Neuen Teftamente gewidmet.

Cap. I behandelt ,die Efchatalogie des Individiums'
vor dem Aufkommen desUnfterblichkeitsglaubens (S. 1—
50). Der Verf. holt weit aus, indem er zunächft den
israelitifchen Jahwe-Glauben überhaupt darftellt (S. 1—•IÖ).
Die ältefte ,Efchatologie des Individiums' ift nicht ein
Lrzeugnifs diefesJahwe-Glaubens, fondern heidnifchen Ur-

I fprungs, aus dem Ahnencultus erwachfen (S. 19 fr.). Es
laffen fich aber zwei Anfchauungen vom Zuflande nach
dem Tode vor dem Aufkommen des Unfterblichkeits-

i glaubens, unterfcheiden. Nach der einen haben die Ab-

| gefchiedenen eine Kenntnifs von den Angelegenheiten

j ihrer Nachkommen auf Erden und können hilfreich auf
ihr Gefchick einwirken (S. 39 ff.); nach der anderen hört
thätfächlich in der Scheol alles Wiffen und Leben auf
(S. 41 ff.). Jenes ift die ältere, aus dem Ahnencultus erwachsene
Anfchauung, diefes die jüngere, im Prophetismus
wurzelnde. Man wird hier lebhaft anRohde's Dar-
ftellung des griechifchen Seelenglaubens erinnert, wonach
die homerifche Vorftellung von dem fchattenhaften, keines
Wirkens mehr fähigen Dafein im Hades als eine Läuterung
des älteren Glaubens an ein unheimliches Wirken
der Abgefchiedenen erfcheint (vgl. Theol. Litztg. 1899,
193 f.). Im Uebrigen fchliefst fich der Verf. vielfach an
Stade und Schwally an.

Cap. II behandelt das Aufkommen des Unfterblich

j keitsglaubens (S. 51—80). Charles findet Anfätze dazu
bei Hiob, fowie im Pfalm 49 und 73.

Cap. III geht von der .individuellen Efchatalogie'
zur ,Efchatalogie des Volkes' über und zur Synthefe

1 beider im Auferftehungsglauben (S. 81—151). In der Zeit-
beftimmung der literarifchen Quellen fchliefst fich Charles
vielfach an Cheyne an. Hinfichtlich des Auferftehungs-
glaubens wird ausgeführt, dafs derfelbe in feiner älteften
Form, nämlich als Glaube an die Auferfiehung der Gerechten
, nicht auf fremde, etwa mazdäifche Einflüfse
zurückgeht, fondern ein echtes Product des jüdifchen
Geiltes ift (S. 128, 134). Er findet fich in diefer Form
fchon in vordanielifcher Zeit, nämlich Jef. 26, 19 (S. 126,
134). Eher fei die Form, in welcher der Auferftehungs-
glaube bei Daniel auftritt, auf mazdäifche Einflüfse zurückzuführen
; doch feien diefelben auch hier nur geringe
(S. 136). Anhangsweife giebt Charles in diefem Capitel
noch eine Ueberficht über die griechifchen Vor-
ftellungen vom Zuftand nach dem Tode in wefentlichem
Anfchlufs an Rohde's Pfyche (S. 137—151). Auch die
griechifchen Einflüfse auf den jüdifchen Vorftellungskreis
feien nicht fo ftark, wie neuerdings von Manchen an*

j genommen wird (S. 136 f).

Nachdem in Cap. IV ein zufammenfaffender Rückblick
auf die altteftamentlichen Anfchauungen gegeben
ift (S. 152—161), verfolgt Cap. V die Entwickelung im
zweiten Jahrhundert vor Chr. (S. 162—199). In
diefe Zeit verlegt Charles (S. 176): Henoch Cap. 1—36
(wahrfcheinlich vor 170 v. Chr.), Daniel (168 v. Chr.),
Henoch Cap. 83—90 (166—161 v. Chr.), Oracula Sibyl-
lina, prooem. und III, 97—818, einige Stücke in den Tefia-
menten der zwöli Patriarchen. Er findet hier überwiegend
die Anfchauung, dafs die verftorbenen Gerechten auf-
erftehen werden, um am meffianifchen Reiche theilzu-
nehmen (S. 178). Die chronologifchen Anfätze für die
literarifchen Quellen find theilweife fchon aus des Verf.'s
früheren Werken bekannt. Sie fcheinen mir in Betreff
Henoch's fchwach begründet. Am auffallendften aber war
mir, dafs Ch. in Henoch Cap. 1—36, fpeciell Cap. 25,
die Hoffnung einer Auferftehung der Gerechten findet