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Ausgabe:

1899

Spalte:

110-113

Autor/Hrsg.:

Schwartzkopff, Paul

Titel/Untertitel:

Die Gottesoffenbarung in Jesu Christo 1899

Rezensent:

Baldensperger, Wilhelm

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zifferung fehr fchwierig ift. Den Bemühungen Wünfch's
verdanken wir nicht nur die Entzifferung der Texte,
IOndern auch eine forgfältige Unterfuchung und eingehende
Würdigung ihres Inhaltes. Einige der Texte
hnd lateinifch, die übrigen griechifch. Neben den Texten
r vT cmeifl aucn Figuren in das Blei eingeritzt; namentlich
findet (ich öfters eine Menfchengeftalt mit Efelskopf.
Yen Inhalt der Texte bilden Fluchgebete, welche
darauf gerichtet find, den Sieg des Gegners beim Wagenrennen
im Circus zu hindern. Für diefen edlen Zweck
wird die Hülfe der Dämonen in Anfpruch genommen,
ru m dleH; den Gegner und feine Pferde hemmen und
lchadigen follen. Fluchgebete folcher Art auf Bleitafeln
lind vor einiger Zeit auch in Carthago zum Vorfchein gekommen
{Bulletin de corresp. hellenique XII, 1888, p.294—
B2 * Corp. biso: Lat. t. VIII Sappl, n. 12504—12511).

ele Funde illuftriren in treffender Weife, was Hieronymus
IT ner Vita Hilarionis erzählt {c. 20, opp. ed. Vallarsi
1 22): Italiens ejusdem oppidi tnunieeps Christianus ad-
versus Gazensein duumvirutn, Marnae idolo deditum,
circenses equos nutriebat.... Hic itaque aemulo suo habente
1"aleficum, qui daemoniacis quibusdam impreca-
lonibus et hujus impediret equos et illius conci-
r-rcJ. ae^ cur sunt, venit ad beätum Hilarionem etc. —
leEntftehungszeit unterer Bleitafeln wird von Wünfch
" 53 63 mit Hülfe der vorkommenden Eigennamen mit
groTser Wahrfcheinlichkeit beftimmt: fie fallen in die Jahre
39°—420 n. Chr. — Die angerufenen Gottheiten find überlegend
ägyptifche, namentlich Ofiris und Seth-Typhon.
B3H ^ar'ce Hervortreten des letzteren Gottes, als deffen
'ld die Menfchengeftalt mit dem Efelskopf anzufeilen
' » hat den Verf. auf die Idee gebracht, dafs die Ver-
e iger unterer Zaubertexte Anhänger der gnoftifchen
ecte der Sethianer gewefen feien. Er weifs nun
ifih fehr wohl- dafs diefe gnoftifchen Sethianer fich
b'hrr 3U^ den ägyptifchen Gott Seth, fondern auf den
'olifchen Seth, den Sohn Adams, zurückführten (Epi-
an- haer 30 i: ovroi yeto 01 2ri&iavol ctsib 2n{r rov
fj0t'>- 1 A"aP Otfivvvovrai roytvog xctrayeiv, avrov oe
?aS°PGt xat elg ctvrbv jiävra baajteQ ctpetr g elvai äva-
rpQovol). Sie behaupteten auch, Bücher des Seth zu be-
' Zt'n (Epiphan. 39, 5. Plälosophumena V, 22. vgl. Epiph.
r'a Und u°er Sücher des Seth überhaupt: Fabricius,
^>dex pseudepigr. Vet. Test. 1, 153-157). Von der Aufin
H aSyPtifcher Gottheiten in ihr Syftem findet fich
den Nachrichten der Kirchenväter nirgends eine Andeutung
(die Quellen über fie find: Epiphanius haer. 39,
rseudo-Tertullian c. 8, Philafirius c. 3, Philosophumena V,
ch rf2' ^' II; v2'- Hilgenfeld, Ketzergefchichte des Ur-
"nltenthums S. 251, 267 f.) Aber trotzdem hält Wünfch
Se"^ r.nefe feft. Er meint, es habe in der Lehre der
er ,;e e'ne Verfchmelzung des ägyptifchen und des bib-
de tl" Seth ftattgefunden (S- IIO)> und zwar laffe hch
utheh {siel) ein vorchrifflicher und ein nachchriftlicher
udpunkt der fethianifchen Lehre unterfcheiden. Den
Za k"en Vertreten d'e zeitlich jüngeren Bleitafeln und
ji uberpapyri, den letzteren lernen wir aus den älteren
p.'rcfienvatern kennen (S. 113). Ich bedaure, dafs Wünfch
th "f6 !erthvolle Arbeit mit diefer mehr als kühnen Hypo-
zw Hftet hat. Der einzige dünne Faden, der diefe
,„ ei verfchiedenen .Sethianer' mit einander verbindet,

andere mythologifcheReffe aus ihrer vorchriftlichen ägyptifchen
Periode erhalten haben, was nicht der Fall ift.
Der Zufammenhang unferer Zaubertexte mit den .Sethia-
nern' ift alfo fchlechterdings abzulehnen. Ueberhaupt
wäre zu wünfehen, dafs man endlich aufhörte, alle Denkmäler
des helleniftifchenSynkretismus ,gnoftifch' zu nennen.
Die Gnoftiker und die Zauberer haben allerdings das
gemein, dafs fie Elemente der verfchiedenften Religionen
bunt durcheinander gemengt haben. Aber darum ift
nicht jedes Gemenge diefer Art .gnoftifch' zu nennen,
fondern nur dann, wenn daraus ein Syftem der Welt-
Erkenntnifs und Welt-Erklärung conftruirt wird.

5. DieFeftrede von K. Müller (gehalten am 27.Januar
1898) zeigt in ausgezeichneter Weife, welche grofse Bedeutung
der Dämonenglaube in dem Vorftellungskreife
der alten Kirche gehabt hat. Die Erlöfung durch Chriftus
ift in weiten Kreifen geradezu empfunden worden als
eine Erlöfung von der Macht der Dämonen. Die Modi-
ficationen, welche diefer Glaube im Laufe der Zeit erfahren
hat, werden von M. ebenfo fein, wie anfehaulich
gezeichnet. Da die landläufigen Vorftellungen vom älteften
Chriftentbum diefen Punkt recht wenig beachten, fei auf
Müller's Ausführungen mit befonderem Nachdruck hin-
gewiefen.

6. Conybeare giebt eine englifche Ueberfetzung des
.Teftamentes Salomo's', welches von Fleck aus einem
Parifer Codex herausgegeben (Wiffenfchaftliche Reife
durch Deutfchland, Italien etc. Bd. II, 3, 1837, S. 111 —140)
und von Bornemann in's Deutfche überfetzt worden
ift (Zeitfchrift iür die hiftor. Theologie 1844, Heft III,
S. 9—56). Diefes .Teftament' gehört mehr in die Claffe
der Unterhaltungs- als in die der Zauberliteratur, denn
es erzählt in unfäglich breiter Weife, wie Salomo beim
Tempelbau die verfchiedenften Dämonen, einen nach
dem andern citirt und zur Dienftleiftung beim Tempelbau
zwingt. Conybeare meint, dafs der vorliegende Text die
chriftliche Ueberarbeitung einer jüdifchen Grundfchrift
fei. Letztere fei bereits von den Ophiten gebraucht
worden. Zu diefer Unterfcheidung fcheint mir nicht der
geringfte Grund vorzuliegen; denn es verhält fich hier
wefentlich anders als bei den Teftamenten der XII Patriarchen
, welche C. als Analogon betrachtet. In den
Teft. XII Patr. finden fich neben den chriftlichen Stellen
andere, welche jüdifch fein müffen. Im Teftament Salomos
aber kommt nichts fpeeififeh jüdifches vor. — Ich benütze
noch die Gelegenheit, auch eine werthvolle frühere Arbeit
Conybeare's zu erwähnen: Christian Demonology{Jewish
Quarterly Review VIII, 1896, p. 576—608. IX, 1897,
p. 59—114- 444—470, 581—603).

Göttingen. E. Schürer.

Schwartzkopff, Prof. Dr. Paul, Die Gottesoffenbarung in

Jesu Christo nach Wefen, Inhalt und Grenzen, unter
dem gefchichtlichen, pfychologifchen und dogma-
tifchen Gefichtspunkte prinzipiell unterfucht. Giefsen,
J. Ricker, 1896. (VIII, 199 S. gr. 8.) M. 4.50

Nach Veröffentlichung mehrerer in diefer Zeitfchrift
fchon befprochenen chriftologifchen Detailftudien will der
| Verf. in diefer Hauptfchrift, wie er fie felbft bezeichnet,
Ol die Notiz des Epiphanius, dafs die von ihm xaT ISfljjiv feine über die Perfon Jefu gewonnenen Anfchauungen

genannten GtÄ7 dte allerdings mit den Sethianern zufammenfaffen. Wie ein unfehlbar göttlicher Gehalt in
»*wÄ2i*uf^h^SnaMkryphesBuch dem menfehlichen Geiftesleben Jefu enthalten war in
hatten, ng wSichern e "ählt war, dafs Zacharias beim welchen Formen er hervortrat, wie er von den menfeh-
Uarbrmgendt^ "itgefchichtl.ch bedingten Vorftellungen zu

^^S^wSSS^fS^hSn. 26, 12: arirpco- ! £he,den und dagegen abzugrenzen ift, davon handelt S
*°v ioLra blov uooqnhv fcoVca). Die Legende von Die Gottesoffenbarung in J. Cht. mein er alfo nicht
d«m ELlsbüde im Tempel zu Jerufalem war aber fo | in dem dogmatifchen Sinne dafs d,e Bedeutung des
verbreitet, dafs aus diefer Anecdote unmöglich auf Ver- | Gotteslohnes für das Heil der Menfchheit befchneben
ehrung des ägyptifchen Seth bei jenen Gnoftikern ge- werden foll, fondern in dem fubjectivcn, pfychologifchen
Ehloffen werden kann Wenn Wünfch Recht hätte, , Sinne, dafs die Offenbarung Gottes in feinem Innern, und
»»Ufsten fich bei den chriftlichen' Sethianern noch ganz | die Bedingungen, unter welchen diefer innere 1 rocels