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Ausgabe:

1899 Nr. 3

Spalte:

71-73

Titel/Untertitel:

Aus Schrift und Geschichte. Theologische Abhandlungen und Skizzen 1899

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 3.

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für ,Stadt' und .Land' in den affyrifchen Infchriften mit
einander wechfeln. Hubisna-Hiibiisna könnte der Name
einer Stadt und des zugehörigen Gebiets gewefen fein.
Ich meine daher, dafs wir den Ort der Kimmerierfchlacht
bis auf Weiteres beffer in Syrien oder nördlich davon
fuchen. Ufw.

Mit Recht verwirft McCurdy (p. 82 A.) die blendende
Winckler'fche Hypothefe, dafs, fo wenig wie
unter affyrifchem Musru, unter hebräifchem d^nStt immer
Aegypten, fondern öfters und in wichtigen Fällen ein
davon verfchiedenes nordarabifches Musru zu verftehen
fei. Auch ich fehe keinen Grund zu diefer Annahme.
Aber in gewiffer Weife kann Winckler in der Sache
doch Recht haben.

Wie ich nämlich bereits früher einmal angedeutet
habe, braucht D"H2tt fo wenig wie Musru gerade und nur
das Nilland zu bezeichnen. Erftreckte fich doch das
ägyptifche Herrfchaftsgebiet nachweisbar zu manchen
Zeiten bis an die paläftinenfifche Grenze. Und fo mag
für Mancherlei, das fich nach dem A.T. in D"HÄÜ ab-
fpielt, nach urfprünglicher älterer oder auch noch nach
fpäterer nicht modificirter Auffaffung das Gebiet füdlich
von Paläftina der Schauplatz gewefen fein. Aber darum
bleibt doch D^ISd überall im A.T. fo gut wie Musru
,Aegypten'.

Marburg. P. Jenfen.

Aus Schrift und Geschichte. Theologifche Abhandlungen
und Skizzen, Herrn Prof. D. Conrad von Orelli zur
Feier feiner 25jährigen Lehrthätigkeit in Bafel von
Freunden und Schülern gewidmet. Bafel, R. Reich,
1898. (V, 457 S. gr. 8.) M. 6.40

Die elf Arbeiten, welche in diefer Feftfchrift vereinigt
find, find fämmtlich von Schweizer Theologen ver-
fafst. ,Mit Rückficht auf die zahlreichen Freunde, welche
Herr Profeffor von Orelli in nichttheologifchen Kreifen
befitzt, ift aller gelehrte Apparat foweit als möglich in
Anmerkungen und Klammern verwiefen worden; aus
demfelben Grunde find griechifche und hebräifche Ausdrücke
, wo es anging, vermieden, zum Theil auch in
lateinifcher Transfcription gegeben worden'. So das
Vorwort. Für die Anordnung war im Ganzen ,das Alter
der Mitarbeiter mafsgebend'. Doch konnte diefer Ge-
fichtspunkt wegen fpäterer Einfendung einiger Arbeiten
nicht durchweg feftgehalten werden. Die elf Themata
und ihre Verfaffer find folgende.

1. A. Schlatter, Der Bruch Jefu mit der Juden-
fchaft, Joh. 5 u. 6 (S. 1—23). Die beiden Reden Cap. 5
und 6 erklären, was die Trennung der Judenfchaft von
Jefus begründet hat; Cap. 5, weshalb die Jerufalemiten
ihn verwarfen, Cap. 6, weshalb die Galiläer es thaten.
Dort liegt der Grund in Jefu freier Stellung zur Halacha.
Was die Galiläer von ihm trennt, läfst fich unter dem
Titel ,Haggada' faffen. ,Den Jerufalemiten ift er zu grofs;
feine Freiheit und Macht ergeben hier den Anftofs, da
feine Verneinung der Satzung als mafslofe Selbftüber-
hebung und Griff nach einer falfchen Gottgleichheit gilt.
Den Galiläern ift er zu klein, und der Anftofs entfteht
aus feiner Gleichförmigkeit mit dem alltäglichen Lauf
des Menfchenlebens, aus dem Mangel einer träumerifch
vorgeftellten Göttlichkeit' (S. 5).

2. Barth, Prediger und Zuhörer im Zeitalter
des Origenes (S. 25—58), fkizzirt die Gefchichte der
chriftlichen Predigt bis auf Origenes, und fchildert dann
einerfeits die Predigtweife des Origenes, andererfeits die
fittlichen und religiöfen Zuftände der Gemeinden, welche
Origenes bei feinen Predigten im Auge hat. Die Homi-
lien des Origenes find dabei fehr fleifsig verwerthet und
citirt, auch fonft gelehrtes Material nicht ausgefchloffen.

3. Rüegg, Zur Echtheitsfrage der Paftoral-
briefe (S. 59—108). Der Verf. verfährt nach dem Grund-

fatz divide et impera. Er glaubt, dafs in der Regel alle
drei Sendfehreiben zu fehr als eine folidarifch für einander
haftende Genoffenfchaft angefehen werden. Manche
Bedenken würden verfchwinden, wenn man jeden Brief
für fich nähme. Trotzdem fchickt der Verf. zunächft als
,Vorausfetzungen der Unterfuchung' allgemeine Bemerkungen
über den fprachlichen Charakter der Briefe,
über die zweite römifche Gefangenfchaft Pauli, die Ab-
faffungszeit der Briefe und die Theilungshypothefen voraus
(S. 62—73). Dann folgt die Unterfuchung jedes
einzelnen der Briefe für fich (Titus S. 75—88, I. Timotheus
S. 89—99, II. Timotheus S. 99—107). Durch die
Ifolirung wird ja das Gewicht der Argumente gegen die
paulinifche Abfaffung abgefchwächt, wenigftens beim
Titus- und II. Timotheusbriefe. Aber felbft bei diefem
Verfahren (das Angefichts der nahen Verwandtfchaft der
Briefe meines Erachtens nicht berechtigt ift) bleiben bei
jedem Briefe noch entfeheidende Gründe genug übrig.
Ich rechne dazu in erlter Linie die Unmöglichkeit der
Situation. Alle drei Briefe fetzen voraus, dafs fie in
einer Zeit kurzer Trennung des Apoftels von feinen Gehülfen
gefchrieben find, und alle drei geben trotzdem
Anweifungen ab ovo, als ob Paulus über diefe Dinge
noch nie mit Titus oder Timotheus gefprochen hätte.
Rüegg kennt diefes Argument fehr wohl. Aber er antwortet
(S. 76): ,Was follte es fchaden, wenn der
ältere, erfahrene Mann die leitenden Grundfätze dem
jüngeren noch einmal in Erinnerung ruft und fie bei der
fchriftlichen Faffung präzifiert, das Hauptfächliche vor
dem Nebenfächlichen gebührend hervorhebend?1 Ich
führe diefes Beifpiel an, weil es zeigt, wie verfchieden
das Gefühl für das hiftorifch Wahrfcheinliche ift. Der
Verfaffer empfindet eben die Unwahrfcheinlichkeit nicht,
die für Andere entfeheidend ift. So geht es aber bei
allen anderen Gründen auch. Wo ein gewiffes Senforium
für das hiftorifch Mögliche oder Wahrfcheinliche nicht
vorhanden ift, da helfen alle Gründe nichts. Die Ver-

I treter der hiftorifchen Auffaffung können daher nur
darauf hin arbeiten, diefes Senforium bei den noch Em-

! pfänglichen zu entwickeln. Unferem Verf. machen felbft
die erdrückenden Gründe gegen die Echtheit des erften
Timotheusbriefes keine erheblichen Schwierigkeiten.

4. Ed. Riggenbach, Die Quellen der Aufer-
ft ehungsgefchichte, mit befonderer Berückfich-
tigung des Schauplatzes der Erfcheinungen
(S. 109—153I, fetzt fich hauptfächlich mit den Arbeiten von
Rohrbach (Der Schlufs des Marcus-Evangeliums, 1894)

| und Loofs (Die Auferftehungsberichte und ihr Werth,
1898) auseinander, überwiegend an letzteren fich an-
! fchliefsend. Auch die anderen neueren auf das Thema
! bezüglichen Arbeiten werden fleifsig und untüchtig be-
; rückfichtigt.

5. Lauterburg, Widerfprüche auf dem Gebiete
der proteftantifchen Kirchenzucht (S. 155 — 175),
weift auf mancherlei .Widerfprüche' zwifchen den alten
Ordnungen und den modernen Anfchauungen auf dem
Gebiete der Kirchenzucht hin und fucht zu zeigen, in
welchem Sinne letztere, d. h. ,ein reinigendes Handeln

| der Kirche auf den Einzelnen' wünfehenswerth fei.

6. Wiih. Schlatter, Der biblifche Begriff der
Gnade (S. 177—217), will von allen dogmatifchen Er-

j örterungen abfeilen und nur den biblifchen Begriff entwickeln
. Im Alten Teftament giebt die Gnade fich kund
in Geftalt eines Bundes. Darum konnte fie nicht den
1 Charakter der Willkür haben (S. 182). Sie weift vielmehr
j eine fo enge Verwandtfchaft mit dem Recht auf, dafs
• beide häufig als völlig gleichbedeutend gelten müden.
! Es ift oberflächlich, Gnade und Gerechtigkeit Gottes als
i Gegenfatze zu denken (S. 184). Zur Verwirklichung
| kommt die Bundesgnade Ifraels in den Gnaden Davids,
JeÄ 55) 3> und diefe haben kosmifche Ziele (S. 198—200).
J Doch erfcheinen beide, die Bundesgnade Ifraels und die
j Gnaden Davids, einzig in der Stelle Jef. 55, 3 als Einheit.