Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1898

Spalte:

134-136

Autor/Hrsg.:

Hennecke, Edgar

Titel/Untertitel:

Altchristliche Malerei und altkirchliche Literatur 1898

Rezensent:

Achelis, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

133

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 5.

J34

die grofse Uebereinftimmung, die Gemeinfamkeit der
Fehler und durch die gleiche Anordnung der Stücke be-
wiefen, haben doch alle vier den Satz über die Zweizahl
der Corinther- und Theffalonicherbriefe am Schlufs, und
alle rücken den Abfchnitt über die gnoftifchen Schriften
bereits an den über die falfchen Paulinen. 2) Die Quelle
fchlofs, wie die uns erhaltene Handfchrift des
Muratorifchen Fragments, bei ,Cat aphrygum con-
stitutorevd. —- Dafs nicht der Archetypus der 4 Hand-
fchriften, fondern das Mailänder Manufcript die richtige
Reihenfolge bewahrt hat, ergiebt fich aus einer näheren
Prüfung. Zwar das wäre möglich, dafs in der Urfchrift
der Abfchnitt über die häretifchen Schriften gleich nach
den Pfeudopaulinen geftanden hat und erft fpäter an den
Schlufs gerückt worden ift; aber das Stück über die
beiden Cor.- und Theffal.-Briefe kann nicht dort feine
Stelle gehabt haben, wo es die vier Handfchriften bieten,
fondern nur dort, wo es das Mailänder Mf. lieft. Dazu
zeigt ja das ,ordine tali welches die 4 Handfchriften
(oben Z. 9) noch bieten, dafs fie etwas ausgelaffen haben,
nämlich Fragm. Murat. Z. 50 fin. —54 mit., weil fie eine
Aufzählung fchon früher gebracht haben. Alfo find fie
fecundär und die Mailänder Handfchrift bietet die ur-
fprüngliche Reihenfolge; alfo haben auch fie den Text
nicht weiter gelefen als wir ihn heute lefen, d. h. bis
ponstttütorem'. 3) Damit ift erwiefen, dafs die Handfchrift,
aus der cA (fo nenne ich den Archetypus der vier Mff.)
feine Kunde gefchöpft hat, entweder das Exemplar von
Mailand felbft gewefen ift oder deffen Vorlage — bereits
der Schreiber der Mailänder Handfchrift hatte ja nur ein
Fragment vor fich —, bez. Abfchrift. In der Quelle von
Cc find die gröbften Vulgarismen und Schreibfehler von
M. fämmtlich corrigirt, und es finden fich dazu an 12
Stellen ftarke Abweichungen von M., aber keine diefer
Abweichungen empfiehlt die Annahme, £TC habe
einurfprünglichererTextvorgelegen; dazu kommt,
das Cc das verderbte ,Mäiadis' bietet. ,Scisma' für
,scys»iael ift eine naheliegende Correctur (oben Z. 1), ,deinde'
für ,deinctpsl (Z. 2) ift eine Glättung, ,praecipuum' für
principium' Z. 4 ift ein Fehler, ,nobisl für ,ad nobis' (Z. 61
ift Correctur, .preccssod für ,prodecessod (Z. 7) ift
eine Glättung und ebenfo ift das ,scripsitl Z. 8 zu
beurtheilen. ,Oporte? für ,potest' ift eine abfichtliche
oder unabfichtliche Aenderung (Z. 32), ,Arsinofal (Z. 33)
ift aus ,Arsinoi autcuv entftanden, indem das ,a{ zum
vorhergehenden Wort gezogen wurde, A'Iarcionis1, (Z. 35)
fleht für das dem Schreiber unverftändliche ,Mar-
ciout, ,uteretur* (Z. 38) ift Schriftfehler für jteretnC, ,ca-
tlwlua1 (Z. 39) ift ein wohl verftändlicher Zufatz. Wirklich
intereffant ift nur die Einfchiebung des ,sivc' in
Z. 36 aber da C3 fie nicht bietet, fo fragt es fich, ob fie
überhaupt dem Archetypus C° angehört und nicht etwa
fpäter ift. Aber auch angenommen, fie habe in Cc geftanden
, fo erklärt fie fich doch fehr leicht. Nach Analogie
des ,seu' in Z. 33 ift fie eingeführt, weil der Schreiber
.Astano' verftehen zu müffen glaubte und es auf
,Basilide' bezog.

Hieraus folgt, dafs kein Grund zu der Annahme vorhanden
ift, Cc fei aus der Vgrlage der Mailänder Handfchrift
genoffen, vielmehr — er ftammt entweder aus
diefer felbft oder aus einer Abfchrift von ihr, was fo
ziemlich auf Eins hinausläuft. Dafür, dafs es aus der i
Mailänder Handfchrift felbft genoffen ift, laffen fich vielleicht
Beobachtungen beibringen, wenn man das Facfimile
vergleicht, welches mir eben nicht zur Hand ift.

Unfere Prologe lehren uns alfo nur, dafs das Mura-
torifche Fragment, wie wir es in der Mailänder Handfchrift
lefen, im 11. Jahrb. für eine Einleitung in die Paulusbriefe
verwerthet worden ift. Das ift wenig, aber es
ift doch etwas, und wir find den Benedictinern für ihre
Publication dankbar.1) Auf die übrigen Stücke des Pro-

l) Zur Kritik des Fragments trägt der neue Zeuge doch etwas bei:
ift nachweisbar zwifchen dem 8. und II. Jahrhundert ein ,sive' zwifchen

logs gehe ich nicht ein, bemerke aber, dafs merkwürdiger
Weife weder in dem der Mailänder Handfchrift entnommenen
Abfchnitt, noch in dem anderen zufammen-
hängenden und fehr beachtenswerthen Stück Z. 9—28 die
Paftoralbriefe und der Philemonbrief vorkommen, während
fie doch im Eingang mit aufgezählt find. Dafs in dem eben
genannten Stück acht Gemeinden aufgeführt find, während
es doch als Erläuterung jener Stelle (im Murat.)
dienen foll, in welcher behauptet wird, Paulus habe an
fieben Gemeinden gefchrieben, hat den Prologfchreiber
nicht geftört. Die ,Hebräer' find freilich auch keine Gemeinde
.

In diefen ,Miscellaned haben die Benedictiner auch
die Mommfen'fche Stichometrie Vet. et Nov. Test, et Opp.
Cypr. nach dem Sangall. nr. 133 und das lateinifche
Fragment der Didache nach dem Melker Codex abgedruckt
. Es irt ihnen entgangen, dafs Mommfen felbft im
Hermes nachträglich den Sangall. verglichen hat. In
den beiden Teflamenten differiren die beiden Collationen
nur an einer wichtigen Stelle (Mommfen bietet nach ,Iu-
dicum' die Stichenzahl; fie fehlt in den MiscelF), aber bei
den Opp. Cypr. finden fich fehr viele Abweichungen.
Dafs in mehreren Fällen der Fehler bei den Benedictinern
liegt, läfst fich auch ohne neue Vergleichung der
Handfchrift wahrfcheinlich machen.

Berlin. A. Harnack.

Hennecke, Lic. Dr. Edgar, Altchristliche Malerei und altkirchliche
Literatur. Eine Unterfuchung über den bi-
blifchen Cyklus der Gemälde in den römifchen Katakomben
. Leipzig, Veit & Co., 1896. (XI, 299 S. m.
35 Abbildgn. gr. 8.) M. 10.—

Auf den naheliegenden Gedanken, die Bilder aus
der biblifchen Gefchichte, die an den Wänden und Decken
der Römifchen Katakomben gemalt find, aus der
altkirchlichen Literatur zu illuftriren, ift man feit dem
Anfang der Katakombenforfchung gekommen. Man
glaubte um fo mehr zu diefem Verfahren berechtigt zu
fein, als man allgemein annahm, dafs es fich in jenen
Malereien nicht um einfache und naive Darftellungen der
biblifchen Gefchichte handelte, fondern dafs ihnen ein
höherer Sinn unterzulegen fei, den man mit dem Namen
der Symbolik der altchriftlichen Kunft bezeichnen zu
können meinte; und diefes höheren Sinnes glaubte man
durch Benutzung der kirchlichen Schriftfleller habhaft
werden zu können. Man brachte ferner an die chriftliche
Decorationsmalerei die aus der Kunft des Mittelalters
überkommene Anficht heran, dafs die Kirche die Kunft
beftimmt und bis in Einzelheiten hinein beeinflufst habe;
um fo mehr glaubte man die Werke der wiffenfchaft-
lichen Vertreter des Chriftenthums ftudiren zu müffen,
um die kirchlichen Intentionen, die den Malern die Hand
führten, kennen zu lernen. Die Refultate diefer Bemühungen
liegen in den modernen Handbüchern, etwa am
vollftändigften in der Real-Encyclopädie von F. X. Kraus
vor. Sie find nicht gerade erfreulich. Welch eine Maffe
von Citaten ift da zufammengetragen, und wie unzu-
fammenhängend ift diefe Maffe. Alle und Aller exege-
tifche Aeufserungen find da aufgeführt; da die Exegefe
typologifch oder allegorifch beftimmt ift, gelangt fie zu
den verfchiedenften Deutungen; und man kann nur rathlos
werden, wenn man aufgefordert wird, aus diefem Wuft
disparater Erklärungen Gefichtspunkte für die Beurthei-
lung der altchriftlichen Malerei zu gewinnen.

Solchen Vorgängern gegenüber ift Hennecke von
vornherein im Vortheil. Er fpricht über die altchriftliche
Literatur auf Grund eigener Leetüre. Sein gründlicher
Fleifs und fein vorfichtig abwägendes Urtheil, Eigen-

,Basilide' und .AssianoCmp eingefchoben worden, fo kann auch das ,siu'
vor , Valentin? eine (ältere) Einfchiebung fein, wofür es auch von mehreren
Kritikern bereits gehalten worden ift.