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Ausgabe:

1898 Nr. 25

Spalte:

660-662

Autor/Hrsg.:

Maltzew, Alexander v.

Titel/Untertitel:

Begräbnis-Ritus und einige specielle und alterthümliche Gottesdienste der orthodox-katholischen Kirche des Morgenlandes 1898

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 25.

660

änooroXcov, darflellen kann. Dafs Eufebius auch an diefe
und nicht nur an jene gedacht hat, fcheint mir daraus
hervorzugehen, dafs er fie alfo eingeführt hat: ,oöot
xara. yeveav exaörtjv aygaepcoq z; xal öia Gvyyganfjarmv
rbv ftelov eJtQeößevoav Xoyov'. Der Ausdruck .xara yeveav
exaorTjv' (vgl. dagegen das unbeflimmte ,07irjvixal bei
den Irrlehrern) ift bedeutungsvoll1) und macht es wahrscheinlich
, dafs der Gedanke der Succeffion für Eufebius
nicht nur an den Bifchöfen, fondern auch an den Lehrern
haftet, doch beftreite ich nicht, dafs der Prolog, für fich
allein betrachtet, eine ganz fichere fcintfcheidung nicht
zuläfst. Eine folche aber ergiebt fich, fobald man die
Frage Bellt, was denn die ,apoftolifche Succeffion'
überhaupt im Sinn des Eufebius als Hau ptthema
der Kirchengefchichte bedeutet, und zugleich die
Anlage und den Inhalt des Werkes ins Auge fafst.

Dafs ich jene Frage überhaupt aufgeworfen habe,
wird mir von Overbeck als Hauptverbrechen auf vielen
Seiten vorgerückt. Mir ift diefe Polemik völlig dunkel
geblieben, und Anderen wird es Schwerlich anders gehen.
Nur etwas von ihrer peinlichen Dunkelheit verliert fie
dadurch, dafs fich Overbeck in Bezug auf das Alter und
das Geläufige des Begriffs ,Apoltolifche Succeffion' in
einem fchweren Irrthum befindet: ,Die räthfelhafte Neuheit
des Ausdrucks', ruft er aus (S. 9), ,der in der
Kirchengefchichte des Eufebius wie aus völliger Nacht
in der Litteratur aufblitzt'; ,die damit auffallend contra-
ftirende Sicherheit, mit der Eufebius diefen durch Prägnanz
und Fremdheit fo räthfelhaften Ausdruck braucht'.
Ich traute meinen Augen nicht, als ich diefe Worte las.
Hat Eufebius nicht den Irenäus gelefen, den Clemens,
den Origenes! Ich fage nicht zuviel, wenn ich behaupte,
der Ausdruck ,Apoftolifche Succeffion' war am Anfang
des 4. Jahrhunderts feit mehr als 100 Jahren in allen Theilen
der Kirche ein ganz geläufiger und feine Bedeutung hat
niemals die Bedingungen verleugnet, unter denen er ent-
ftanden ift.'2) Er bezeichnet die lebendigen Traditoren
der apoftolifchen Lehre und daher auch des unver-
fälfchten göttlichen Wortes, deshalb in erfter Linie die
Bifchöfe, bei den Alexandrinern aber auch die wahren
Gnoftiker und Lehrer (Clemens: 6 yvcooxixoq xrjv aicoG-
xoXcxrjv aütovöiav dvxavaJtXrjQOt). Es kann fich fomit
nur darum handeln, ob Eufebius lediglich an die Bifchöfe
gedacht hat oder, den Alexandrinern folgend,
auch an die Lehrer; in beiden Fällen aber bringt der
Begriff den Gedanken der ftetigen und un verfälfchten
Ueberlieferung des apoftolifchen und daher des göttlichen
Wortes zum Ausdruck3). Das hörte jeder chriftliche Lefer
fofort heraus, und an diefem Gedanken allein hatte der Begriff
feinen Sinn in der Kirche. Zum Ueberflufs hat Eufebius
zweimal auf den wenigen Zeilen feines Prologes den Ausdruck
,0 9-eloq Xöyoq' als den Centraibegriff feiner Kirchengefchichte
(vgl. auch das ganze 1. Buch) in den Mittelpunkt
geftellt. Ift das aber der Mittelpunkt, gehört Eufebius
als Theologe in die alexandrinifche Linie, und
fteht es mit der Verwerthung der ,Lehrer' in der .Kirchengefchichte
' fo, wie ich S. 65 ff. gezeigt habe — Overbeck
hat diefe Tabelle wohl verhöhnt, aber nichts in ihr um-
geftofsen —, fo bleibt es dabei, dafs Eufebius auch die
Lehrer benutzt hat, um innerhalb der Aufeinanderfolge
der Kaiferregierungen die Ueberlieferungen des göttlichen
Wortes darzuftellen. Indem fie diefen Dienft leiften, und
zwar ,xaxd yeveav exäöxrjv1', gehören fie materiell in die
,apoftolifchen Succeffionen', formell aber können fie dort
ftreng genommen nicht untergebracht werden, weil ihre
diadoyri nicht fo ftringent, ihr Mandat nicht fo objectiv
ift wie das der Bifchöfe.

1) Wie fich Overbeck mit diefen Ausdrücken abgefunden hat, mag
man S. 17 nachlefen.

2) S. meine Dogmengefch. I3 S. 363fr.

3) In wie weit er auch die lebendigen Repräfentanten der apoftolifchen
Autorität bezeichnet, kann hier auf fich beruhen.

Somit mufs ich alles das aufrecht erhalten, was ich
in meiner .Chronologie' ausgeführt habe, und bedauere,
diesmal von einem Programme Overbeck's ohne Belehrung
fcheiden zu müffen. Um einer falfchen Legendenbildung
vorzubeugen, erkläre ich nur noch, dafs
der Abfchnitt meines Buches, den Overbeck bekämpft,
bereits niedergefchrieben war, als Heinrici's Arbeit über
Eufebius erfchien. Nur nachträglich habe ich diefe Studie
berückfichtigt, ohne das von mir bereits gewonnene Er-
gebnifs ändern zu müffen. Hiernach mag man beurtheilen,
was es damit auf fich hat, dafs Overbeck einen Theil
meiner Ausführungen als ,die Leiftung eines Zöglings der
Heinrici'fchen Arbeit' zu bezeichnen fich erlaubt.

Berlin. A. Harnack.

Maltzew, Mag. theo]. Propft Alexander v„ Begräbniss-
Ritus und einige specielle und aiterthümliche Gottesdienste
der orthodox-katholischen Kirche des Morgenlandes.

Deutfch und slavifch unter Berückfichtigung des
griechifchen Urtextes. Berlin, K. Siegismund, 1898.
(CXX1X, 444 u. 471 S. 8.) M. 12.—

Nachdem ich in Nr. 18 diefes Jahrgangs erft zwei Bände
der Maltzew'fchen flavifch deutfchen Ausgabe der ortho-
dox-orientalifchen Kultformularien befprochen und eingehend
den allgemeinen Charakter und Zweck diefer
Sammlung dargethan habe, kann ich mich über den
foeben erfchienenen fechften Band ziemlich kurz faffen.
Dafs diefe Sammlung für den Confeffionsforfcher, der
des Kirchenflavifchen nicht mäcncig ift, fehr willkommen
ift, braucht kaum gefagt werden. Natürlich kann man
aus den griechifchen heiligen Büchern dasfelbe lernen,
wenigftens für alle Hauptgottesdienfte, auch für viele
kleinere Feiern. Aber einmal find die griechifchen Ausgaben
auch ziemlich fchwer zu bekommen. Zudem haben
die flavifchen Kirchen, befonders die ruffifche, auch ihre
Eigenthümlichkeiten. Endlich bietet Maltzew Einleitungen
, die man zwar zum Theil gerade mit Bezug
auf die Feiern feiner Kirche vollftändiger wünfchen
möchte — er bringt vielerlei Material aus orientalifch-
häretifchen und aus abendländifchen Kirchen zum Vergleich
herbei, läfst aber manches an den orthodoxen
Gottesdienften, was unfereinem keineswegs unmittelbar
durchfichtig ift, unerklärt: man mufs eben berückfichtigen,
dafs feine Ausgaben fich weniger an ,uns', die Aufsen-
ftehenden wenden, als an Angehörige feiner Kirche,
denen fie praktifchen Dienft thun follen —, ich fage letztlich
trifft man bei M. allerhand erläuternde Ausführungen,
die, wie unvollftändig fie für unfer Bedürfnifs oft fein
mögen, dennoch angenehm und förderlich find.

Der vorliegende Band hat zwei Theile. Der erfte
enthält den Begräbnifsritus. Ift ein orthodoxer Chrift
geftorben, fo werden in Gegenwart der Leiche drei Tage
lang Gebete gehalten, wobei abwechfelnd Priefter die
Evangelien, Laien aber (alfo Angehörige oder Freunde)
Pfalmen lefen. Unterbrochen werden diefe Lefungen
durch befondere Trauergottesdienfte, die Pannychiden,
erft im Sterbehaus, dann in der Kirche, wohin die Leiche
vor der Beerdigung übergeführt wird. Eine folche Panny-
chida (= navvvyiq, eigentlich Nachtfeier) wird dann noch
am 9. und 40. Page nach dem Tode, fowie jährlich bei
der Wiederkehr des Todestages gehalten. Auch fonft
kann fie gehalten werden, fo oft die Angehörigen eine
folche wünfchen. Die erfte wird gewöhnlich alsbald
über der Leiche des Verfchiedenen verrichtet. Eine
Sitte ift es, fie etwa noch am 20. Tage nach dem Tode
und am Tage des erften Halbjahrs verrichten zu laffen.
Sie können an jedem Orte ftattfinden. Mit Vorliebe
werden fie über dem Grabe gelefen, zumal am Geburtsund
Namenstage. Das Begräbnifs findet fo ftatt, dafs
der Sarg, der übrigens eigens mit einer Feier benedicirt
wird, in -die Kirche getragen und dort fo niedergefetzt