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Ausgabe:

1898 Nr. 16

Spalte:

438-440

Autor/Hrsg.:

Merx, Adalbert

Titel/Untertitel:

Die vier kanonischen Evangelien nach ihrem ältesten bekannten Texte. Uebersetzung der syrischen im Sinaikloster gefundenen Palimpsesthandschrift. 1. Theil: Uebersetzung 1898

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 16.

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fteigende pädagogifche Methode, die fich von allem
Dogmatismus und Formalismus fernzuhalten habe, fo
gewifs das Verftändnifs auch der kirchlichen Terminologie
zu dem Endziel des Unterrichts gehöre. H. zeigt dann
im Einzelnen wie er fich einen organifchen Aufbau und
Fortfehritt des Katechismusunterrichts nach diefen Grund-
fätzen denke und wie fich das Programm des gefammten
auf den Katechismus bezüglichen Religionsunterricht
würde geftalten müffen. (S. 94—112.)

Friedrich Lezius befpricht die Libra des Pris-
cillianiften Dictinius von Aftorga, eine Schrift, auf die
Auguftin in feinem Traktat ,contra mendacium1 deutliche
Rücklicht genommen hat. Dictinius, der fpäter katho-
lifcher Bifchof geworden ift, hat, als er noch Priscillianift
war, in feiner Libra nachzuweifen verfucht, dafs eine Noth-
lüge erlaubt fei, wenn fich die Anhänger der Secte dadurch
vor ihren katholifchen Verfolgern retten könnten.
(S. 112—124.)

Leo Meyer giebt einige fprachliche Notizen zu der
Gefchichte des Wortes ,Wunder' aus dem Griechifchen,
Hebräifchen und Deutfchen. (S. 125—129.)

Eugen Peterfen, der Director des deutfeh-archäo-
logifchen Inftituts zu Rom erörtert die Frage nach der
urfprünglichen Aufhellung der auf dem römifchen Forum
gefundenen Relieffchranken, die aus der Zeit des Kaifers
Traian flammen. Er weift ihnen ihren Platz an als
Schranken auf der im Wetten des Forums gelegenen
Rednerbühne, fodafs die Reliefs mit den Forumsbauten
nach innen ftanden, die Seite mit den Opferthieren nach
aufsen. (S. 130—143.) Zwei kleine Abbildungen find
der Abhandlung beigegeben.

Alfred Seeberg befpricht die Auslegung einiger
Stellen in Math. 19. Jefus beantwortet die Einrede feiner
Jünger gegen feinen Ausfpruch von der Unlösbarkeit
der Ehe damit, dafs er darauf aufmerkfam macht, dafs
folches Gebot der Unlösbarkeit nicht für den natürlichen
Menfchen beftehe, fondern nur für den, der das Vermögen
habe, diefer hohen Auffaffung bei fich Raum zu
geben {jcüqzIv). Wie es Menfchen gebe, die im Stande
wären um des Himmelreiches willen auf das Gut der
Ehe zu verzichten, fo müffe es auch folche geben,
welche um des Himmelreichs willen darin zu verharren
vermöchten, auch wenn die Ehe ihnen das Gut nicht
bringe, dafs fie fich von ihr verfprachen. — Die zweifache
Antwort die Jefus dem reichen Jüngling gebe, habe darin
ihren Zufammenhang, dafs Jefus ihm fagen wolle: um
der Bezeichnung ,guP willen könne er ihm doch nicht
die von ihm gewünfehte, fondern immer nur Gottes
Antwort geben; dafs er ihn ,guter Meifter' nenne, thue
hier nichts zur Sache; es käme allein auf Gottes Gebot
an, das er kenne. — Nach V. 22—30 betont Jefus, dafs
wenn auch bei allen Menfchen der Eingang ins Himmelreich
nur durch Gottes Gnade möglich werde, fo beftehe
doch auch ein Lohn für die befonderen Entbehrungen
, welche fich die 12 Jünger auferlegt hätten. Sie
follten bei der unmittelbar bevorftehenden religiös-fitt-
lichen Erneuerung Israels mit ihm eine mafsgebende
Herrfchaft ausüben und was fie an Perfonen und Belitz
jetzt verlören, würden fie dadurch ja vielfältig wieder
erhalten. Seeberg hält jede efchatologifche Deutung
hier für ausgefchloffen. Im ewigen Leben aber flehe
den Jüngern kein Vorzug zu; denn da träte oft der Fall
ein, dafs Erftberufene Letzte würden und umgekehrt wie
es das Cap. 20, iff folgende Gleichnifs lehrt. (S. 144—170.)

Reinhold Seeberg giebt eine Darflellung der Bufs-
lehre des Duns Scotus und weift an derfelben nach, wie
fie einerfeits fehr richtige Elemente enthalte, die den
reformatorifchen Anfchauungen vorarbeiten: die Auffaffung
der Sünde als Schuld, die Sündenvergebung als
Ziel, die pfychologifche Deutung des Bufsvorganges, die
Entwerthung der einzelnen Satisfactionswerke, andererfeits
aber in bedenklichfter Weife zur Verflachung der katholifchen
Anfchauung beigetragen habe, durch die Auf- I

faffung der Sünde nur als Schuld- und Strafverhältnifs,
durch Annahme eines mechanifchen Zufammenhangs
zwifchen göttlichem und menfehlichem Handeln und durch
die Herabminderung der Abfolutionsbedingung zu einem
Minimum einer fehr oberflächlichen attritio. Vorrefor-
matorifches und Jefuitifches liegen hier dicht bei einander.
(S. 171—1950

Wilhelm Volck bringt einen Beitrag zur Erklärung
des mofaifchen Segens Deut. 33. Unter Rückbeziehung
auf feine vor 25 Jahren über diefes Capitel gefchriebene
Monographie erörtert V. zunächft in Auseinanderfetzung
mit Dillmann, Öttli u. A. exegetifch den Anfang und den
Schlufs des Segens und zieht feine früher ausgefprochene
Behauptung von der mofaifchen Abfaffung zurück. Eine
Befprechung der Segensfprüche für die einzelnen Stämme
führt ihn dann zu dem Endrefultat, dafs das Capitel
eine Sammlung einzelner zum Theil vielleicht mofaifcher
Segenfprüche fei, die in ihrer heutigen Form nicht der
Zeit nach der Reichsfpaltung (Dillmann), auch nicht der
Zeit Davids (Oettli) fondern der ausgehenden Richterzeit,
in welcher die Stämmeverfaffung noch in voller Geltung
ftand, angehören müffe. (S. 196—219.)

Ferdinand Mühlau widerfpricht in einem Capitel
,Zur Paulinifchen Ethik' der von P. Wernle und W. Karl
aufgeftellten Behauptung, dafs Paulus die Sünde beim
gerechtfertigten Chriften eigentlich nicht kenne und den
Stand der Sünde und den der Gnade lediglich fucceffiv
auffaffe in wefentlichem Unterfchied zu der reformatorifchen
Auffaffung. Nicht in polemifcher Einzelaus-
einanderfetzung mit den genannten Theologen, fondern
durch pofitive Darlegungen im Anfchlufs namentlich an
Rom. 7 u. 8. 1 Cor. Phil. 3,12fr. Gal. 5,13, fucht er zu
zeigen, wie Paulus ganze Wirkfamkeit und fein Ernft in
der Auffaffung der den Chriften geftellten Lebensaufgabe
gar nicht zu verliehen fei, ohne ihm eine fowohl auf
eigener noch gegenwärtiger Erfahrung als auch auf der
Beurtheilung feiner keineswegs vollkommenen Gemeinden
ruhende tiefe Erkenntnifs des auch dem gerechtfertigten
Chriften noch obliegenden Kampfes mit der Sünde zuzutrauen
. (S. 220—244.)

In dem letzten Auffatz veröffentlicht Johannes
Haufsleiter aus einem Mifchbande der Stolberg'fchen
Bibliothek (Hc. 1115) ein kurzes Verzeichnis der loci
praeeipui des Melanchthon vom Jahre 1531, defselben
Reformators Thefen über die Rechtfertigung, die be-
fonders, nicht etwa für die Apologie, im April 1531 auf-
geftellt und an Brenz gefchickt wurden und eine kurze
disputatio de ecclesia. Befonders die Thefen über die
Rechtfertigung haben hervorragende Bedeutung für die
Beurtheilung der leifen Wandlungen in den Anfchauungen
Melanchthon's. Auch für die ganze Art feiner Textänderungen
find die Thefen charakteriftifch. Dafselbe
textgefchichtliche und dogmengefchichtliche Intereffe
erwecken auch die Thefen Amsdorfs, die Haufsleiter noch
in einem Anhang mittheilt. (S. 245—258.)

Berlin. Ed. von der Goltz.

Merx, Adalbert, Die vier kanonischen Evangelien nach ihrem
ältesten bekannten Texte. Ueberfetzung der fyrifchen im
Sinaiklofter gefundenen Palimpfefthandfchrift. I. Theil:
Ueberfetzung. Berlin, G. Reimer, 1897. (V, 258 S.
gr. 8.) M. 5.-

Die vorliegende Ueberfetzung des Sinai-Syrers ift
fchon im vorigen Jahr in der Chriftlichen Welt und neuerdings
(von Harnack) in den Preufsifchen Jahrbüchern den
weiteften Kreifen empfohlen worden; mit grofser Spannung
fieht der Unterzeichnete der,Erläuterung'entgegen, welche
als zweiter Theil auf dem einen Titelblatt angekündigt
ift; doch foll mit der Anzeige nicht bis auf deffen Er-
fcheinen gewartet werden. Merx wollte zuerft wie es
fchon Baethgen mit dem Cureton'fchen Syrer get'han hat,

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