Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1898 Nr. 11

Spalte:

291-293

Autor/Hrsg.:

Schaefer, Rud.

Titel/Untertitel:

Das Herrenmahl 1898

Rezensent:

Lobstein, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

291

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. II.

292

man nicht dem Verf. eine bewufste Entftellung der Ge-
l'chichte zutrauen will. Die Art. Colossians (von Murray;
und Ephesians (von Lock) gehen auf die kritifchen Fragen
wenig ein und fetzen die Echtheit diefer Briefe voraus.
In Betreff des Epheferbriefes wird fogar bemerkt: Tliere
can be little doubt, tliat the writer is St. Paul (p. 717).
Sorgfältig ift der Artikel Corinthians (von Robertfon).

Als gehaltvolle Artikel feien noch hervorgehoben:
Agricullure (Paterion), Alphabet (Taylor), Apocryplia
(Porter), Assyria (Hommel), Babylonia (Hommel), Chro-
nology of the New Testament (von Turner p. 403—425),
Dress (von Mackie), Eschatology (von Davidfon, Charles
und Salmond p. 734—757). — Befonders möchte ich aber
noch die gründlichen Artikel über die Bibelüberfetz-
ungen hervorheben: Arabic versions (von Burkitt
p. 136—138), Armeuian verstau (von Conybeare p. 151
bis 154), Egyptian versions (von Forbes Robinfon p.
668—673), Ethiopic version (von Charles p. 791—793).
Sie find von Fachmännern gefchrieben und bieten eine
auch für deutfche Lefer werthvolle Orientirung (bei dem
grofsen Format — gefpaltene Quartfeiten — fteht auf
einer Seite faft dreimal fo viel wie auf einer gewöhnlichen
Druckfeite).

Die Ausftattung ift fo, wie man es bei englifchen
Werken gewöhnt ift (bei deutfchen leider noch nicht).
Der fcharfe und reine Druck auf gutem Papier bereitet
dem Auge trotz der verhältnifsmäfsig kleinen Schrift
keine Schwierigkeiten.

Göttingen. E. Schürer.

Schaefer, Lic. Rud., Das Herrenmahl, nach Urfprung und
Bedeutung mit Rückficht auf die neueften Forfchungen
unterfucht. Gütersloh 1897, C. Bertelsmann. (VII,
420 S. gr. 8.) M. 6.—

,Urfprünglich lag nur die Abficht vor, die von Ad.
Jülicher 1892 vorgetragenen und fehr beftimmt behaupteten
Anfchauungen und Ergebnifse nachzuprüfen
und zu betrachten, allein der dadurch bedingte Charakter
der Arbeit war ein eklektifcher, manche Einwürfe gegen
die fo einfachen und gefchloffenen und wenigftens mit
diefer Entfchiedenheit noch nicht vorgetragenen Ergebnifse
und Anfchauungen Jülicher's erfchienen ungenügend
begründet, und fo flehte fich fchon im Verlauf
diefer fpeciellen Unterfuchung die Nothwendigkeit heraus,
die fämmtlichen neuen oder doch in neuer Form auftretenden
Ergebnifse in den Kreis der Unterfuchungen
zu ziehen; fo ift die Arbeit ganz von felbft eine um-
faffendere geworden als urfprünglich beabfichtigt war' (2).
In der That giebt zunächft die fehr breite und umftänd-
liche Schrift eine Ueberficht der Refultate der neueften
Forfchungen, indem fie auf die praktifchen Confequenzen
hinweift, die fich aus jenen Forfchungen ergeben. ,Da
nach Jülicher, Spitta, Gräfe u. A. für die Einfetzung des
Abendmahls durch Chriftus kein ftrikter Schriftbeweis
erbracht werden kann, nach evangelifchem Prinzip aber
die Autorität der Schrift fchliefslich entfcheidet, überdies
nach evangelifcher Lehranfchauung zu einem Sacrament
die Einfetzung Chrifti unbedingt und unbeftritten gehört,
fo ift das Abendmahl von Anfang an bis jetzt
fäl fehl ich als Sacrament gefeiert worden' (S. 44).
,Gemäfs diefer Problemftellung werden es zwei Hauptfragen
fein, die zur Erörterung gelangen müffen: I. Hat
wirklich Jefus das letzte Mahl nur als einmalige Feier
gedacht und nicht feine Wiederholung beabfichtigt? oder
die Frage nach dem Urfprunge des Abendmahls
(S. 50—281). IL Welches ift der Sinn des Abendmahls,
wie ihn die einzelnen Berichte ergeben? oder die Frage
nach der Bedeutung des Herrenmahls (285—411).
Ein kurzer Schluss (411—420) befpricht die Entwickelung
der Abendmahlsfeier im apoftolifchen Zeitalter und
fkizzirt die fonftigen Abendmahlsvorftellungen im Neuen
Teftament. —

Im erften Theile feiner Unterfuchung verweilt Sch.
länger bei der Zeit und dem Anlafs des letzten Mahles
Jefu. Im Gegenfatz zur Mehrzahl der neueren Forfcher
kehrt er zur früher allgemein vertretenen Anfchauung von
dem Paffahcharakter des Abendmahls zurück: Jefus hat
das Herrenmahl im äufseren und inneren Anfchlufs an

i das Paffahmahl eingefetzt. Es handelt fich nämlich um
eine wirkliche Stiftung Jefu, um eine zu wiederholende
Handlung. ,Die Feier ift nicht innerhalb der Gemeinde

! erft aufgekommen, auch nicht dem inneren Bedürfnifs
entfprungen. Haben die Jünger die Feier wiederholt,
fo hat Jefus diefe Wiederholung auch angeordnet: fie

, haben ihn völlig verftanden und danach gehandelt. Bei

1 jeder Beftreitung der Einfetzung des Abendmahls durch

| Jefum felbft, fie mag in einer Form vorgetragen werden,

j wie fie will, werden die Schwierigkeiten, den Gang der
Entwickelung zu begreifen, immer gröfser; wenn aber
Jefus das Abendmahl eingefetzt hat, dann ift die Feier
defselben durch die Jünger felbftverftändlich, und die
ganze Entwickelung wird begreiflich' (S. 280). Im zweiten

I Theil feiner Schrift unterfucht Sch. den Sinn der Abendmahlsworte
bei Marcus (293—300), bei Matthäus (300—302),

1 bei Lucas (302—309), und in einem fehr eingehenden
Abfchnitt, bei Paulus (310—411). ,Wenn Jefus, wie
fämmtliche Abendmahlsberichte bezeugen, fein Wefen
durch „Leib und Blut" alfo reale Dinge umfehrieben und
bezeichnet hat, fo folgt daraus, dafs es fich um realen
Genufs des realen Chriftus und nicht um symbolifche
Handlungen nur und ideale Aneignung gehandelt hat
und handelt. Und ich fehe nicht, dafs Paulus hierin dem
Willen Chrifti eine andere Deutung gegeben hat. Chriftus
gibt feinen Leib und fein Blut zum Genuffe in dem von

1 ihm geftifteten Herrenmahl, Paulus hat nichts anderes
ausgefagt'(408). . . . ,Die hiftorifche Auffaffung des Abendmahls
ift zu feiner Erklärung nothwendig, die fymbolifche

1 wird ihm nicht gerecht, die magifche widerfpricht feinem

! Wefen, die myftifche wird ihm noch am meiften gerecht:
der Glaube allein empfängt im Genuffe, was Jefus ihm
verheifsen hat, feinen Leib und fein Blut' (420). Zieht

i man nun noch in Betracht, dafs nach Paulus auch der
Unwürdige Leib und Blut des Herrn geniefst (395—400),
fo erhellt, dafs Sch. schliesslich zur kirchlich-lutherifchen
Lehre vom Abendmahl anlangt. Diefes Refultat erreicht
der Verf. nach einem weitfehweifigen vielverfchlungenen

j Wege und indem er einen fehr reichen Stoff in Bewegung
fetzt. Bei aller Anerkennung, die der Gelehrfamkeit des
namentlich in der neueren Literatur fehr heimifchen Verf.'s
gebührt, kann man fich des Gefühls nicht erwehren, dafs
eine knappere und gedrängtere Darfteilung den Eindruck
und die Wirkung des Buches wefentlich erhöht hätte;
die Auseinanderfetzungen mit den zuerft in längerer
Ausführung mitgetheilten Hypothefen bringen mancherlei
Wiederholungen mit fich, und auch fonft ergeht fich der

I Exeget in breitfpurigen Unterfuchungen, die des Lefers
Geduld zuweilen auf eine harte Probe ftellen. Es foll
indeffen nicht in Abrede geftellt weiden, dafs das Buch
im Einzelnen manchen richtigen Blick gethan und zur
Kritik der neueften Löfungsverfuche werthvolle Beiträge
geliefert hat. In eine nähere Discuffion einzutreten ift
hier nicht der Ort. Es mag genügen zu bemerken, dafs

| Sch. beftrebt ift, rein hiftorifch zu Werk zu gehen und
das Gebiet der Exegefe von dem der Dogmatik ftreng
zu unterfcheiden; dafs diefer Verfuch gelungen fei, wird
man angefichts zahlreicher Stellen bezweifeln dürfen.
Oft genug fchweift der Blick des Hiftorikers über die
der Gefchichte gezogenen Grenzen hinweg in das Gebiet
der Speculation oder des Dogmas. ,Die Anerkennung
der fubftantiellen Gegenwart Chrifti im Abendmahl läuft
thatfächlich auf die prinzipielle Anerkennung des Mysteriums
in dem Chriftenthum hinaus .... Die Worte (des

| Marcusberichtes) bedeuten, was fie fagen und wie fie lauten:
Jefus hat feinen Jüngern feinen Leib und fein Blut zum Genuffe
dargereicht und ihnen getagt, dafs er es ihnen zu gut