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Ausgabe:

1897

Spalte:

689-690

Autor/Hrsg.:

Katzer, Ernst

Titel/Untertitel:

Das evangelisch-lutherische Kirchenwesen der sächsischen Oberlausitz 1897

Rezensent:

Drews, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 26.

690

in der Einleitung unter Nr. VI und VII (S. LXXI-CLIX)
ausführlich berichtet. Die Schede'fche Arbeit hat aber
auch ihre Bedeutung für die Kirchengefchichte, nicht nur,
weil fie ein Document für die Bemühungen Friedrichs III.
ift, den reformirten Glauben in der Pfalz zu befeftigen
(S. XVI), fondern wegen ihrer Stellung unter den poetifchen
Pfalmenüberfetzungen überhaupt. Es wäre gewifs manchem
erwünfcht gewefen, wenn Jellinek im dritten Abfchnitt
der Einleitung nicht nur die Gefchichte der Schede'fchen
Pfalmenüberfetzung behandelt, fondern in der Kürze einen
Ueberblick über die verfificirten Pfalmenüberfetzungen
— wenigftens des 16. Jahrhunderts — gegeben hätte.
Auch die lateinifchen Ueberfetzungen wären da heranzuziehen
.

Schede's Arbeit ift eine Uebertragung des von Clement
Marot — nach feinem Tode von Theodor Beza —
in franzöfifche Verfe gebrachten Pfalters. Sie ift aber
nicht zur Vollendung gediehen, fondern erhält nur die
tillen 50 Pfalmen. Auch hat fie ihren Zweck, die pfäl-
zifchen Kirchen mit fangbaren Pfalmen zu verfehen,
nicht erfüllt. Ambrofius Lobwaffer's Pfalmenüberfetzung
hat ihr den Rang abgelaufen. Doch ift fie ein intereffantes
Literaturdenkmal, das mit Recht vor völliger Vergeffen-
heit bewahrt ift. Jellinek's Ausgabe ift aufserordentlich
fleifsig und forgfältig gearbeitet.

Efchershaufen (Brfchw.) Ferdinand Cohrs.

Katzer, Past. prim. Dr. Ernft, Das evangelisch-lutherische
Kirchenwesen der sächsischen Oberlausitz. Leipzig, G.
Wigand, 1896. (X, 528 S. gr. 8.) M. 9.—

Wir haben es hier mit einem höchft intereffanten
Beitrag zu der noch fo ftiefmütterlich behandelten Gefchichte
der proteftantifchen Kirchenverfaffung zu thun.
Zwar kann, wie der Verf. im Vorworte (S. VI) den Titel
feines Buches begründend fagt, eigentlich von einer
Kirchenverfaffung im Sinne einer einheitlichen Orga-
nifation hier nicht geredet werden, fondern nur von einem
Ki rchen wefen. Denn die kirchliche Organifation der
fächf. Oberlaufitz lutherifchen Bekenntniffes hat fich fo
principlos, fo wenig organifch entwickelt, und ift nach
der Ueberzeugung des Verf. fo wenig der Kirche dienlich
und darum für die Zukunft haltbar, dafs der prac-
tifche Zweck feines umfänglichen Werkes ein kräftiger 1
Aufruf ift, die kirchliche Organifation der fächf. Oberlau fitz
endlich der der fächf. Erblande ganz gleich zu geftalten.
Im letzten Mauptabfchnitte werden eingehend alle Gründe
für und wider die Sonderftellung des Oberlaufitzer Kirchen-
wefens erwogen. Das Refultat ift, wie gefagt, die Ver-
urtheilung der beftehenden Zuftände. Auch wer nicht
eine fo aggreffive Stellung in diefer Frage einnimmt wie
der Verfaffer, wird doch bei vorurtheilslofer Prüfung ge-
ftehen müffen, dafs die völlige Gleichheit der kirchlichen
Organifation der Oberlaufitz mit der der Erblande ihr
nicht den geringften Schaden in ihrem kirchlichen Leben
bringen, wohl aber manche Vortheile bieten wird Ich
bemerke übrigens, dafs das Buch in Sachfen die Gemüther
fehr erregt hat. Dafs Katzer's Vorfchlag zur
Durchführung komme, ift aber, foviel ich weifs, für's
erfte nicht zu erwarten.

Doch wie ift das Kirchenwefen der fächf. Oberlaufitz
organifirt? Um es fo kurz wie möglich zu fagen: Die
Oberlaufitz kennt keine Superintendenten, die mit den
Amtshauptmannfchaften die Kircheninfpection wahrnehmen
, fondern diefe letztere liegt für die ,Vierftädte'
Bautzen, Löbau, Zittau und Kamenz theils bei den Ma-
giftraten diefer Städte (in externis), theils bei der Königl.
Kreishauptmannfchaft zu Bautzen (in internis), für das
,Land' (einfchliefslich aller Städte mit Ausnahme der
Vierfiädte) bei der zuletzt genannten Behörde allein.
Die höchfte kirchliche Behörde bildet natürlich auch für
die Oberlaufitz das Landes-Konfiftorium zu Dresden.

Wer nun der Frage, ob diefe kirchliche Ordnung
zweckmäfsig fei oder nicht, gleichgültig gegenüberfleht,

dem wird doch der gefchichtliche Theil des Werkes _

und er umfafst drei Viertel des Ganzen — von hohem
Intereffe fein. Denn hier wird nachgewiefen, nicht allein
wie diefe eigenthümliche Verfaffung entftanden ift, fondern
auch wie fie die Quelle endlofer Streitigkeiten und der
wiederholte Anlafs zu Reformverfuchen geworden ift. In
der That, es find wunderbare Zuftände, die fich in Folge
der politifchen und kirchlichen Gefchichte in der Oberlaufitz
entwickeln konnten! So wurden im 16. Jahrhundert
noch fämmtliche proteftantifche Geiftliche diefer Kirchenprovinz
, die in Wittenberg fich ordiniren liefsen, vom Dekan
des kathol. Bautzner Domcapitels inftallirt und in einem
Colloquium auf die Augsburgifche Confeffion geprüft,
damit nicht etwa ein Kryptocalvinift ins Land käme! Das
Unerträgliche und Unwürdige diefer Zuftände empfanden
1 die evangelifchen Stände lebhaft, und bis 1609, bez. 1635,
in welchem Jahre die Oberlaufitz von Böhmen an Sachfen
kam, gehen die Verfuche, fich eine felbftftändige und
klar geordnete Kirchenverfaffung zu geben Seit jener
Zeit erlahmt jener Eifer und fchlägt in einen oft kleinlichen
und unevangelifchen Trotz um, den fächf. Landen
gegenüber die Laufitzer Sonderrechte zu wahren. End-
lofe Streitereien zwifchen dem Oberconfiftorium zu Dresden
, dem Domcapitel zu Bautzen, dem Oberamte zu
Bautzen, den Magiftraten der Sechsltädte, den Collatoren
füllen das 17. und 18. Jahrhundert aus. Es handelt fich
dabei um die geiftliche Gerichtsbarkeit, um das Kirchenvermögen
, um Einrichtungen von Gottesdienften, An-
ftellung von Pfarrern und dgl. Eine wirkliche Entwicklung
zu feften und klaren Zuftänden vollzieht fich nicht.
K. kann fchreiben: ,Seit 1520, alfo feit der Reformation',
ift das evangel.-luther. Kirchenwefen in der Oberlaufitz'
im Grunde faft unverändert geblieben' (S. 398).

Die Darfteilung ruht in ihrem gefchichtlichen Theil
auf den gründlichften archivalifchen Studien. Dafür gebührt
dem Verf. warmer Dank. Doch geftatte ich mir,
ihm zur Erwägung anheimzugeben, ob fich nicht nocl*
viel mehr diefes archivalifchen Stoffes in den Anhang
verweilen liefse, als es fchon gefchehen ift. Dadurch
wurde die Darfteilung von manchem nebenfächlichen
Stoff entladet werden. Auch wäre wohl der Verfuch zu
machen, den Stoff noch mehr nach feften Gefichtspunkten
zu gruppiren, um der Darfteliung mehr Ueberfichtlichkeit
zu geben. Und um noch einen dritten Wunfeh zu
äufsern: Gute Regifter würden die Brauchbarkeit des
Buches wefentlich erhöhen. —. Folgende wichtigeren
Druckfehler find mir aufgefallen: S. 3 ift Z. 13 von oben
ftatt 1638 zu lefen 1635, S. 31 Z. 8 von unten 1832 ftatt
1532 und S. 61 Z. 9 von unten 1555 ftatt 1558. — S. 40
ift in Anmerkung 1 auf Müller, a. a. O., 56fr. verwiefen.
Das Werk von Müller — gemeint ift: Verfuch einer
oberlaufitzer Reformations-Gefchichte — ift aber im Vorhergehenden
noch garnicht genannt. — Der Hofprediger
Maximilian's II. wird S. 66 Phaufer ftatt Pfaufer genannt.
— Wenn S. 57 aus der Thatfache, dafs ,vom Anfange
der Reformation an bis zum Jahre 1560 mehrmals Glöckner
, Küfter, Schulmeifter, Schreiber, Handwerker, Bürger
und Bauern zu evangelifchen Pfarrämtern berufen werden
mufsteir, gefolgert wird, dafs es an der wendifchen Sprache
kundigen Predigern gefehlt habe, fo ift diefer Schlufs
nicht ftichhaltig. Aus den genannten Ständen traten
überall auch fonft in der Reformationszeit die Pfarrer in
den Kirchendienft über.

Jena. Drews.