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Ausgabe:

1897 Nr. 23

Spalte:

619-621

Titel/Untertitel:

Grosse illustrierte Haus- und Familien-Bibel. od. die ganze hl. Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung D. Mart. Luthers 1897

Rezensent:

Schlosser, Georg

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619

Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 23.

620

Grosse illustrierte Haus- und Familien-Bibel, od. die ganze hl.
Schrift des Alten und Neuen Teftaments nach der
deutfchen Ueberfetzung D. Mart. Luthers. Durch-
gefehen im Auftrage der deutfchen evangelifchen
Kirchenconferenz. Mit erklärenden Anmerkungen von
P. Langbein u. andern evang. Geiftlichen und mit
den bildlichen Darftellungen der bedeutendftenKünftler.
1. u. 2. Hft. Reutlingen, Enfslin & Laiblin, 1896. (N.
T. S. 1-80. Fol.) ä M. — 50

Die Anzeige diefes Werkes hat fich durch verfchie-
dene Gründe unliebfam verzögert. Unter anderem glaubte
Referent mit feinem Urtheil zurückhalten zu follen, bis
noch einige weitere Hefte erfchienen wären. Da folche
ihm bis jetzt nicht zugegangen find, ift er freilich doch
für feine Beurtheilung auf die ihm allein vorliegenden
beiden erften Hefte des Neuen Teftaments angewiefen.

Nach dem auf dem Umfchlag beigegebenem Pro-
fpect begründet die Verlagshandlung die Dafeinsberech-
tigung diefer Bibelausgabe auf dreierlei, nämlich erftens
auf die Darbietung des revidirten lutherifchen Bibeltextes,
fodann auf die Sorgfalt, die auf eine würdige Ausftattung,
befonders mit fchönem, weifsem, holzfreiem Papier und
grofsem, klarem Druck verwandt fei, und vor allem auf die
darin enthaltene werthvolle Anleitung zum Bibelverftänd-
nifs. Den erften Vorzug theilt übrigens das Werk mit anderen
Bibelausgaben, z. B. mit der gleichfalls in diefer
Zeitfchrift angezeigten Bibel von Pfleiderer. Es berührt
darum etwas peinlich, wenn die Bemerkung: ,Durch-
gefehen im Auftrag der deutfchen evangelifchen Kirchenconferenz
' auf dem Titel fo ftark hervorgehoben ift,
zumal dadurch der falfche Anfchein erweckt werden
könnte, als ob das Werk felbft im Auftrag der Kirchenconferenz
herausgegeben fei.

Was die Anleitung zum Schriftverftändnifs anlangt,
fo ,haben fich hier dreierlei Gehilfen verbunden, um Dich
in das tiefere Verftändnifs der heiligen Schrift einzuführen
, nämlich der Landfchaftszeichner, der Hiftorien-
maler und der Bibelkundige'. Dazu follen noch Karten,
Zeittafeln und ein Bibellefeplan für die Hausgottesdienfte
kommen.

Gehen wir zunächft auf die Illuftration ein, fo
fcheint fie uns, fowohl nach der Seite der Auswahl der
Bilder, als auch der Vollendung der Reproduction, die
fchwächere Seite des Werkes zu fein. Es fehlt da alle
und jede Originalität. Faft durchweg begegnen wir fehr
bekannten Bildern. Das gilt ebenfo von den gefchicht-
lichen Darftellungen, wie von den Landfchaften. Bei den
erfteren hl es vor allem Schnorr, der die Kotten be-
ftreiten mufs. Neben ihm find nur noch Pfannfchmidt
mit zwei Vollbildern, dann Overbeck, Führich und Jäger
mit wenigen Bildern vertreten. Wenn trotzdem die Verlagshandlung
verfichert, fie habe fich von dem gichtigen
Grundfatz' leiten laffen: ,Für das Volk ift das Bette nur
gut genug', fo fleht ja das eingefchlagene Verfahren nicht
geradezu im Widerfpruch damit. Die Schnorrifchen
Bilder gehören zweifellos zum Edelften und Betten, was
wir auf diefem Gebiete haben. Aber die Schnorrifche
Bibel wird heutzutage fo viel ausgefchlachtet für biblifche
Gefchichtsbücher, Transparente und für alle möglichen
Illuftrationen, dafs man bei einem fo grofs angelegten
Werke wohl erwarten darf, anderen Darftellungen zu begegnen
, die Einem etwas Neues zu fagen haben. Und
wollten wir darüber bei einem Werke, das ausgefproche-
nermafsen lehrhafte Zwecke verfolgt, und daher nicht
von ftreng künftlerifchen Gefichtspunkten aus beurtheilt
fein will, auch hinwegfehen, fo müfsten doch an die Reproduction
, gerade auch im pädagogifchen Intereffe, die
höchften Anforderungen geftellt werden. Und gerade
Schnorr bedarf, wenn die fchlichte Gröfse feiner Gehalten
wirken foll, der forgfältigften Nachbildung. Er hat fie

hier nicht in wünfchenswerther Weife gefunden (cf. z. B.
die Bergpredigt, Heft I, S. 18).

Der Schwerpunkt des Werkes und fein Hauptvorzug
liegt in den Erläuterungen zum Schrifttext, die durch
Einleitungen und durch kurze Anmerkungen unter dem
Texte gegeben werden. Es kommt damit einem fchon
vielfach ausgefprochenem Bedürfnifs entgegen. Gerade
eine folche Bibelausgabe mit knappen Einleitungen und
Anmerkungen thut uns noth. Freilich wäre dafür im
Intereffe des praktifchen Gebrauchs und einer möglichft
weiten Verbreitung eine handlichere Form und ein billigerer
Preis zu wünfchen, als es bei folch einem illu-
ftrirten Werke möglich ift.

Gehen wir zum einzelnen über, fo enthalten die beiden
erften Hefte den Anfang des Neuen Teftaments, nämlich,
nach einer Einleitung, das Evangelium des Matthäus
t und die erften Capitei des Markus. In der Einleitung
werden in vier Abfchnitten die Fragen behandelt: Wie
haben wir die Sammlung von Schriften anzufehen, die
wir unter dem Namen ,Neues Teftament' zufammen-
faffen? Was ift das für eine befondere Wahrheit, die im
J Neuen Teftament enthalten ift im Unterfchied vom Alten
j Teftament? Wie ift es zu der Sammlung von heiligen
i Schriften gekommen, die Du als Neues Teftament in
! Händen halt? Wer hat uns das koftbare Neue Teftament
I in fo reines, klares und kraftvolles Deutfch übertragen?
| Sämmtliche Fragen werden im ganzen im traditionellen
Sinne beantwortet. Der Verfaffer fcheint ja von der
Arbeit der modernen Theologie nicht völlig unberührt
I geblieben zu fein. Er redet von einer verfchiedenen
^Ausprägung der Wahrheit in den apoftolifchen Schriften,
I von einer eigenen Mund-und Schreibart, die jedem Apoftel
[ eignet, von dem eigenthümlichen Gepräge, die jede Schrift
durch die Eigenart des Schriftftellers und durch die Be-
: dürfniffe des Leferkreifes erhält. Jedoch von den eigenthümlichen
Problemen, die uns in diefen Schriften geftellt
find, von den Schwierigkeiten, die fich bei dem Verfuche
eines wirklich gefchichtlichen Verftändnifses ergeben,
merkt man nichts. Vielmehr erfcheint alles als ganz
ficher und ausgemacht. Die Evangelien find in der erften
Hälfte der fechziger Jahre an's Licht getreten. Es hat
allerdings ältere Lebensbefchreibungen Jefu gegeben.
,Nur diejenigen Evangelienfchriften, welche die vom
Herrn berufenen Evangeliften Matthäus, Markus und Lukas
zu Verfaffern hatten, wurden erhalten'. Haben wir es
da mit einem Glaubensurtheil oder mit einer gefchicht-
i liehen Ausfage zu thun? Und wenn letzteres, worauf
gründet fie fich? Auf einem Druckfehler mufs es beruhen
, wenn S. 9 gefagt wird, die Sammlung der heiligen
Schriften, welche wir unter dem Namen des Neuen
Teftaments zufammenfaffen, beftehe aus 5 Gefchichts-
büchern, 2 (?) Lehrbüchern und einem Weisfagungsbuch.

Neben diefer allgemeinen Einleitung fcheint dann
jeder einzelnen Schrift noch eine kurze befondere Einleitung
vorausgefchickt zu fein, die, foweit es aus diefen
beiden Heften erfichtlich ift, denfelben Charakter trägt,
wie die allgemeine.

Endlich ift der Text mit fortlaufenden erklärenden
- Anmerkungen verfehen. Diefe tragen im ganzen mehr
; einen praktifch erbaulichen Charakter. Der Zweck, den
j der Ausleger dabei verfolgt, wird im Profpecte folgen-
j dermafsen angegeben: ,Er will dir das nöthige Licht
j geben über den Heilsweg Gottes mit der Menfchheit,
über feine Arbeit an deinem Herzen, über das Erlöfungs-
; werk feines Sohnes Jefu Chrifti. Er will dabei dem vorarbeiten
, der bei der Erleuchtung des Menfchenherzens
! doch das Befte, ja alles thun mufs'. Das hat ja zweifellos
j fein gutes Recht. Ob aber der eigentliche, nächfte Zweck
1 eines folchen Bibelwerkes, der nämlich , Bibelforfchung
und Bibelverftändnifs in der Gemeinde zu fördern, dadurch
erreicht wird, mufs Referent bezweifeln. Wir wollen
mit dem Ausleger über feine eigenartigen Auffaffungen
nicht rechten. Dafs man von ihm nicht das Maafs an