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Ausgabe:

1897 Nr. 1

Spalte:

14-17

Autor/Hrsg.:

Hauck, Albert

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte Deutschlands. 3. Thl. 2. Hälfte. Das Uebergewicht des Königtums in der Kirche und der Bruch desselben durch Rom 1897

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. I.

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fchaft des Maximus Confeffor gegründet. Und die genauen
Lemmata des Johannes, die Autor, Schrift, oft
noch das Capitel angeben, gegenüber den blofsen Autorennamen
bei Maximus? Weiter die umfaffencleren Citate
des einen gegenüber den zufammengezogenen des andern?
Müfste nicht Johannes die gefammte kirchliche Literatur
durchgearbeitet haben, um die Citate des Maximus zu
identificiren und zu berichtigen? Dies Verfahren fcheint
der Verfaffer in der That S. 391 u. 392 nicht völlig aus-
zufchliefsen, obgleich er fich felbft durch eine Bemerkung
S. 203 richtet. Aber ficherer fcheint ihm wohl eine Aushilfe
, die ich wieder nur als Gewaltftreich bezeichnen
kann, die Annahme nämlich, dafs auch bei Maximus die
Lemmata urfprünglich ausführlicher waren (S. 392). Aber
die vermeintlichen Spuren dafür find eben einzelne Refte,
die die fpätere Bearbeitung aus dem Werke des ungleich
fleifsigeren und gelehrteren Vorgängers hat ftehen laffen.
Der Verfaffer wäre fchwerlich auf folche Irrwege gerathen,
wenn er die feften Refultate, die in diefer Frage bereits
gewonnen find, berückfichtigt hätte. Diefe hätten wenig-
ftens widerlegt werden muffen, ehe eine das natürliche
Verhältnifs umftürzende Hypothefe vorgetragen wurde.
H. Schenkl (Die epiktetifchen Fragmente) hat gezeigt,
dafs in dem Par. 1168 (f. Omont, Inventaire sommaire
des manuscrits grecs, Paris 1886, I, 233) die für Maximus
von Wachsmuth vorausgefetzten Quellen fich in ihrer
urfprünglichen Sonderung finden, eine nach Namen geordnete
Sammlung von Gnomen an erfter Stelle. Dafs
ein mit der Parifer Sammlung nächft verwandtes Florileg
Maximus' Hauptquelle ift, hat Schenkl durch die Analyfe
des profanen Theiles vieler Eklogen bewiefen (vgl. feine
Ausgabe des Epiktet S. 481, Elter's Gnonucall, S.8). Das-
felbe Verhältnifs der Abhängigkeit des Maximus vom Corpus
Par. hat Elter Gnomica I S. 48 (vgl. S. 38) für die Gnomen
des Euagrius feftgeftellt und zugleich bewiefen, dafs die
Gnomen des Euagrius aus Johannes Damascenus zu-
fammengeftellt fein müffen, weil aus ihm fich manche
Irrthümer in den Lemmata erklären. Und das gleiche
Verhältnifs einer von Johannes Damascenus über Par.
zu Maximus führenden Ueberlieferung hat fich mir durchweg
für die Philofragmente beftätigt (vgl. Philonis Opera
Bd. I, S. LXVIII, II, S. 6. 30. 175) und wird für die
Sacra überhaupt gelten. Leider find die Refultate der
Unterfuchungen von Schenkl und Elter auch in Harnack's
Altchriftl. Lit. S. 842 von Preufchen nicht berückfichtigt;
aber durch meine Befprechung in diefer Zeitfchrift 1893
Nr. 20 und durch einen Hinweis bei Loofs S. 107 hätte
der Verfaffer wohl auf diefe Forfchungen aufmerkfam
werden können.') — Auch zeigt fich Holl von der modernen
Unfitte nicht ganz frei, die von Andern bereits gewonnenen
Refultate oder ihm gewordenen Anregungen nicht
deutlich als folche zu bezeichnen. Die Gründe, die gegen
eine alphabetifche Ordnung des 3. Buches fprechen
(S. 280 u. 281), hat zuerft Loofs S. 136 hervorgehoben.
Derfelbe hat auf die Uebereinftimmung mit Antiochus'
Pandektes S. 143 hingewiefen, die Holl freilich erft richtig
aus Abhängigkeit des Johannes erklärt. Den Grundflock
von L» hat fchon Loofs S. 27 in R erkannt. Ein Regifter
wäre wünfchenswert gewefen.

Ich betone ausdrücklich, dafs meine Einwendungen
fich nur gegen den letzten, weniger umfangreichen Theil
richten, in dem der Verfaffer fich auf Fragen einläfst, die [
erft fpruchreif fein werden, wenn das in Elter's Befitz j
befindliche handfchriftliche Material bekannt gemacht
fein wird. Durch feine Forfchungen über Johannes Damascenus
hat fich der Verfaffer das gröfste Verdienft erworben
. Er hat die genauefte Befchreibung der Hand-
fchriften gegeben und ihr Verhältnifs ficher beftimmt.
Er hat auf Grund eines umfaffenden und mit grofsem

1) Eine Ueberficht der neueren Forfchungen über die Florilegien-
literalur findet man jetzt in der zweiten Auflage von Krumbacher's Gefch.
der Hyz lit S 217. 218. 601. Dafelbft urtheilt S. 217 Ehrhard über
Maximus' EcUgat richtiger als Krumbacher S. 600.

Gefchick überfichtlich gruppirten Materials die Gefchichte
der Ueberlieferung des Werkes von der zu reconftruirenden
Urgeftalt bis zu den primären und fecundären Ueber-
arbeitungen in allen ihren Verzweigungen und Kreuzungen
erfchöpfend behandelt. Er hat den Autor beftimmt und
die das Werk beherrfchenden theologifchen Tendenzen
dargelegt. Das literarifche Problem, das die Ueberlieferung
flellt, ift damit erledigt. Denn der Mifsgriff des
Verfaffers, wonach die Forfchung eigentlich von Neuem
bei Maximus als an der Wurzel einzufetzen hätte, ift
eben zu befeitigen. Die Erforfchung der fpäteren mit
dem Corpus Paris, beginnenden Entwickelungsreihe wird
das Material für die Sacra nicht wefentlich vermehren
und mehr literarhiftorifches Intereffe haben. Die Hauptaufgabe
für die Theologen bleibt nun die methodifche
Ausnutzung der Handfchriften für die Kirchenväter. Für
die Patres Antenicacni befitzt der Verfaffer das Material.
Wer es für einen der Späteren fammeln will, dem find
durch die Vorarbeiten des Verfaffers die Wege gewiefen,
die Probleme aufgeklärt, die jeder einzelne Äusfchnitt
aus diefer Literatur im Umfang der Citate, gemeinfamen
Corruptelen, Abweichungen und Verfchiebungen der
Lemmata bietet, und die eben nur in den gröfseren
Problemen der Gefchichte des Werkes ihren Grund haben
und ihre Löfung finden.

Charlottenburg. Paul Wendland.

Hauck, Prof. Dr. Alb., Kirchengeschichte Deutschlands. 3.Th 1.

2. Hälfte. Das Uebergewicht des Königtums in der
Kirche und der Bruch desfclben durch Rom. Leipzig,
Hinrichs, 1896. (VIII u. S. 387—1041. gr. 8.) M. 10.50

Dafs durch des Referenten Schuld die Anzeige diefes
Halbbandes ungebührlich lange verzögert ift, hat vornehmlich
darin feinen Grund, dafs Referent fich unfähig
fühlte, diefem bedeutenden Buche, das nach dem Gefetz
der Beharrung in feine Hände gelegt wurde (vgl. Jahrgg.
1887 Sp. 171 ff.; 1891 Sp. 126 ff.; 1894Sp. 292 ff.), als Referent
gerecht zu werden. Es ift beneidenswerth, zwifchen dem
32. und 51. Jahre folche Kraft des Wachfens bethätigen
zu können, wie fie Hauck in feinen Publicationen von
dem Buche über Tertullian (1877) an bis zu diefem Halbbande
gezeigt hat. Wer vor 16 Jahren feinen Artikel
,Kirchengefchichte' in der Real-Encyklopädie (VII, 732
—40) las, wird nicht vermuthet haben, dafs fein Verfaffer
der Meifter kirchenhiftorifcher Darftellung werden würde,
als welchen ihn feine Kirchengefchichte Deutfchlands in
wachfendem Mafse erwiefen hat. Den erften Band diefes
Werkes anzuzeigen, habe ich noch mit Zuverficht übernommen
— ihm gegenüber haben manche Hiftoriker es
noch verkennen können, dafs Aufsergewöhnliches von
diefem Buche erwartet werden dürfe —; fchon dem
zweiten Bande gegenüber hat es mich bedrückt, urtheilen
zu follen, wo die Vorausfetzung rechten Urtheilens, gleiches
Können, fehlte. Bei der ersten Hälfte diefes dritten
Bandes habe ich defshalb auf ein Referat mich befchränkt.
Ein Referat der gleichen Art würde bei diefem Halbbande
nicht nur gar zu umfangreich werden — die 600
Seiten des Buches umspannen eine der grofsartigften und
bewegteften Epochen unterer kirchlichen Gefchichte,
die Zeit von 1002—1122 —; ein trockenes Referat wäre
auch ein Unrecht gegenüber diefem fchönen Buche lebens-
vollfter Frifche, fo reichen Inhalts, fo femer Ausführung
in allen Einzelheiten. Ich weifs daher der Aufgabe des
Referenten, die ich dem nächften Bande gegenüber nicht
wieder auf mich nehmen werde, nur dadurch, foviel ich
vermag, gerecht zu werden, dafs ich meiner ungetheilteften
Bewunderung Ausdruck gebe.

Hauck's Sachkenntnifs, feine gediegene Gelehrfamkeit
und ausgedehnte Belefenheit ift in dem weiten Bereiche
derer, die auf dem Gebiet der mittelalterlichen Gefchichte
arbeiten, jetzt allgemein anerkannt. Schon sie ift der
Bewunderung werth. Freilich ift dem Forfcher diefer