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Ausgabe:

1897

Spalte:

3-5

Autor/Hrsg.:

Zimmern, Heinrich

Titel/Untertitel:

Vater, Sohn und Fürsprecher in der babylonischen Gottesvorstellung 1897

Rezensent:

Jensen, Peter

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Theologifche Literaturzeitung. 1S97. Nr. r.

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Zimmern, Prof. Dr. Heinr., Vater, Sohn und Fürsprecher in
der babylonischen Gottesvorstellung. Ein Problem f. die
vergleichende Religionswiffenfchaft. Leipzig, Hinrichs,
1896. (15 S. gr. 8.) M. —.50

Die babylonifch-jüdifchen und babyloiiifch-chrift-
lichen Parallelen — und von folchen handelt die Bro-
chure •— find durch GiJNKEL's geiftvolles, aber in Einzelheiten
verfehltes Buch über ,Schöpfung und Chaos' in Mis-
credit gerathen. Aber der Verfaffer der Brochure heifst
ZiMMERN und der Name verpflichtet zur Kenntnifsname.

Tiele's ,Sohngott', für den ich in einer Recenfion über
feine Gefchichte d. Rel. im Altertum 1,1 (Theol.
Lit., No. 3, 1896) in der babylonifchen Mythologie keinen
Platz fand und für den gehrich, der Ueberfetzer TlELE's
(1. c. No. 5, 1896, Sp. I48f) das Schwert zog, hat fich
liegreich behauptet, ja mehr als das: Zimmern hat es
unternommen, die Dyas Vater und Sohngott zur Trias
zu vervollftändigen. Sie heifst: fa, Gott des Weltmeers,
Sohngott Marduk, Gott der Frühfonne, und Gibil (wie
man fich gewöhnt hat, für Bilgi zu fagen), Gott des Feuers.
Und da nun Nusku, der mit Bilgi wefensverwandt ifl und
mit ihm identificirt wird, einmal als Fürfprechei auftritt,
fo wirft Zimmern — allerdings mit bei ihm gewohnter
Referve und gröfstmöglicher Zurückhaltung — die Frage
auf, ob wir in der chrifllichen Trias Vater, Sohn und
heiligem Geift, dem Parakleten, jene babylonifche Trias
wiedererkennen dürfen.

Aber die Stellen, die ZiMMERN anführt, dürften fchwerben
genügen, um eine babylonifche Trias Ia{})-Marduk-
Bilgi zu ftatuiren. Es ift richtig, dafs bei Befchwörungen
und Entzauberungen fa(i), Marduk und Bilgi einander in
die Hände arbeiten und fich einander affoeiiren. Aber
darüber hinaus fcheint ihre Intereffengemeinfchaft nicht
gegangen zu fein und exiftirt weder irgend eine nähere
Beziehung Bilgi's zu /<?(?) noch zu Marduk.

Es ift ferner richtig, dafs Nusku einmal um feine
Fürfprache angegangen wird, aber mit demfelben Anliegen
wendet fich der Gläubige auch an andere Götter,
ja an deren Tempel (fo an Nin-Karrak: V R 34 Col. III,
38ff.; Proceedings oftheSoc. ofBibl. Arcli. Xp. 366V. Col. III,
38ff.; an Naba-Nebb: IR 51 No. 1, Col. II, iöff.; an Lugal-
Mara-da: Keilfchr. Bibliothek III, 2, 66, Z. 4Sf, nach
der mir z. Z. unzugänglichen Edition Budge's in d.
Trans, of tlic Victoria Institute 1884; an Anunitu: I R 69
Col. III, 49ff.; an NlN-gal-A^/fa/, SamaS, istar und Nusku
zugleich: VR 64, Col. II, 38ff.; an einen Tempel des Marduk
: Z. f. Affyr. IV, 136, I74ff.) und zwar nicht nur,
damk diefe bei Marduk, fondern auch, damit fie bei Sin
und Samas ein gutes Wort einlegen.

Auch foll Nusku an der angeführten Stelle — übrigens
im Verein mit Nin-GAL-Nikal, Samai und lltar —
nicht etwa bei Marduk, fondern bei Sin für den König
fprechen, warum aber neben ihnen und warum gerade
fie bei Sin, erfieht man aus den aramäifchen Infchriften
von Nerab: Nusku gehört als Licht- oder Feuergott, vielleicht
Gott des Planeten Mercur mit Nikal, der Gattin
des Mondgottes, dem Sonnengott Samas und der Venus-
Istar zum engeren Kreife des Mondgottes Sin wenigftens
von Harran.

Alfo von einem befonderen Fürfprecheramt des
Nusku kann auch nicht die Rede fein.

Dem gegenüber haben wir im Chriftentum eine feft-
gefügte, eng zufammengehörige, allerdings unter unfern
Augen werdende, Trias von Perfonen, von denen die eine
der Anwalt der Wahrheit, der Paraklet und heilige Geift
ift, zwifchen dem und Bilgi-Nusku ich aber keine Verbindung
zu finden vermag, und wenn wir auch, was ZIMmern
betont, die fpätere Entwicklung der babylonifchen
Religion direct fo gut wie gar nicht kennen und daher
auch nicht wiffen können, ob fich nicht in der fpäteren
Zeit eine Verfchiebung in den religiöfen Ideen der Baby- 1
lonier vollzogen hat, die eine weniger gefuchte Verbin- [

dung zwifchen ihnen und denen des Chriftentums ermöglicht
, fo ift dies doch nur foweit richtig, als wir aus der
Zeit nach 81 vor Chriftus keine religiöfen Texte aus Babylon
kennen. Bis dahin aber reichen die kürzlich von
REISNER veröffentlichten religiöfen Texte aus Babylon,
und diefe zeigen wenigftens keine bemerkbare Verfchiebung
gegen die z. B. aus der Zeit Assurbanaplu's.

Es darf uns wundern, dafs Zimmern, als er im An-
fchlufs an Andere enge Beziehungen zwifchen Nabu-
Nebö und Bilgi-Nusku anerkannte (p. 7, Anm. 1), es für
geratener hielt, Erfteren vor der Hand aus dem Spiel zu
laffen. Denn fo wenig fich aus den Texten eine Trias fa(})-
Marduk-Nusku(-Bilgi) entnehmen läfst, fo fehr fchliefsen
fich /?(?), Marduk, fein Sohn und Nabu, deffen Sohn und
bevollmächtigter Bote, zu einer Gruppe zufammen, die man
zur Not eine Trias nennen könnte. Zwar zeigt fie kein Text
in gemeinfamer Action, noch auch werden fie je, foweit
ich mich entfinne, zusammengenannt, aber in einem Text,
in dem feltfamer Weife Gibil für Marduk Botendienfte
thut und aufser diefem auch /«(?) in feiner gewohnten
Rolle auftritt, könnte wohl Gibil an Nabfis Stelle getreten
fein. Eng verbunden find Marduk und fein Vater fa(i), ohne
deffen Rath diefer Nichts thut und eng verbunden auch
Marduk-Bcl und deffen Sohn und Bevollmächtigter Nabu,
die Götter der Zwillingsftädte Babylon und Borfippa, und
ihr Cultus erhält fich bis in chriftliche Zeit hinein, wohl
überall, wohin im weltlichen Orient nach dem Triumphe
Babylons die Götter Babylons vorgedrungen waren, fo
in Harrän, fo in Palmyra. Es ift unbeftreitbar, dafs der
milde, verföhnliche, Schmerzen heilende und Todten erweckende
Chriftus keinem der babylonifchen Götter fo
wefensverwandt ift wie dem barmherzigen Arzt undTodten-
erwecker Marduk, dem Könige der Götter Babylons. Er
fleht am Ofterfeft aus dem Grabe auf, zur Zeit, da die
Frühlingsfonne Marduk wieder zu fcheinen beginnt. Er
führt das Sakrament der Taufe ein, Marduk befprengt
mit dem heiligen Waffer feines Vaters zur Heilung
der Krankheiten, zur Austreibung der Dämonen, aber
auch zu der der Sünden und Vergehen. Sein Sohn ift
fein Bote und der heilige Geift wird von Chriftus oder
dem Vater gefandt. Und wem Namenanklänge imponi-
ren, dem könnte man den Kopf noch weiter verwirren:
Das Chriftuskind ward Jefus, Jesii a geheifsen und f{E)sua
ift der Name des Allerheiligften im Mardtik-Tempel zu
Babylon. Jefu Vater ift der Zimmermann, iFiSü, Jofeph,
MarduBs der Gott fa (?), der, wie er Meifter aller Künfte
ift, fo auch der grofse Zauberer (asipu) und grofse Zimmermann
(na(u)gar-gal(lu)) ift. Alfo man fetze Jofeph nicht
= SpT1, fondern == fa-ähpu, d. i. Ja der Zauberer'. Jesu
himmlifcher Vater, der Gott feiner Väter, ilt Jali-Jahweh,
Marduk's fa (?). Jefus wird von Joannes getauft und fa (?),
mit deffen heiligem Waffer befprengt und entfühnt wird,
hatte nach Beroffus den Namen Oannes. Alfo man fetze
Joannes = Ia-Oaimes. Jefus Chriftus wird nicht in der
Heimat feines Vaters, fondern in Dnb~S"Pn geboren, d. i.
,dem Haufe von öfTS', und Lahmu heifst eine im Urwaffer
entftandene Gottheit, während Marduk der Sohn des
Waffer- und Meergottes ist. Was wollen wir da noch
mehr? Nun, allerdings ein ganz klein wenig mehr. Ueber
jene Namensanklänge braucht man — fo viel Vernunft
kann man ja getrott überall voraussetzen — keinen Ton
zu verlieren. Und was die Sachen und Perfonen anlangt,
fo dürfte darüber Folgendes genügen: Ueber den Ur-
fprung der chriftlichen Taufe enthalte ich mich eines
Urtheils. Darin mag Babylonifches enthalten und erhalten
fein. Abgefehen davon, dafs der Paraklet überhaupt aus
dem Spiele bleiben mufs — denn der läfst fich in Babylon
auch mit der Lupe nicht finden — engere Beziehungen
irgend welcher Art zwifchen Naba-Nebb und
dem heiligen Geifte vermögen wir nicht zu entdecken,
und es kann Niemand behaupten, dafs der chridliche
Gottvater irgend welche charakteriftifche Züge des babylonifchen
Aegir und allweifen Zauberers und Kunftlers