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Ausgabe:

1896 Nr. 19

Spalte:

499-501

Autor/Hrsg.:

Hoerschelmann, D. F.

Titel/Untertitel:

Andreas Knopken, der Reformator Rigas. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte Rigas 1896

Rezensent:

Bossert, Gustav

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499

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 19.

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den Unterfuchungen, die fchon zum Theil für den Druck
fertig liegen, veröffentlichen zu können.

Dankbar find wir für die vom Verf. am Schlufs
feiner Arbeit (S. 62—67) mitgetheilten Fragmente aus
Ephrem's Diateffaron, welche er in einem Berliner Codex
der Sammlung Sachau gefunden hat. Diefe hatte zwar
Harris, der verdienftvolle Herausgeber des Ephrem Syrns,
in andern Hdff. unabhängig gefunden, aber das letzte
über den Apoftelkatalog verdanken wir allein der vom
Verf. beutzten Handfchrift.

Z. Z. Athen. Carl Schmidt.

Huerschelmann, Prof.Univ.-Pred. D. F., Andreas Knopken,
der Reformator Rigas. Ein Beitrag zur Kirchenge-
fchichte Livlands. Leipzig, Deichert Nachf. 1896.
(XII, 257 S. gr. 8.) M. 4. -

Es ift ein glücklicher Griff gerade jetzt für die evan-
gelifche Kirche der Oftfeeprovinzen, das Gedächtnifs an
die Reformation Livlands durch ein Lebensbild eines
feiner Reformatoren wieder aufzufrifchen. Aber Hoerfchel-
mann's Buch darf auch in Deutfchland auf Lefer rechnen.
Denn hat Livland in der Reformationszeit als das Land
gegolten, ,wo das Paternofter zu Ende geht' (Tfchackert,
Urkundenbuch z. Gefch. der Ref. Preufsens 3, 345), fo
ift es auch heute noch für den deutfchen Proteftantismus
ein wichtiger Markftein, um nicht zu fagen, ein Vor-
poften an den Thoren von Halbauen. Die evangelifche
Kirche Livlands, feine ganze Cultur ift Bein von unferem
Bein. So bietet H. ein Stück deutfcher Reformations-
gefchichte. Zugleich erfchliefst er uns die Ergebnifse
einer anfehnlichen Schaar von einheimifchen Forfchern,
welche uns Reichsdeutfchen nicht leicht zugänglich
werden. Aber er giebt uns auch die Früchte feines
eigenen Suchens, unter welchen befonders der fchöne
Brief des Raths von Riga an Luther vom II. Nov. 1523
S. 99 und 235 (wo aber Ii ftatt 21 zu lefen ift) herausgehoben
zu werden verdient. Freilich legen fich dem
Lefer zwei Wünfche nahe. Es ift ja nicht zu leugnen,
dafs das von H. gezeichnete Lebensbild Knopken's noch
fehr grofse Lücken aufweift, wefshalb der Löwenantheil
des etwas breit angelegten Buches dem Rahmen des
Lebensbildes, der Reformationsgefchichte Livlands, zufällt
. Hier wäre ein Nachweis darüber, dafs die localen
Quellen vollftändig erfchöpft find, dankenswerth gewefen.
Denn es wäre möglich, dafs das Rigaer Stadtarchiv noch
Rathsprotokolle und alte Stadtrechnungen aufbewahrt.
Hier wäre unter Umftänden noch werthvolles biographi-
fches Material zu holen. Die Rathsprotocolle fpiegeln
die wichtigften Ereignifse im Leben der Städte im Lapi-
darftil wieder, die Kämpfe um die Glaubensfreiheit erhalten
hier frifche, lebensvolle Farben. Die Rechnungen
der deutfchen Städte aber geben häufig Notizen über
Ehrungen ihrer Prediger bei befonderen Anläffen, z. B.
bei ihrer Hochzeit, fo dafs fich die Zeit ihrer Verehelichung
und manchmal auch der Name der Braut feftftellen
läfst. Andererfeits fcheint H. die neuefte deutfche Reformations
-Literatur nicht zugänglich gewefen zu fein.
Statt der Weimarer Lutherausgabe, die nun doch, fo
weit fie erfchienen ift, die Grundlage weiterer Forfchung
bilden mufs, citirt er die alten Ausgaben. Dafs Enders
die Briefe des Rigaer Stadtfchreibers Lohmüller in
Luther's Briefwechfel mit trefflichen Erläuterungen giebt,
fcheint H. unbekannt zu fein. Als Quelle für die Notiz,
dafs Jakob Knopken, der Bruder des Andreas, im Juli
1523 in Wittenberg infcribirt wurde, wird nicht Förfte-
mann's Album Viteberg., fondern eine fecundäre Quelle,
die uns Deutfchen fehr entlegene Schrift von Böthführ,
,Die Livländer auf deutfchen Univerfitäten' (Riga 1884)
angeführt. Hier wäre doch der Wunfeh berechtigt, dafs
die neuefte deutfche Literatur berückfichtigt wäre.
Offenbar hat H. in zu weitgehendem Vertrauen auf

Böthführ's Sammlung darauf verzichtet, die feit 1884 er-
fchienenen Univerfitätsmatrikeln nach Notizen über Knopken
zu durchfuchen, und doch befitzen wir jetzt gerade
für den Offen Deutfchlands die reichhaltigen Matrikeln
von Roftock, Greifswald und Frankfurt an der Oder.
Jeder, der fich an die Biographie Knopken's machen
wollte, mufste doch in erfter Linie nach der Frankfurter
Matrikel greifen, wo er doch wohl zuerft feine Studien
machte, wenn feine von ihm felbfl angegebene Heimath
das nahe Küftrin war. Wirklich enthält die Frankfurter
Matrikel {ed. Friedländer, Publicationen aus K. Preufsifchen
Staatsarchiven Band 32 ff.) in ihrem erften Band S. 33
eine Notiz, welche unfer noch recht befcheidenes Wiffen
über And. Knopken nach den verfchiedenffen Seiten ergänzt
. Dort erfcheint unter den 1511 inferibirten Mar-
chitae Andreas Knoppe de vüla prope Sonnenborch.
Diefer Eintrag giebt bei aller Kürze Licht über Knopken's
Heimath, feinen eigentlichen Namen, feine Geburtszeit
und feinen Studiengang. Denn dafs hier Andreas
Knopken gemeint ift, kann kaum zweifelhaft fein. Allerdings
hat er fich felbft in feinem 1524 in Wittenberg
gedruckten Commentar zum Römerbrief als Costerinensis
bezeichnet, ebenfo nennt ihn Lohmüller in feinem erften
Brief an Luther vom 20. Oct. (nicht 22.) 1522 (Enders
4, 12) nach Spalatius Copie Andreas Knopke ex Costeryn.
Wenn nun die Frankfurter Matrikel eine villa prope
Sonnenborch als feine Heimath nennt, fo wird dies kein
Widerfpruch gegen jene erften Angaben fein. Denn
Sonnenburg und Küftrin find zwei nahe bei einander gelegene
Städte. In den Matrikeln nennen Dorf kinder häufig
als ihre Heimath die nächftgelegene Stadt, wohin ihr Geburtsort
eingepfarrt war, wo fie ihre erfte Bildung holten,
oder wo der Gerichtsfitz war. Es fteht nun feft, dafs
Knopken jedenfalls ein Dorfkind war. Die Frage ift
nur, ob die Frankfurter Matrikel die genauere Angabe
enthält oder Knopken's Commentar und Lohmüller's
Brief, und hier fpricht alles für die Matrikel. Dort war
der neue Student unbefangen. In Riga kannte man
Sonnenburg mit den dabei gelegenen Dörfern nicht,
wohl aber den markgräflichen Herrfchaftsfitz Küftrin.
Allem nach wird die Heimath Knopken's nunmehr
zwifchen Küftrin und Sonnenburg gefucht werden müffen.
Welches der drei Dörfer Tfchernow, Priebrow, Gartow
hier in Betracht kommt, wird die Localforfchung mit
Hilfe von Amtslagerbüchern und Steuerbüchern des 16.
Jahrhunderts aufhellen können. Denn dort wird die
Familie genannt fein.

Jetzt haben wir auch Klarheit über den urfprüng-
lichen Namen. Chyträus und die älteren Chroniften
werden Recht behalten, wenn fie den Rigaer Reformator
Knop, Knoph, Knopf nennen, was in der f'orm Knop
ein in der Mark gebräuchlicher Familienname war, wie
die Roftocker Matrikel 1, 234; 2, 2, 43 zeigt. Allerdings
nennen fich Andreas und fein Bruder Knopken, aber fie
werden wohl mit Rückficht auf ihre Geftalt an einem
vom Vater ererbten Kofenamen feftgehalten haben.

Hoerfchelmann liebt es (S. IO, 91, 176), Knopken
Modeftinus zu nennen und daraus Schlüffe auf feinen
Charakter zu machen, indem er fich auf die eine der
beiden Verfionen des Briefes von Lohmüller an Luther
vom 20. Oct. 1522 beruft (Enders 4, 12; Kolde, Analecta
46). Mit diefem Brief hat es eine eigenartige Bewandt-
nifs. Er ift uns in zwei fehr verfchiedenen Gehfalten
erhalten, über deren Verhältnifs zu einander auch Enders
keine Klarheit gefchaffen hat. Die eine beruht auf einer
Abfchrift Spalatin's, welche Kapp veröffentlicht hat, die
andere auf einer Königsberger. Bei näherer Betrachtung
giebt nur die Spalatinifche Abfchrift das Original wieder,
denn diefe fpricht nur von einem Prediger in Riga,
nämlich von Knopken, und Luther kennt auch am 24.
Januar 1523 nur einen folchen (Enders 4, 66). Als nun
Lohmüller nach länger als einem Jahr keine Antwort
von Luther erhalten hatte, wandte er fich wieder an ihn