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Ausgabe:

1896 Nr. 17

Spalte:

452-454

Autor/Hrsg.:

Potthast, Aug.

Titel/Untertitel:

Bibliotheca historica medii aevi. Wegweiser durch die Geschichtswerke des eurpäischen Mittelalters bis 1500 1896

Rezensent:

Mirbt, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 17.

452

zu einem rühmlichen Zeugnifs für Schüler und Lehrer,
neben Buecheler felbft Ufener, der beide Publicationen
mit Rath und That unterftützt hat. Wer die Verdienfte
Ufener's als Herausgebers hagiographifcher Documente
kennt, weifs von vorne herein, welche Anforderungen er
an Arbeiten ftellen darf, die Ufener irgendwie unter
feiner Aegide erfcheinen läfst, und Referent fleht nicht
an, diefen ,Studentenarbeiten' die gröfste Hochachtung zu
zollen. Die fo arbeiten gelernt haben, werden ficher der
Wiffenfchaft auch ferner ihre Dienfte thun. Ich hebe
diefen Gefichtspunkt deshalb hervor, weil ich mir die
beiden Heiligenleben, die den jungen Gelehrten die erfte
Gelegenheit boten, ihre Kraft zu erproben, gerne als das
,Verfuchsobject' vorftelle, an dem man die Methode lernt;
auf den Werth des Objectes kommt es dabei nicht an.
Ob nämlich in unterem Fall der Gegenftand die ihm zu
Theil gewordene mufterhafte Behandlung in fo hohem Mafs
verdient, ift mir durchaus nicht fo ficher, wie manchem
Anderen. Gewifs, die Vita des Hypatius, eines Mönches
und fpäter Abts des Klofters Rufinianae bei Chalcedon
(ca. 366—446), die ein Schüler Callinicus bald nach dem
Tode des Meifters (ca. 447—450) niederfchrieb, ift ein
für die Gefchichte des Klofterwefens nicht unwichtiges
Denkmal, aus dem auch der Dogmenhiftoriker das Eine
oder Andere lernen kann (vgl. J. Langen in Intern. Theol.
Zeitfchr. III, 789 f., deffen Bemerkungen aber nicht durchaus
zutreffen, und H. Ufener in Rhein. Muf. L, 144 ff.).
Im Grunde genügte für folche Zwecke die Ausgabe durchaus
, die der alte Papebroch in den Acta Sanctorum (Juni
III, 308—349) veranffaltet hatte. Und nicht viel anders
ftand es mit der Lebensgefchichte des Porphyrius von
Gaza, eines befchränkten Fanatikers (f 419). Stark
(Gaza und die philiftäifche Külte) und nach ihm Dräfeke I
(Gef. patriftifche Unterfuchungen) haben fich über den
Werth diefes Documentes, das helle Schlaglichter auf
die höchlt unerfreulichen Mittel wirft, die zur Unterdrückung
des Heidenthums in diefen Gegenden geführt
haben, verbreitet. Den griechifchen Text hatte M. Haupt
1874 in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie
(feparat 1873) herausgegeben. Für Intereffenten war auch
das genügend. Indeffen, wir wollen nicht mäkeln und
können uns, wenn denn einmal herausgegeben werden
foll, nur herzlich darüber freuen, dafs es fo forgfältig !
gefchieht, und dafs die Heiligen der Aufnahme in die
Teubner'fche Bibliotheca gewürdigt worden find, noch j
dazu zu einem ganz erltaunlich billigen Preife. Nun kann
man in prächtigem Druck — die neuen Teubner'fchen
Typen find wirklich ausgezeichnet — gemächlich lefen,
was bei Papebroch und Haupt nur feiten Jemand fich
angefehen hat.

Der neuen Ausgabe der Vita S. Hypatii ift in erlter
Linie Cod. Paris. 1488 sc. XI, daneben Cod. Vatic. 1667
sacc. XII zu Grunde gelegt worden, während Papebroch
nur den Vaticanus benutzt hatte. Beigegeben find Tefti-
monien, eine genaue Regeltentafel (fehr dankenswerth!)
und eingehende Indices. Nicht alle Schriftftellen, die
notirt werden konnten, find notirt. Z. B. p. 87'), 11 vgl.
1 Pe. 2, 12; 87, 16 vgl. Eph. 6, ii; 88, 2 vgl. Rom. 8, 21;
88, 5 vgl. 1 Theff. 3, 13; 115, 13 vgl. Mrc. 5, 7; 136, 13
Phil. 2, 12. Intereffant ift folgende Beobachtung. Man
weifs, dafs im 1. Clemensbrief Cap. 46, 2 mit ysyqojtcai
ein Wort unbekannten Urfprungs citirt wird: y.oXXäairs
xoig dyiotc, bei 01 y.oXXohisvol avxcüg uyiaairranvxai. In
der Vita Hypatii findet fich (p. 132, 27 sq.) zwifchen
Citaten aus Sirach, Proverbien und 1 Kor. 15, 33 (Me-
nander) der Satz: c yäo xoXXtoLtevog ciyioig äyiaatrrasiai.

1) Unerfindlich ift mir, warum die Herausgeber die Zeilenzählung
nach den Seitenzahlen der Handfchrift und nicht ihrer Ausgabe einge-
richtet haben. Es handelt fich offenbar nur um eine zweckwidrige Ca-
price: dem Benutzer der Ausgabe find die Seiten des Codex gleichgültig,
auch flimmen die Zeilen ja doch nicht mit denen der Handfchrift zu-
fammen. In der Vita lorphyrii ift dies Verfahren nicht beobachtet
worden.

Die an fich fchon unwahrfcheinliche Annahme, dafs dem
Schreiber hier jene yoaq») vorgelegen habe, wird ausge-
| fchloffen, wenn man^ zurückblättert und p. 88, 16 sqq.
lieft: bxi y.aciqSicuoev ryiäg sXO-slv dz/o axoxovg rfjc äyvw-
alag sig xb eptug xijg yi-wasiog avxov. Hier blickt I Clem.
59, 2: . . e/.äleoev r]iiäg aab axoxovg sig qicoc, ano ccyvtu-
oiag sig hiiyvtoaiv öolgrjg zu deutlich durch, als dafs man
nicht den Schlufs ziehen müfste, dafs der Mönch des
5. Jh. den Clemensbrief gelefen hat. Immerhin eine
intereffante Thatfache! Auf die grofse Rede, die dem
Hypatius p. 83 ff. in den Mund gelegt wird, mache ich
überhaupt aufmerkfam: aus manchen Sätzen fcheint
archaiftifch.es Gut durchzufchimmern, und es lohnt vielleicht
der Mühe, dem nachzugehen. Den Symbol-
forfchern wird es nicht unintereffant fein, dafs in dem
p. 115 wiedergegebenen Symbol das Conftantinopolita-
num wiederklingt. Ufener hat (Rhein. Muf.I., 145) auf die
Epifode (p. 107—109) hingewiefen, darin Hypatius den
erfolgreichen Verfuch unternimmt, die Wiedereinrichtung
der Olympifchen Spiele in Chalcedon zu verhindern. Die
Gefchichte ift ein hübfehes Beifpiel für das, was die
Mönche fich herausnehmen durften, auch wo die Bifchöfe
widerftrebten: als die Abficht des Hyparchen Leontius
bekannt wird, rücken ihrer 20, Hypatius an der Spitze,
zum Bifchof Eulalius, um ihn zum Einfehreiten zu ver-
anlaffen. Der benimmt fich durchaus vernünftig: dnXwg
auoDuvelv IrlXsig, av in] ctg avayxcttt] i]iiag Ovsiv; ov
fiovdtcov äv xdtrov xal xyavyuCs' zovio yotQ sv siioi eoxly.
Aber Hypatius läfst fich, trotzdem ihn der Bifchof fchilt
und fchlecht macht, nicht abfehrecken. Und wirklich,
Leontius fleht von feinem Vorhaben ab: d. h. als er von
der Aufregung unter den Mönchen hört, fchützt er ein
Unwohlfein vor und bleibt in CP. Und die Moral: xov
' Ynaxtov sigoijQTqiitvov dtrXi]aai b xcgiog avtxosxpe xi]v
ßovXijv xibv xaxä ßovXsvoitevwv. Eulalius aber ehrte den
Mönch fürderhin wie feinen Vater. Diefe anfehaulich
erzählte Gefchichte verföhnt uns einigermafsen mit den
unzähligen Dämonenaustreibungen, die wir in langweiliger
Einförmigkeit über uns ergehen laffen müffen.

Für die Vita Porphyrii, die fein Diakon Marcus ver-
fafste, ftand den Herausgebern aufser dem von Haupt
benutzten Wiener Codex Bist, graec. 3 sc. X v. XI eine
Oxforder Handfchrift [Cod. Barocciannsgraec. 238 saec. XI)
zur Verfügung, die von demfelben Archetypus flammt,
jedoch der Wiener vorzuziehen ift, ohne dafs diefe daneben
werthlos wäre. Eine noch ältere Jerufalemer
Handfchrift saec. X, die Papadopulos Kerameus (Katal.
I, 7) notirt hat, konnte nicht benutzt werden. Als Anhang
find zwei excerpirende Bearbeitungen der Vita abgedruckt
.

Giefsen. G. Krüger.

Potthast, Aug., Bibliotheca historica medii aevi. Weg-
weifer durch die Gefchichtswerke des europäifchen
Mittelalters bis 1500. Vollftändiges Inhaltsverzeichnifs
zu „Acta Sanctorum" Boll. — Bouquet—Migne — Mo-
num. germ. bist. — Muratori — Rerum britann.
scriptores etc. Anhang: Quellenkunde für die Gefchichte
der europäifchen Staaten während des Mittelalters
. 2. verb. u. verm. Aufl. 1. Bd. Berlin,
W. Weber, 1896. (VIII, 800 S. gr. 8.)

M. 24. —, geb. M. 26.50.

Bei allen denen, welche mit der Gefchichte des
Mittelalters fich näher befchäftigen, ift das vorliegende
Werk fo bekannt und fo gefchätzt, dafs es überflüffig
ift, feinen Werth noch befonders hervorzuheben. Aber
feit feinem Erfcheinen im Jahre 1862 machte die hifto-
rifche Forfchung grofse Fortfehritte, und da dem Supplementband
von 1868 ein weiterer Nachtrag nicht folgte,
fo erweiterte fich der Umfang des nicht berücklichtigten