Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1893 Nr. 26

Spalte:

636-640

Autor/Hrsg.:

Berger, Samuel

Titel/Untertitel:

Histoire de la Vulgate pendant les premiers siècles du moyen âge 1893

Rezensent:

Jülicher, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

635 Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 26. 636

linns' und ,hellfehende Kritik' gewefen; das follte (ich faffung im 8. Jahrh. keine üchere Gewähr dafür, dafs die
ein Mann von fo ruhigem und klarem Blicke wie Oettli jerufalemifche Priefterfchaft nicht recht wohl um diefe
fagen können, während wir felbftverfländlich nicht An- Entftehungszeit wufste. In jedem Falle aber verlegt
fpruch darauf machen, dafs unfere fo betitelten Leiftungen j Oettli, was er für üttlich verwerflich erklärt, nur ein
darum fchon geficherter Erwerb wären. Dafs manches | Jahrhundert zurück. Der Betrogene ift nun zwar nicht
davon ,mit Stillfchweigen übergangen ift' (S. VII f.) mag Jofia, wohl aber Hiskia; der einzige Unterfchied bleibt,
deshalb in einem Handbuche für Studirende und folche, dafs wir keinen ausdrücklichen Bericht darüber haben,
die fich zu ihnen rechnen, wohlberechtigt fein; dennoch 1 Wie aber der Irrthum Hilkia's und Jofia's foll möglich
empfängt man häufig den Eindruck, dafs es dem Verf. I gewefen fein, wie die ganze Gefchichte von Kön. II, 22 f.,
nicht gefchadet hätte, wenn er mit weniger Vorurtheil i wenn das gefundene Gefetzbuch kaum 100 Jahre früher
und Abneigung an diefe und jene neuere Arbeit heran- die offenkundige Grundlage einer umfaffenden Reform
gegangen wäre und fie nicht zu fchnell aus der Hand gewefen ift, darüber läfst uns Oettli ganz im Unklaren.

gelegt hätte.

Uebrigens hindert feine confervative Geiftesrichtung
den Verf. nicht, vielfach eine völlig freie und weitgeh-

Ift fchon damit der winzige Gewinn viel zu theuer bezahlt
, fo fteht noch ganz anderes im Wege, was von
Oettli kaum oder gar nicht berückfichtigt ift. Die Verende
Kritik zu üben, durch welche füglich alle Urtheile | wandtfchaft der Sprache mit der Jeremia's, ihre völlige
weiter gehender Kritiker grundfätzlich gedeckt werden. , Ifolirung im 8. Jahrh.; die furchtbare Angft vor der Aus-
So wird ihm (S. 143) Jof. 6, 26 wenigftens theilweis zum länderei, die nur nach langer Dauer des affyrifchen Va-
vaHciniunt ex eventu. In Othniel ftellt Rd nicht einen ' fallenthums, nicht vor diefem, denkbar ift; und endlich
Mufterrichter freier Erfindung auf; ,eher wäre eine Ver- Jefaja verliert die fchönften Steine aus feiner Krone,
wechfelung mit dem 1, 12 ff. erwähnten Kampfe möglich; j wenn er, ftatt der Wegebereiter des Dt. zu fein, von
der Feind aus den Euphratländern wäre dann ein aus deffen Idealen in unbegreiflicher Weife wieder zurück-

dem 8. Jahrhundert zurückgeworfener Reflex' (S. 234).
Das geht weiter als z. B. des Unterzeichneten Aeufserungen
(Ri. u. Sa. S. 94 f.). Israel hat Cultusftätten von den Kanaa-
nitern übernommen (S. 53), Ex. 20, 24 fchliefst eine Mehrzahl
gleichzeitiger Opferftätten nicht aus; in Deut. 12, 8
,fchimmert durch die gefchichtliche Einkleidung der Zu-
ftand des Opfercults in der Entftehungszeit der deutero-
nomiftifchen Reden hindurch, wo zahlreiche Bamoth in
Verehrung ftanden, auf denen man nach Willkür opferte'
(S. 54). Noch vieles dergleichen liefse fleh anführen; vor
allem fei noch auf die genaue Reconftruction der ur-
fprünglichen Schichtung von Dt. 28—32 auf S. 12 und
die eingehende Quellenfcheidung von Dt. 27—34 ebendort
und des Buches Jofua S. 125 f. verwiefen.

Eine zufammenhängende Darlegung von Oettli's hexa-
teuchkritifchen Anflehten empfangen wir nicht, weil er

weicht. Der Verfuch ift aller Achtung werth, aber gänzlich
verfehlt; wichtig aber ift, dafs alles Wefentliche an
der kritifchen Anfleht anerkannt wird.

Im Richterbuch wird JE nur in 1, 1—2, 5 erkannt;
die Quellenfcheidung in den übrigen Theilen wird nur
mit grofser Zurückhaltung verfucht. Auf das Einzelne
einzugehen, geblattet der Raum nicht mehr; nur dies fei
bemerkt, dafs die Beftimmung des Verhältnifses von
1, 1—2, 5 zum Buche Jofua fehr wenig befriedigt.

Der Einzelcommentar bietet viel und gutes in knapper
Form. Ein Vergleich zwifchen Marti's, Socin's, Kautzfch's
und Kittel's Ueberfetzungen bei Kautzfeh mit der vorliegenden
dürfte nicht zu Oettli's Gunften ausfallen; er
überfetzt oft zu fteif. Gewifs liegt darin Abficht; die
dem Commentar beigegebene Ueberfetzung follte wörtlicher
fein; aber allzu wörtlich ift eben weniger wörtlich, da

die Haupteinleitung in den Hexateuch feinem Mitarbeiter j dasfelbe im Deutfchen nicht dasfelbe bedeutet wie im

Strack überlaffen mufste (S. VII). So weit fie fich ver
folgen laffen, nähern fie fich am meiften denen Dillmann's;
aber in voller Selbftändigkeit und nicht ohne bedeutende
Abweichungen. Dt. 5—11, wozu vielleicht 4, 1—40,
wenn nicht blofs auf Grund einer deuteron. Vorlage ver-
fafst, als Einleitung heranzuziehen wäre, ift fpäter abge-
fafst als 5—26, aber von derfelben Hand. Ebenfo 1,
6—3, 29 als Einleitung zu einer felbftändigen Ausgabe
der Reden. C. 29. 30 bieten ohne wefentliche Zufätze
die finngetreue Redaction der urfprünglichen Schlufsrede
des Dt. Dt. erweift fich ihm vielfach mit priefterlichen
Gefetzen bekannt, im einzelnen Fall fteht aber die Frage
noch offen, ob fie ihm fchon in der Formulirung von
P vorlagen, oder in der einfacheren Geftalt, aus welcher
diefe hervorgegangen ift.

Bei dem Buche Jofua vermifst man fchon in der
Literaturangabe fchmerzlich Albers' Behandlung von Jof.
1—12, ein fchweres Ueberfehen. Anerkannt wird S. 126
die voraufgehende Vereinigung der beiden Quellenfchriften
J und E. Eine felbftändige deuteronomifche Darftellung
der Einwanderungsgefchichte hat es nicht gegeben; die
deuteronomiftifchen Beftandtheile des Buches Jofua gehören
der vom Dt. ftark beeinflufsten Redaction an.
Diefe hat auch P betroffen, ift alfo fpäter als die Vereinigung
von JE und P; diefe erfte Stufe des Redactions-
proceffes näher zu befchreiben find wir aufser Stande.

Dt. gehört nicht dem 7-Jahrh. an, fondern dem achten.
Es ift vorjefajanifch, die Grundlage der Reform des Hiskia.
Diefer eingehend und fein begründete Verfuch, Dt. weiter
hinaufzurücken, nimmt feinen Anlafs von dem fittlichen
Anftofs an einer bewufsten Unterfchiebung durch Hilkia.

Hebräifchen. Durch folche Nachgiebigkeit gegen fchwache
und fchwächfte Sprachkenntnifse wird das hebräifche
Sprachgefühl der Benutzer gewifs nicht geftärkt. Die
richtige Mitte zu treffen ift freilich gerade bei der Ueberfetzung
gefchichtlicher Texte fehr fchwer.

Eine erwünfehte Zugabe bildet die Paläftinakarte von
Fifcher u. Guthe.

Möge es dem reichhaltigen Buche befchieden fein
in den Kreifen, für die es in erfter Linie beftimmt ift,
viel Frucht zu fchaffen.

Strafsburg i/E. K. Budde.

Berger, Samuel, Histoire de la Vulgate pendant les premiers
siecles du moyen äge. Memoire couronne par l'Institut.
Paris, Hachette & Ge, 1893. (XXIV, 443 S. gr. 8.)

Sehr enttäufcht würde der Lefer von Berger's, des
fchon fo mannigfach um die Gefchichte der Bibel verdienten
Parifer Theologen, histoire de la Vulgate fein,
der darin etwas Aehnliches wie die bisherigen Gefchichten
der Vulgata, etwa wie die von Kaulen, zu finden erwartet
hätte. Auch wenn er den Zufatz beachtete: pendant les
premiers siecles du moyen äge, würde er zwifchen jenen
älteren und diefem neueften Werk wenig Vergleichbares,
noch weniger Uebereinftimmung finden; auf den^ etwa
50 Seiten bei Kaulen, die anfeheinend das gleiche Thema
wie B. behandeln, fteht vielleicht ein Hundertftel von
dem bei B. Gebotenen. Der Hauptunterfchied ift: Jene
begnügen fich damit, in einer für Verfaffer und Lefer
gleich bequemen Weife einige allgemeine Angaben über
Die aber bleibt für den, der fie fich aus zeitgenöffifchen I Entftehung, Fortpflanzung und Ausbreitung der jetzt offi-

Anfchauungen nicht zu erklären vermag, unbewiefen und ciellen katholifchen Bibelüberfetzung zu geben und den
läfst fich umgehen, und umgekehrt bietet auch die Ab- j Schein ,eines Zufammenhanges in den mitgetheilten