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Ausgabe:

1893 Nr. 19

Spalte:

473-475

Autor/Hrsg.:

Reuss, Ed.

Titel/Untertitel:

Das alte Testament, übersetzt, eingeleitet und erläutert 1893

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 19.

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Satze über 31 Zeilen hinweg verbunden wurde. Wer
meine Anzeige aufmerkfam lieft, wird fich überzeugen,
dafs fich das Prädicat .am glänzendften' auf die Anführung
der griechifchen Geftalt der Namen gar nicht,
gefchweige denn, wie Neftle den Schein erweckt, aus-
(chliefslich bezieht. Es bezieht fich vielmehr, wie der
Satz Z. 24 fr. mit einem ,was oben angedeutet wurde' ausdrücklich
hervorhebt, auf die ,realiftifch-hiftorifche'Durcharbeitung
der Eigennamen, die Angaben über die bezeichnete
Perfon, üertlichkeit u. f. w. nebft den-Hinweifen
auf weitere Literatur. Schlimme Abficht voraus-
zufetzen verbietet mir die felbftverftändliche Achtung vor
der iittlichen Perfönlichkeit meines Angreifers. Zudem
weifs ich aus Erfahrung, dafs andere Urfachen zu Grunde
liegen. Neftle's Anzeige von meinem Buche ,Richter
und Samuel' wimmelte derart von unfreiwilligen Mifs-
verftändnifsen meiner Ausführungen, die doch Anderen
nicht begegnet find, dafs ich im Sommer 1891 eine that-
fächliche Berichtigung von 7 oder 8 Punkten an die
Redaction des Liter. Centr.-Bl. einfandte. Ich blieb ohne
jede Antwort. Als ich auch auf eine zweite Mahnung
keine erhielt, liefs ich die Sache als für mich füglich
gleichgiltig auf fich beruhen. Wer aber fo wenig die
Fähigkeit hat oder fich die Mühe nimmt, die klaren
Aeufserungen Anderer zu verliehen, der follte nicht den
Unverftand oder die Nachläffigkeit Anderer mit fo aus-
gefprochener Vorliebe zum dunklen Hintergrund feiner
eigenen Vorzüge wählen; wer vollends auf fo mangelhaftes
Verftändnifs fchwere Verunglimpfungen ftützt,
der hat kein Recht, über fchlechte Behandlung Klage zu
führen. Möchte der Verf., der uns fo manches zu lagen
hat, in diefen Punkten etwas vorfichtiger werden; der
Werth feiner Veröffentlichungen kann dabei nur gewinnen.

Strafsburg i/E. K. Budde.

Reuss, D. Ed., Das alte Testament, überfetzt, eingeleitet
und erläutert; hrsg. aus dem Nachlaffe des Verfaffers
von Dir. Lic. Erichfon u. Pfr. Lic. Dr. Horft. (In
40—45 Lfgn.) 1—12. Lfg. Braunfchweig, Schwetfchke
& Sohn, 189293. (1. Bd. V, 389 u. 2. Bd. 576 S.
gr. 8.) Subfcr.-Pr. ä M. 1. 30.
Der Werth der Schriften von Eduard Reufs hängt
nicht ab von der formellen Richtigkeit der einzelnen
darin vorgetragenen Dinge. Wie Herder's Geift der
hebräifchen Poefie trotz der Menge deffen , was wir jetzt
darin als unrichtig erkennen, ein Buch von nie ver-
fagendem Reiz bleibt und jedem empfänglichen Lefer
immer wieder neuen Genufs bietet, fo wird, wenn auch
nicht in diefem hohen Grade, fo doch in ähnlicher
Weife jederzeit eine anziehende Wirkung von den für
den weiteren Kreis der Gebildeten gefchriebenen Werken
von Reufs ausgehen. Die Frifche und Lebendigkeit,
die fich Reufs bis ins höchfte Alter für das Gute und
Schöne zu bewahren wufste, die Feinheit und Beweglichkeit
, mit der fein Geift in fremde Literaturen einzudringen
verftand, die äfthetifche Feinfühligkeit, mit
der er ftets die anmuthigfte, nur manchmal etwas ins
Pikante und Manierirte abirrende Form für Darlegung
feiner Gedanken fand, wird ihm immer aus den Kreifen
der höher Gebildeten Lefer verfchaffen, da diefe es gern
fehen, wenn ein Gelehrter nicht zu den Carlyle'fchen
Dryasdufts gehört. —

In dem Werke, deffen beide erfte Bände uns hier
vorliegen, hat uns R. ein Seitenftück zu feiner franzö-
fifchen Arbeit gleichen Charakters (La Bible, Traduciion
nouvclle avec mtroduetions et commentaircs 1874—1881)
liefern wollen. Er ftarb vor der Vollendung dahin.
Doch lag das A. T. fertig vor. Seine Drucklegung verdanken
wir der Sorgfalt zweier treuer Schüler des Ver-
ftorbenen, des lic. theol. Erichfon und des lic. Dr. Horft.
— R. giebt im vorliegenden Werke dem gebildeten

Lefer ein Bild des A. T.'s, wie es im Grofsen und Ganzen
nach den Refultaten der modernen wiffenfehaftlichen
Forfchung fich geftaltet, nicht grade bis zur letzten
Etappe derfelben führend in Textbehandlung undLiterar-
kritik, aber doch fie fcharf abhebend nach ihrem Gegen-
fatz zu der altkirchlichen und zu der blofs rationaliftifchen
Anfchauung. Auch hier aber ift es wefentlich immer
die Reufs'fche Auffaffung, die vorgetragen wird. Niemals
wird man die Empfindung verlieren, dafs es eine geift -
volle Subjectivität ift, die zu dem Lefer über das A. T.
redet.

Der Verf. beginnt mit einer Gefchichte der Bibel und
der biblifchen Wiffenfchaft, in der er zugleich den Lefer
über den gegenwärtigen Stand und die Aufgaben der
letzteren unterrichtet. Sodann folgt ein Ueberblick über
die Gefchichte der Israeliten nach denfelben Eintheilungs-
prineipien und beherrfchenden Gefichtspunkten, die aus
des Verfaffers Gefchichte der heiligen Schriften A. T.'s
1881 2. A. 1890 bekannt geworden find. Hiernach wird
dann die Hauptarbeit in Angriff genommen. Es handelt
fich, wie fchon der Titel fagt, um Ueberfetzung, Einleitung
und Erläuterung der einzelnen Literaturerzeug-
nifse des A. T.'s. Die Anlage folgt der hillorifchen Ent-
wickelung der Literatur. Der Verf. beginnt daher mit den
im engern Sinne gefchichtlich zu nennenden Schriften
des Kanons. Eine umfaffendere Einleitung unterrichtet
über den allgemeinen Charakter der israelitifchen Ge-
fehichtfehreibung, worauf dann eine fpecielle literar-
kritifche Unterfuchung über die Bücher Richter, Samuel
und Könige folgt, die allerdings durch neuere, tiefer in
das Quellengewebe eindringende Forfchungen überholt
ift. Die Ueberfetzung ift frei, von dem Beftreben geleitet
, den Inhalt dem modernen Verftändnifs möglichft
nahe zu bringen, in flüfiigem Deutfch, im Allgemeinen
dem mafforethifchen Text fich ohne viel Sorgen an-
fchliefsend. Der Verf. hat von diefem nach S. 85 fehr
optimiftifche Vorttellungen, was man namentlich dem
Zuftande der Samuelbücher gegenüber fchwer verliehen
kann. — Die Anmerkungen geben meift nur kurze klare
Erläuterung und Auflöfung von Schwierigkeiten. Manchmal
allerdings bringt der Verf. mit einer mehr rationali-
firenden und fubjectiven als hiftorifchen Kritik noch
neue Schwierigkeiten hinein oder wird von feiner Neigung
zu witzigen Contraften fortgeriffen vgl. S. 114L 119. 171.
222 A. 1 u. a. m. Darauf ift die treuherzige alte Be-
iichterftattung der Bibel nicht eingerichtet. — Manchmal
wünfehte man wohl auch eine kurze Erläuterung der Ueberfetzung
. Z. B. S. 125 zu Ri i, 15 ,Du haft mich in den
Südgau verheirathet'. —

Der 2. Band behandelt die Propheten. Auch hier
wird eine allgemeine Einleitung vorausgefchickt, welche
das Wefen und die Entwickelung des Prophetismus be-
fpricht. Soviel Feines und Schönes wir auch hier ge-
lefen haben, wir vermiffen die Betonung des Umftandes,
dafs der Nebiismus etwas urfprünglich Israel Fremdes
gewefen ift. Nach R. S. 8 fcheint es, als feien die
Propheten gleich auf Mofe gefolgt. — Die einzelnen
Propheten läfst der Verf. in der von ihm angenommenen
hiftorifchen Reihenfolge auf einander folgen. Dafs Joel
den Reigen eröffnet, verwundert den Lefer um fo mehr,
als der Verf. S. 49 felbfl von grofsen Zweifeln über deffen
Alterthum geplagt erfcheint. Sodann ift die Ordnung
die folgende: der Autor von Jef. 15. 16, Arnos, Hofea,
Sac. 9—11, Jefaja's echte Schriften, deren der Verf. 2
Sammlungen annimmt I c. 1 —12, II c. 17, 1—n,
14, 28—32, c. 28—33, c. 20, c. 22, 15—25, 1—14, c. 14,
24—27, c. 17, 12—18, 7. c. 21, 11. 12. 13—17. c. 23. c. 19
nebft einem Anhange c. 36—39; weiter Micha, Sac. 12—14,
Nahum, Habakuk, Jeremia, Ezechiel, Jef. 24—27., Jef.
13,1—14,23. 21,1 — 10. 34. 35, Jer. 50. 51., Jef. 40—66,
Haggai, Sac. 1—8, Obadja, Maleachi. — Jeder diefer
Propheten bekommt eine befondere Einleitung, in der die
literarkritifchen Fragen befprochen und feine geiftvolle

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