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Ausgabe:

1892 Nr. 5

Spalte:

147-148

Titel/Untertitel:

Blicke in Herz und Welt 1892

Rezensent:

Kühn, Bernhard

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Seite 1

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147 Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 5. 148

der Unfertigkeit und des Uebergangs befinden. Rechtsnormen
, welche erkennbar auf ganz verfchiedenartigen
Grundlagen ruhen, flehen noch vielfach unmittelbar neben
einander: dort die Principien des alten landeskirchlichen
Territorialismus, für Preufsen hauptfächlich verkörpert in
dem noch in grofsem Umfang anwendbaren Allgemeinen
Landrecht, dort die nach Verwirklichung ringenden Gedanken
der Selbftverwaltung kirchlicher Genoffenfchaften.
Die Vermittelung für die Praxis ift nicht immer leicht
zu finden. Augenfällig zeigt fich das z. B. in Hinficht
auf das Patronat (S. 103), auf die Frage der Vermögens-
theilung bei Abzweigung eines Theils einer Parochie zur
Bildung eines eigenen neuen Pfarrfprengels (S. II5), dann
namentlich auf die Zuftändigkeit der Behörden bei der
Theilung vorhandener und Errichtung neuer Parochien
(S. 119 ff.). Nach vorreformatorifchem Kirchenrecht ifl
die Errichtung fowie die Dismembration, Union u. f. w.
der Pfarreien lediglich Sache des Bifchofs, der Gedanke
der Gemeinde ifl diefem Rechte unbekannt. Wefentlich
noch auf demfelben Boden fleht der proteflantifche Territorialismus
und mit ihm das Allgemeine Landrecht. Noch
jetzt werden, im Anfchlufs an diefes, in Berlin die ,Aus-
pfarrungs-' und ,Umpfarrungs-Urkunden' von den betheiligten
Staats- und Kirchenbehörden, Polizeipräfidium und
Confiftorium, erlaffen. Aher nach modern evangelifcher
Auffaffung ifl es die Gemeinde felbfl, die fich bildet, um-
geftaltet, eventuell auflöft, immerhin nicht ohne Gutheifsung
uud Anerkennung der oberen Inflanzen. Man erläfst darum
jene Verfügungen nicht ohne ,Anhörung' der betheiligten
Gemeindeorgane, wobei fich jedoch die Behörden das
Recht vorbehalten, eventuell auch gegen deren Willen
zu entfcheiden (S. 125). Bei Theilung einer Parochie follen
fogar die Bewohner der abzutrennenden Theile derfelben,
obwohl gar nicht rechtlich verfafst, zum Worte kommen.
Wie? darüber fehlt es an jedem Anhaltspunkt, vorerfl
hilft fich die Praxis von Fall zu Fall, fo gut es geht.

Es find unfertige, zum Theil widerfpruchsvolle Zu-
ftände, in die wir da hineinfehen. Aber das kann in einem
Stadium des Uebergangs nicht anders fein und braucht
uns nicht im Geringften zu fchrecken oder zu entmu-
thigen. Das proteflantifche Kirchenrecht hat im Zufam-
menhang mit der unaufhaltfam fortfchreitenden Entwicke-
lung der Dinge, noch grofse Aufgaben zu löfen; fie
werden ihre gefunde Löfung finden.

Darmfladt. K. Köhler.

Blicke in Herz und Welt. Von dem Verfaffer von ,Schild
und Pfeil'. Bremen, C. Ed. Müller, 1891. (IX, 223 S. 8.)

M- 3- —; geb- M- 4- 2°-
Das Bedürfnifs unferer Tage ifl grofs, die Sprüche
Salomonis immer wieder zu fchreiben und fie in immer
neuen Ausgaben zu lefen. Die aber, welchen die Gabe
abgeht, knappe Sentenzen auszufprechen oder Lebenswahrheiten
in künfllerifch geflalteten Bildern vorzuführen,
die erzählen unermüdlich chriflliche Anekdötchen oder
entwerfen fogenannte Skizzen mit den dazu gehörigen
Nutzanwendungen, um die arge Welt zu beffern. Da
aber letztere folche Bücher nicht lieft, fo kommen die
chriftlich angeregten Kreife, welche die Lefer ftellen, in
einige Gefahr, das chriflliche Bekenntnifs für ein Gut
anzufehen, in deffen Belitz man fich durch vernünftige
Ueberzeugung auf angenehmfte Manier immer wieder
hineinhelfen laffen könne, während es bekanntlich ein
Sieg ift, der nur im fchweren Kampf gegen täglich neu
erflehende Feinde errungen wird. Damit ifl natürlich
nicht gefagt, dafs folche Bücher nicht zu erfcheinen
brauchten, oder dafs fie nicht beffer und nützlicher wären
, als ausgefprochen unchriftliche. Der Verfaffer, der
fchon ein ähnliches Buch unter dem Titel »Schild und
Pfeil' und unter der literarifchen Vormundfchaft von
Frommel und Funcke herausgegeben hat, veröffentlicht

hier in einem leidlich ftarken Bande 25 Sachen der oben
bezeichneten Art, und wir haben gegen feine fchrift-
ftellerifche Abficht und gegen feine Darfteilung nichts
einzuwenden. Letztere zeigt viel Gefchick, und einige
recht hübfche Erzählungen flehen fich als wirklich durchgearbeitete
Leiflungen dar. Nur das Phantafiegemälde
,Harmonia', die Skizze einer Gefellfchaft, die aus lauter
vollkommenen Chriflen befleht, ifl entfchieden verunglückt
, infofern hier eine fittliche Vollkommenheit wenigstens
dichterifch angenommen wird ohne gleichzeitige
Vollkommenheit des Seins (es giebt auch einen Tod in
diefer Gefellfchaft), ein Widerfinn, der mit Bibel und natürlicher
Empfindung in Widerfpruch fleht.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.

Berichtigung.

Auf dem vor Kurzem diefem Blatte beigegebenen
Profpecte unfrer Firma ift ein bedauerliches Verfehen
dadurch unterlaufen, dafs bei der Anführung der Prof.
Lobflein'fchen Rezenfion der Schmidt'schen Symbolik u. a.
gefagt ift, dafs diefes Werk in einem grundlegenden
Punkte denjenigen von Oehler u. Kattenbusch überlegen
fei etc. etc. Es muss statt Kattenbusch Wiener heissen.

Berlin. H. Reuthers Verlagsbuchhandlung.

Bibliographie

von Bibliothekar Dr. Johannes Müller.

Berlin W., Opernplatz, Königl. Bibliothek.

©eutfcbe ütteratur.

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Inhalt: Die Weisheit auf der Gaffe. Deutfche Sprichwörter religiöfen u. fittl.
Inhaltes, zufammengetragen vom evang.-theol. Seminar in Herborn. (243 S.)

Bibliothek, theologifche. 9. Bd. 2. Tl. Freiburg i/Br., Herder, 1892.
ift. 8.) 3. -

Inhalt: Einleitung in die Heilige Schrift Alten u. Neuen Teftaments. Von
F. Kaulen. 3. Aufl. 2. Tl. (S. 183—436.)
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1892. (41 S. gr. 8.) —. 80

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3 Karten, gr. 8.) 9. —; geb. 10. —

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Nuntiaturberichte aus Deutfchland, nebft ergänzenden Actenftücken. 1. Abth.

1533—1559. Hrsg. durch das k. preufs. hiftor. Inftitut in Rom u. die

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(Lex.-8.) . 34- —

Inhalt: 1. Nuntiaturen d. Vergerio 1533—1536, be»rb. v. W, Friedensburg
. (LVII, 615 S.) 20. —. — 2. Nuntiatur d. Morone 1536—153&> bearb.
v. W. Friedensburg. (VIII, 470 S.) 14. —
Grimm, E., Der deutfche Proteftantismus u. die Ideale unfres Volkes

am Anfang u. Ausgang unfres Jahrhunderts. Ein Vortrag. Berlin,

Walther & Apolant's Verl., 1892. (35 S. gr. 8.) —. 50

Naumann, F., Was kann die innere Miffion zur Belebung der Gemeinden

beitragen? Vortrag. Karlsruhe, Evang. Schriften-Verein, 1892. (12 S.

gr. 8.) —. 20

Verhandlungen der allgemeinen Konferenz der deutfchen Sittlichkeits-
Vereine vom 14. u. 15. Oktbr. 1891 zu Dresden. Berlin, [Evang.

Vereinsbuchh.], 1892. (132 S. gr. 8.) 1. —

Simmel, G., Einleitung in die Moralwiffenfchaft. Eine Kritik der eth.

Grundbegriffe. (In 2 Bdn.) I. Bd. Berlin, Beffer'fche Bnchh., 1892.

(VIII, 467 S. gr. 8.) 9. —j geb. 10. 20