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Ausgabe:

1892 Nr. 23

Spalte:

575-578

Autor/Hrsg.:

Warneck, D. G.

Titel/Untertitel:

Evangelische Missionslehre 1892

Rezensent:

Wurm, Paul

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575 Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 23. 576

in der That trifft diefe Bezeichnung in vollem Mafse zu.
Nicht blofs, dafs der äufsere Umfang des Buches erheblich
gewachfen ift (742 gegen 553 Seiten), fo läfst auch
der Inhalt in vielen Beziehungen die ergänzende und ver-
beffernde Thätigkeit des Verfaffers erkennen. Dabei ilt
jedoch, abgefehen von einigen Punkten, der Text wenig
verändert. Vielmehr finden fich weitaus die meiden Vermehrungen
in den Anmerkungen. Diefe Anmerkungen,
die nicht mehr am Schluffe jedes Paragraphen flehen,
fondern in zweckmäfsiger Weife auf jeder Seite unter
dem Text ihren Platz gefunden haben, find durchweg
ganz erheblich erweitert durch eingehende Erörterung
fpecieller Fragen, fowie durch Literaturangaben und
Quellencitate. Alles, was bereits bei der erften Auflage
an dem Buche lobend hervorzuheben war, läfst fich auch
von der zweiten Auflage und zwar in erhöhtem Mafse
fagen. Insbefondere mufs erwähnt werden, dafs es dem
Verfaffer gelungen ift, unbefchadet der Gründlichkeit die
Klarheit und Ueberfichtlichkeit der Darfteilung beizubehalten
. Dagegen laffen fich freilich auch die Beanftan-
dungen und Bedenken, die bei der eingehenden Be-
fprechung der erften Auflage in der Theolog. Literaturzeitung
von dem Herrn Referenten in Betreff einer
grofsen Anzahl von Punkten erhoben worden waren,
durchweg auch gegen die neue Auflage in's Feld führen,
und wenn der Herr Verfaffer auch bei manchen der in
Betracht kommenden Fragen fich darauf wird berufen
können, dafs die von ihm gegebene Darftellung lediglich
eine Confequenz des von ihm vertretenen Standpunktes
fei, fo ift diefes doch keineswegs immer der Fall. Immerhin
würde eine nochmalige Aufzählung der zu erhebenden
Monita zwecklos fein und voraussichtlich, keinen
andern Erfolg haben, als das erfte Mal. Doch will ich,
um wenigltens einen Punkt herauszugreifen, erwähnen,
dafs es jedenfalls keinen vortheilhaften Eindruck macht,
dafs die noch dazu nicht einmal vollkommen zutreffende
Anweifung, wie ,fich noch heutzutage in Civilfachen das
bürgerliche Forum leicht vermeiden' läfst, auch in die
neue Auflage (S. 112) übergegangen ift. Wenn, wie ich
gern glauben will, der Herr Verfaffer damit auch nur
die in weiten Kreifen des Clerus herrfchende Auffaffung
wiedergegeben hat, fo wirft eine folche Umgehung des
bürgerlichen Forums doch ein eigenes Licht auf die An-
fchauung diefer Kreife über die Bedeutung der Staats-
gefetze und der Staatlichen Autorität. Auch die Anführung
(S. 176), dafs die Reftitution des Kirchenstaates
erfolgen werde, möge das italienifche Königreich fich
befestigen, oder möge es, was allerdings wahrscheinlicher
fei, wieder zerfallen, wäre in diefer Form beffer unterblieben
.

Dafs auch bei der vorliegenden Auflage der correcte
römifche Katholicismus die Grundlage und leitende Norm
bildet, bedarf kaum noch der Erwähnung. Gleichwohl
oder vielmehr gerade deshalb ift das Buch auch für den
evangelifchen Theologen infofern nicht ohne Bedeutung,
als er, wo es ihm darauf ankommt, fich über römifche
Anfchauungen zu informiren, an demfelben einen durchaus
zuverläffigen Wegweifer findet.

Kiel. Frantz.

Warneck, D. G., Evangelische Missionslehre. Ein miffions-
theoretifcher Verfuch. 1. Abtlg.: Die Begründung
der Sendung. [Zimmer's Handbibliothek der praktischen
Theologie, XVII. Bd.] Gotha, F. A. Perthes,
1892. (XVI, 319 S. gr. 8.) M. 5.—

Zum erften Mal wird uns hier eine wiffenfchaf t-
liche Miffionslehre geboten als Theil der praktifchen
Theologie. In Zimmer's Handbibliothek der praktifchen
Theologie foll diefelbe den XVII. Band bilden. Dafs
die Bearbeitung in die richtigen Hände gelegt worden
ift, darüber werden wohl die meiften Lefer zum voraus

einig fein. Die Wärme, mit der Warneck allenthalben
die Sache der Miffion vertritt, die forgfältige Prüfung
aller gefchichtlichen Erfcheinungen nach ihrem Schrift-
j grund, die umfaffende Kenntnifs fo vieler Einzelheiten,
die Klarheit der Darftellung, die Umficht in der Beur-
i theilung wird gewifs auch hier den Lefer feffeln, dafs er
' trotz des vielleicht unerwartet grofsen Umfangs, den das
1 Werk voraussichtlich bekommt, gerne dem Verfaffer bis
| zum Schlufs folgen wird. Es enthalten nämlich die vorliegenden
319 Seiten neben der Einleitung in das Ganze
J nur die Begründung der Sendung, worauf als zweite
Abtheilung die Organe der Sendung und als dritte
I der Betrieb der Sendung folgen foll.

Die Einleitung behandelt zunächst den Begriff
der Miffio n. Der Verf. verfteht darunter ,die gefammte
auf die Pflanzung und Organifation der chriltlichen Kirche
j unter Nichtchri ften gerichtete Thätigkeit der Chriften-
J heit. Diefelbe trägt den Namen Miffion, weil fie auf
I einem Sendungsauftrage des Hauptes der christlichen
Kirche beruht, durch Sendboten (Apoftel, Miffionare)
ausgeführt wird und ihr Ziel erreicht hat, fobald die
Sendung nicht mehr nöthig ift' (S. 1). Warneck nimmt
: daher an, dafs die fogenannte Innere Miffion die Bezeichnung
Miffion incorrecter Weife trage, fie würde
richtiger durch Diakonie bezeichnet (S. 4). Allein der
durch Wichern gefchöpfte Name läfst fich doch wohl
biblifch rechtfertigen, wenn z. B. Luc. 17, 5 die nur
unter Israel gefendeten Jünger ajtöoxoloi genannt werden
. Die Innere Miffion hat eine Aufgabe, welche die
in der Gemeinde vorhandenen Aemter nicht genügend
erfüllen können. Allerdings wenn die Diakonie fort-
exiftirt hätte, wie in der apoftolifchen Zeit, wäre fie nicht
nöthig geworden, aber in den Verhältnifsen, in denen
wir leben, braucht es doch auch eine befondere Sendung
, um das Verlorene in der Heimath zu Sachen, und
es werden dabei im Wefentlichen diefelben Grundfätze
j gelten, wie Warneck fie in der Definition der Heiden-
miffion darftellt.

Die Einleitung befpricht weiter, wie die Miffion, obgleich
praktifche Thätigkeit, doch auf wiffenfchaft-
liche Behandlung Anfpruch und nach derfelben ein
Bedürfnifs habe, und wie fowohl ihr gefchichtlicher als
ihr theoretifcher Befitz fich dazu eigne, wie aber bis
jetzt eine eigentliche wiffenfchaftliche Miffionsliteratur
noch gröfstentheils fehle. Miffionslehre nennt Warneck
| feine Disciplin und verfteht darunter die wiffenfchaftliche
Verständigung über den gefammten Miffionsbetrieb, alfo
über alles, was fich fowohl auf die Begründung wie auf
die praktifche Ausführung der Miffion bis zur Erreichung
ihres Zieles bezieht (S. 20). Eine evangelifche Miffionslehre
ift es, da die confeffionellen Unterschiede einen
fo durchgreifenden Einflufs auf den Miffionsbetrieb ausüben
, dafs fich eine allgemeine chriftliche Miffionslehre
nicht aufstellen läfst, während fich eine allgemeine chriftliche
Miffionsgefchichte wohl Schreiben läfst (S. 29). Es
wird ferner die Stellung der Miffionskunde im Ganzen
der Theologie befprochen, die Miffionsgefchichte der
allgemeinen Kirchengefchichte, die Miffionslehre der
praktifchen Theologie zugewiefen, nicht der Ethik, wie
Schleiermacher und Rothe wollen. Dabei haben aber
auch die Exegefe, Apologetik, Dogmatik und Ethik
Theile der Miffionslehre in ihren Bereich zu ziehen (S. 62).
Zum Schlufs der Einleitung werden noch Quellen und
Literatur für die Miffionslehre angegeben.

Nun folgt der erfte Theil, die Begründung der
Sendung, welche zerfällt in eine biblifche, kirchliche
, gefchichtliche und ethnologi fche Begründung
.

Die Frage: Woher Stammt die Miffion? wird nach
Gal. r, 1 beantwortet: ,Nicht von Menlchen, auch nicht
durch Menfchen, fondern durch Jefum Chriftum und Gott
den Vater.' — ,Ift es eine unhaltbare Annahme, das Evangelium
, welches Paulus verkündigt, fei ein Product feiner