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Ausgabe:

1892 Nr. 18

Spalte:

459-460

Autor/Hrsg.:

Schneller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Evangelienfahrten. Bilder aus dem Leben Jesu 1892

Rezensent:

Hans, Julius

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459

Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 18.

460

Schneller. Part. Ludw., Evangelienfahrten. Bilder aus dem
Leben Jefu in der Beleuchtung des Heiligen Landes
im Anfchluffe an die Sonntagsevangelien. Leipzig,
[Wallmann] 1892. (XII, 575 S. m. Abbildgn. gr. 8.)
M. 5.80; geb. M. 7.—

Der Verfaffer hat bekanntlich längere Zeit im heiligen
Lande gelebt und feine dort gewonnenen Eindrücke und
Beobachtungen auch fchon anderwärts verwerthet. Im
vorliegenden Buche will er fie dazu benützen, um eine
Anzahl evangelifcher Abfchnitte recht lebendig und an-
fchaulich zu erzählen. Es find befonders altkirchliche
Evangelien, die er dazu gewählt hat; wenn ich recht gezählt
habe, find es deren 23, während die Zahl der aufser-
dem behandelten Abfchnitte etwa 12 beträgt, wozu dann
noch die Leidensgefchichte kommt. (Die Angabe: Joh. 3,
die fich in der Ueberfchrift des 8. Capitels befindet, fcheint
auf einem Irrthum zu beruhen.) Das Ganze ift jedoch
nicht nach der Reihenfolge des Kirchenjahres, fondern
chronologifch geordnet, fo dafs es ein ziemlich zufammen-
hängendes, wenn auch nicht ganz vollftändiges Leben
Jefu bildet. Der Verf. legt dabei einiges Gewicht auf
die von ihm aufgeftellte Chronologie. Er nimmt nämlich
eine zweijährige Wirkfamkeit Jefu an und glaubt, dafs
fich für die wichtigften Ereignifse auch die Monate, in die
fie fallen, beftimmen laffen. Da er aber die verfchiedenen
Berichte harmoniftifch ineinander arbeiten will, geht es
ohneUnwahrfcheinlichkeiten und gezwungeneErklärungen
nicht ab. So verlegt z. B. Markus die Tempelreinigung
auf den Tag nach dem Einzug in Jerufalem, Lucas läfst
fie offenbar am felben Tage gefchehen, während Johannes
einen folchen Vorgang bekanntlich aus dem Anfang der
Wirkfamkeit Jefu berichtet. Wie ftellt nun der Verf. die
Sache dar? Jefus befchlofs, am Tage feines Einzugs in
Jerufalem, ,nach der heutigen offenen Ausrufung feiner
königlichen Würde fein Haus zum zweiten Mal von dem
empörenden Unfug zu fäubern'. Aber er führte den Ent-
fchlufs nicht fofort aus. ,Heute war er zu bewegt dazu.
Noch Landen ihm die Thränen in den Augen, die ihm
vorhin der Anblick der ihrem Untergang entgegeneilenden
Stadt ausgeprefst hatte. So richtete er nur einen Blick
voll tiefen Schmerzes auf die Menge der Buden und
Handelsleute — und ging'. Erft am andern Tag führte
er das Befchloffene aus. Man denke fich: Jefus ift ent-
rüftet über die erneute Verunreinigung des Tempels, er
befchliefst ihr zu wehren. Aber nur heute nicht mehr!
fagt er fich, heute fühle ich mich zu bewegt und angegriffen
, morgen will ich das mit ruhigem Blut und frifchen
Kräften ausführen. Das find Motive, wie fie ein moderner
Romanfchriftfteller feinen Helden und Heldinnen andichten
mag, und wie fie für diefe paffen mögen. Zu
dem Bilde Jefu, wie wir es im Herzen tragen, paffen fie
nicht. Ueberhaupt klingt manches ans Romanhafte an.
Dazu rechne ich die Ausmalung mancher Situationen.
Ich bin ganz dankbar für pofitive Schilderungen der
Scenerie, in der fich der oder jener Vorgang abfpielte;
aber wenn ich öfters höre, dafs der Jordan geraufcht hat,
fo finde ich, dafs ich mir das felber fagen kann, und
wenn der Verf. erzählt, dafs die Sonne golden grüfste
und dafs ein leuchtender Frühlingstag der Welt angebrochen
war, als Jefus fich aufmachte, nach Jerufalem zu
ziehen, fo fcheint mir durch diefe Zuthat der Phantafie
die Gefchichte felbft um nichts bereichert zu werden.
Doch das beruht vielleicht auf einer Verfchiedenheit des
Gefchmacks und andere mögen darüber anders urtheilen.
Jedenfalls aber find die Schilderungen des Verf.'s vielfach
etwas zu breit und verlieren dadurch an Anfchaulichkeit
und packender Kraft. Hätte er fich etwas mehr Be-
fchränkung auferlegt und die erzählten Gefchichten nur
nach der Seite hin weiter ausgeführt, wo er fie wirklich
durch concrete Züge beleben oder Einzelheiten in ihnen
aufhellen konnte, würde das Ganze an Eindruck gewonnen
haben. Vielfach ift ja das von ihm gefchehen,

und in diefen Partien liegt der Werth feines Buches. Ich
kann nicht überall controliren, ob die gegebenen
Deutungen richtig find. Ob z. B. bei den Lampen der
zehn Jungfrauen wirklich an Fackeln zu denken ift, d. i.
an ,lange Stangen, um deren oberes Ende grofse, mit
Olivenöl gefättigte Lappen gewickelt und gebunden find',
mufs ich dahingeftellt laffen. Aber mancher Zug der
evangelifchen Gefchichte wird Einem durch die Ausführungen
des Verf.'s in derThat klarer u. lebendiger, und
dafür foll ihm gedankt fein, wenn auch anderes mit unterläuft
, was meiner Auffaffung nach geringeren Werth
befitzt.

Augsburg. J. Hans.

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von Bibliothekar Dr. Johannes Müller.

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