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Ausgabe:

1891 Nr. 19

Spalte:

483-484

Titel/Untertitel:

Fricke, Aus dem Feldzuge 1866. Briefe aus dem Felde und Predigten und Reden im Felde 1891

Rezensent:

Köstlin, Heinrich Adolf

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Seite 1

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4§3 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 19. 484

Fr icke, fr. Feldprobft Prof. Dr., Aus dem Feldzuge 1866.

Briefe aus dem Felde und Predigten und Reden im
Felde. Leipzig, Fr. Richter, 1891. (VI, 248 S. 8.)
M. 3. —; geb. M. 4. -

Ein Vierteljahrhundert hat der Verf. diefe Briefe
befcheiden im Pulte liegen laffen, ohne dem wiederholt
an ihn ergangenen Wunfche, diefelben durch
den Druck weiteren Kreifen zugänglich zu machen, Rechnung
zu tragen. Dafs er fich jetzt dazu entfchloffen hat,
fichert ihm den Dank nicht blofs der vielen Schüler des
Theologen und Kirchenmanns, die fich freuen, den Mann
der Wiffenfchaft hier von einer ganz neuen Seite kennen
zu lernen und ihm perfönlich nahe zu kommen, fondern
aller derjenigen, deren Herz für die Gefchicke des Vaterlandes
warm fchlägt und die es mit fchmerzlicher Be-
trübnifs erleben müffen, dafs fo viele unter dem jetzigen
Gefchlechte kein Gedächtnifs und kein Verftändnifs mehr
für die ernften Lehren der jüngften Vergangenheit unferes
Volkes zu haben fcheinen. Fünfundzwanzig Jahre —
eine lange Zeit, und doch wie kurz für alle diejenigen,
welche jene Zeit der fich neugeffaltenden Dinge, der
Wehen, die der Neugeburt des Reiches vorangingen und
vorangehen mufsten, mit klarem Bewufstfein erlebt
haben, und denen doch, obfchon fie das Gefühl haben,
als wäre das alles erft geftern gefchehen, ein Blick
in diefe, ohne jede Tendenz, unter dem unmittelbaren
Eindruck der Ereignifse niedergefchriebenen Blätter lebhaft
zum Bewufstfein bringt, welch' eine Wende es ge-
wefen ift, die fich mit uns feit 1866 vollzogen hat, und
wie viel Urfache wir haben, Gott auf den Knieen zu
danken, dafs alles fo gekommen ift. Denn, um mit dem
Aeufserlichen anzufangen, wie anders muthet die Stimmung
, welche über dem ausziehenden fächfifchen Heere
lag, und wie fie ja bei der ernften Tragik des unvermeidlichen
Bruderkriegs nicht anders fein konnte, wie
ganz anders find gleich die erften Eindrücke, die der
Ausziehende von der Organifation des Heeres empfing,
als vier Jahre fpäter fchon bei dem Ausmarfch von 1870!
Wenn wir lefen, wie der Feldprobft des königl. fächfifchen
Armeecorps zu dem feine amtlichen Utenlilien enthaltenden
Koffer nicht kommen kann, da derfelbe im
Intendanturwagen eingefchloffen, der Schlüffel zu diefem
aber in der Heimath liegen geblieben ift; wie die Abhaltung
eines eigentlichen Gottesdienftes erft möglich
wird am 22. Juli, alfo nachdem der Hauptfache nach
alles vorüber ift — wie er z. B. felbft der nöthigften Aus-
rüftung mit Kleidern, der unentbehrlichen Feldflafche ent-
rathen, im Feldzug den .Frack' mitnehmen mufs! wie ift
alles, was das Feldzugsleben ausmacht, noch ungewohnt,
neu, fremd! wenn man lieft, wie (S. 44) vor Zwittau, wo
fich Kriegscafle, Hauptquartier u. f. w. befand, verfäumt
wird, Wachen auszuftellen, oder wie den Geiftlichen
(S. 53) der Gebrauch ihrer Wagen vertagt wird, aus
,Schonung für die Pferde'. Man mufs alle diefe kleinen
Züge fich wieder vergegenwärtigen, mufs fich in die Ge-
müthslage der Männer hineinverfetzen, die im füllen
Grunde des Herzens und mit dem Verftande fich fagen
mufsten, wie es gehen werde, und doch feften Muthes
ihre Pflicht bis zur Grenze des Möglichen thaten, um mit
tiefer Ergriffenheit inne zu werden, was unterem Gefchlechte
gefchenkt worden ift. Bei aller Freudigkeit
der Pflichterfüllung, welche die mit anfpruchslofer Sachlichkeit
und farbiger Frifche gefchriebenen Briefe ath
men, liegt doch ein Hauch tiefernfter Refignation darüber
, und auch in den Predigten, die den zweiten Theil
des ergreifenden Büchleins bilden, ift es der Ton mannhafter
, aber wehmüthiger Ergebung in Gottes fchwere
Heimfuchung, der vorfchlägt, die ernfte Mahnung zur
Einkehr und Bufse, die ja wahrlich — wir möchten fagen
im geiftlichen wie im militärifchen Sinne unterem Volk
dringend noththat. Die 25. Wiederkehr jenes fchmerz-
vollen Sommers giebt Anlafs, die Bilder jener Tage

wieder aufzurollen, Geftalten, wie z. B. die des bei
Frohnhofen gefallenen, mit Herz und Verftand neu-deut-
fchen, durch die Pflicht auf gegnerifcher Seite gebundenen
Hauptmanns Könniger, den lins Wilhelm Baur fo
warm und pietätvoll gezeichnet hat, unferem Volke vorzuführen
, damit es wieder ein klein wenig Dankbarkeit
und Pietät lernt. Darum fei dies Buch aufs wärmfte den
Volks-Bibliotheken empfohlen! Aber auch den Pfarr-
Bibliotheken! nicht blofs, weil die Predigten und Reden
Cafualreden vortrefflichfter Art find, fondern weil es uns
— wir möchten ja gerne irren! —■ fcheinen will, als ob
gerade wir Theologen in der Aufgabe, auf ernfte Ereignifse
uns auch technifch zu rüften, hinter den Kämpfern
mit der Waffe und den freiwilligen Sanitätscolonnen etwas
zurück wären. Die ,Organifirung (der Feldpaftora-
tion) von der Wurzel aus ift geradezu eine der wich-
tigften Seiten der Militärorganifation, und eine Pflicht
gegen die Mannfchaften wie gegen das Ganze' (S. 81),
das ift ein Satz, dem jeder beiftimmen mufs, auch wenn
er, wie 1870, unter viel befferen Verhältnifsen mitgearbeitet
hat und gerne anerkennt, was feither gefchehen ift.

Darmftadt. H. A. Köftlin.

Bibliographie

von Cuflos Dr. Johannes Müller.

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