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Ausgabe:

1890 Nr. 11

Spalte:

277-283

Autor/Hrsg.:

Bratke, Eduard

Titel/Untertitel:

Wegweiser zur Quellen- und Litteraturkunde der Kirchengeschichte 1890

Rezensent:

Mueller, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 11.

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Ir.en. in diefem Zufanimenhang redet, gehörten die Briefe
n"cht: aber ganz unmifsverftändlich rechnet Iren. — nicht
ES?..1« 6, 3 (welche Stelle W. S. 43 f. nicht ganz loyal
würdigt), fondern — III, 12, 12 die Paulusbriefe wie eines

jenigen Dringlichkeit, die principiellen Gründen eigen ift
Ausbefferung verlange' (S. 25). Diefelbe Lücke findet fich
in der Schulung der jungen Theologen: ,Mit den fertigen
Refultaten der Gottesgelahrtheit wird heute wie früher

aer Evangelien zu den Schriften: Marcion et qui ab eo j jeder Theologe zur Genüge überfchüttet, aber es fehlt
S1»it ad intercidendas convcrsi sunt Scripturas, quasdam jetzt wie früher an einer methodifchen Anleitung, zu den
quidem in totum von cognoscentes, secunduni Lucam 1 Quellen zu gelangen, an einer „Methodik der hiftorifchen
"'dem evangelium et cpistolas Pauli deatrtantes, hacc sola i Quellenkunde" und doch gehört diefe „Bergmannskunft
iegitima esse dictmt. auae ifisi minoraverunt. Nos aittem der Quellenauffindung" (ein Ausdruck, der durch drei

**am ex his, quae adlruc apud eos custodiuntur, argue-
nius eos. Reliqui vero omnes /also Scientiae nomine inflati
^ripturas quidem confitentur, interpretationcs vero
c°nvertunt. Fügt man hierzu die Polemik des Iren. z. B.
'. IS< 1 gegen die, qui Paulum apostolwn non cognoscunt,

malige Wiederholung gewifs nur an Reiz gewinnen kann)
neben der „Schmelzofenthätigkeit der Kritik" zu den wich
tigilenVorbereitungslehren aller Gefchichtsforfchung'(S. 12)
Wenn man nun auch meinen könnte, es fei bisher auch
oh ne eine folche Methodik gegangen, fo ift das doch ein

1'u non reäpiunt cum, beachtet man, wie er III, 11, 9 Irrthum. Verf. tritt dem fchon am Anfang entgegen. Wohl
llch mit dem Widerfpr'uch der Aloger gegen das Johannes- erkennt er S. 27 den Theologen erfreuliche Literatur-
evangelium durch die Bemerkung abfindet: quod kuius kenntnifs' zu. Es fehlt auch nicht an zahlreichen Werken,
**odi neque apostolum Paulum recipiant — denn I. Cor. in denen man jederzeit nachfchlagen kann und die durch
11 handele Paulus ausdrücklichft von den in den Gemein- | den Reichthum ihrer Angaben ,den erzeugenden Urgrund'
den verbreiteten prophetifchen Charismen, fo darf man j aller möglichen .literarifchen Unternehmungen'bilden und
als unbezweifelbar behaupten, dafs zum Kanon des Iren. | .wahre Erquickungsmittel für literaturbedürftige Seelen'

eir» corpus epistolarum Pauli ebenfo gewifs gehört hat
wie die Apoftelgefchichte und das Evangelium des Marcus.
. Von diefer fachlichen Differenz abgefehen, bcdaure
'cn> an Werner's Arbeit noch einen formellen Mangel

find (S. 39). Aber (S. 27), wer mit feinem eigenen Wiffen
ftreng in das Gericht zu gehen gelernt hat', weifs auch von
feiner Arbeit des Litteraturerwerbs dafs fie, wenn ,kein
Syftem' in ihr liegt ,der Merkmale der Nothwendigkeit

, . iTciuu a ai uuk pyvü .in-,, »v.......... ..-_..&— i .------ — ---- —o- ,------------------ —-.....^—..

Hervorheben zu müffen: in Wiedergabe irenäifcher Sätze 1 und Allgemeingültigkeit' entbehrt, .welche wiffenfehaft-
und Angabe der Stellen, woher er fie entnommen, find j liches Arbeiten begleiten'. Wer im Suchen . . . nach den
eine grofse Men<*e von Fehlern zu verbeffern. Dafs W. 1 Gefchichtsquellen überhaupt kein methodifches Verfahren

anwendet, fondern lediglich' feine individuell bedingte
.Bücherkenntnifs diefem Suchen zu Grunde legt, der mufs
auch an fich erfahren, dafs alles Künfteln ohne Theorie
nichtig ift und ftatt Maffe nur Schaum fchafft'. Und ficher
ift, ,dafs man mit einem zielbewufsten Verfahren voller
Methode' mehr erreicht, ,als durch ein planlofes Hin- und
"isset, existerunt ft. existerent;'S. 13b recagitulatusü. re- Hertappen und ein den Stempel der Unwiffenfchaftlich-
Captivatus, obedicrunt ft. obediunt, mandueaverunt ft. keit an fich tragendes Rathen'(S. 33). Die Nothwendigkeit

diefer Methodik ift alfo dringend, und wer fie noch nicht
einfieht, dem wird fie im Lauf des Werks immer wieder
gelegentlich und am Schlufs noch einmal gründlich er-
wiefen S. 269 ff. Ein Beifpiel beleuchtet diefen Nothftand

lrr»mer xini/.ug fchreibt ftatt Aov/.üg (S. 25. 62. 63) und
auch fonft einmal in den Accenten irrt, hat wenig: auf
'Crü aber fchlimmer ift es, wenn z. B. auf S. 14 avzov
üitnv, y.iüftaig ft. xwitoig und quidem ft. quidam zu
lefen fleht, auf S. 121 perfectum ft. profectum, oportet ft.
fortuerat, proprio ft. suo proprio, pervenisset ft. preree-

'rant; S. 25 iyyoatpoe ft. tyygücpwg, S. 69 u. 75 in demselben
Citat aus III, 13, 3 i. est, S. 93 xai ft. xcezä
~- 126 dicens ft. discens u. f. w. Per uiininzelevzov find
208 Z. 3 die Worte serviunt et sequentibus ob ui quod
ausF,efallen ebenfo auf S 87 Z 6 vor descendit: alter in geradezu unheimlicher Weife (S. 20): nicht einmal die
tUfro in cum dm natus est. S. 10 lefe man lt. II Joh. .bibliothekarifchen Zeitfchriften' die doch in erfter Linie
7": II loh r 's- S 91 ft 6W-; S. 94 ft. IV, 10, 12: dazu berufen wären, geben dem jungen Theologen Kennt-

IV, 20 12 und ft Q'5: 9^c, S. 100 ft. IV, 43, 2: IV, 34, : nifs davon, ,dafs eine Theolog.Lit.-Ztg., einTheol.Lit.-Bl.,
2i S 123 ft IV 18 1: IV, 38, i; S. 124 n. 2 ft. IV, 5, 2: j und ein Theol. Jahresbericht exiftiren! Und wenn fie es
*V, k"o. S 125 n.' ft. V,'24, i: V, 24, 3; S. 137 ft. IV, nicht thun, aus welchen allgemein wiffenfehaftlichen
40i i- IV 40 3- S. 145 ft- V, 11, 2: V, 12, 2; S. 204ft. ! Büchern foll man denn nun in wirklich methodifch
SV, 8 6- IV 18 6 u. f. f.' — Auch in dem Verzeichnifs geordneter Weife Kenntnifs davon erhalten'. Wer
der Ir'enaeus-Lite'ratur S. 3—5 wäre in den Titelangaben wollte es da dem Verf. nicht danken, dafs er, anftatt an
hehreres zu vervollftändigen und zu verbeffern; und j einem angefangenen Problem weiter zu arbeiten (S. 59),
weshalb hier die Scheidung zwifchen Monographien und erft diefe Lücke .ausbefferte'!

Zeitfchriften-Artikeln wozu die alphabetifche ftatt der Und in mufterhaft methodifcher Weife ift das ge-

chro

nologifchen Ordnung? ! fchehen. Wir flehen auf dem Boden einer neuen Dis-

Indefs wie dies Verzeichnifs trotz folcher Mängel ciphn, welche den ,Forfchungsgegenftand' nicht ,in pul-
dankenswerth genuo- bleibt, fo will ich von der ganzen verifirter Form (S. 101. 138. 143) vorführt, fondern ,den
Abh andlung zum Schlufs nochmals hervorheben, dafs fie | finnenfälligen Leib der Theologie anatomifch und phyfio-
tr°tz einzelner Fehler recht verdienftlich heifsen mufs: logifch befchreibt' S. 26, ein fo treffendes Bild, dafs es
f'e bedeutet einen <mten Schritt weiter in der rechten mit Recht S. 138 noch einmal wiederholt wird. Aber die
^urdmung der Theolome eines fo einflufsreichen Kirchen- neue Disciplin fleht doch beträchtlich höher, als diefe
Sehrers wie Irenaeus & Wiffenfchaften. Bei ihr finden fich keine einfach empi-

' ah Tüii-iif-r rifch aufgegriffenen Behauptungen. Es wird alles auf

...... Marburg. • -_Ad. Julicher. dgm We„e begrifflicher Verleitung' gewonnen, und zwar

b _ . , .„ | wird gründlich fundamentirt. Wir werden vor den Gegen-

oratke. Prof. Tic. Dr. Ed., Wegweiser zur Quellen- und Litte- fatz von Geift und Natur geführt (S. 2). Die Verfchieden-
raturkunde der Kirchengeschichte. Eine Anleitung zur j heit der beiden Reiche und ihrer Forfchungsmethode
planmäfsi^en Auffindung der litterarifchen und monu- : wird fehr plaftifch und wohl Jedem verftändlich gefchildert.
mentalen Ouellen der Kirchengefchichte und ihrer Be- Wir erhalten Kunde von den verfchiedenen Arten von
.. /— tu p a Perthes i.Snn rVTl ^8? S i Quellen, hören von den Wirkungen der ,Macht des hifto-

arbeitungen. Gotha. F. A. Perthes, 1890. (VII, 282 S. rifch wiffenfchaftlichen Sinnes auf der jedesmaligen Stufe
gr. 8.) M. 6. — der geiftigen Willenacte', erfahren, dafs ,die Gefchichts-

Der Verfaffer diefes Buches ift überzeugt, dafs unfere : wiffenfehaft in allen ihren Aeufserungen' das Sich-be-
pfchichtliche und kirchengefchichtliche Literatur ,eine wufst-werden der Menfchheit von fich felbft' ift, dafs
köcke, in ihrem Organismus verrathe, welche mit der- ; aber ohne Quellen die Gefchichtswiffenfchaft unmöglich

*