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Ausgabe:

1889 Nr. 15

Spalte:

388-389

Autor/Hrsg.:

Swoboda, Heinr.

Titel/Untertitel:

Ein Weltbild unserer kirchlichen Kunst 1889

Rezensent:

Köstlin, Heinrich Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 15.

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feinen Amtsbrüdern für ihr Vorgehen nicht. Was er I
ihnen zu fagen wünfcht, fafst er in das Wort zufammen:
,Liebe, und dann thue was du willft'. Möge diefer Aufruf
recht willige Hörer finden! .Denn' — fo fagt der
Vortragende am Schlufs feiner Rede mit Recht — ,als
gröfste Gefahr für unfere Zeit droht ein müfsiges verweltlichtes
Paftorenthum'.

3. Innere Miffion und Familie! Es erfcheint fehr
felbftverftändlich, was im Eingang des Vortrags gefagt
ift: .davor, ihren Dienft ohne Noth an die Stelle des
Dienftes der Familie zu Hellen in falfcher Entladung der-
felben, fchrickt fie — die Liebe, die das Wrerk der inneren
Miffion betreibt — als vor einem gefährlichen, ja fündigen
Abweg zurück; fie will die vorhandene Familie nicht entladen
, fondern ihr dienen, die zerrüttete oder zerfallende
wieder bauen helfen, die fehlende erfetzen.' In der An-
fprache follen indeffen auch gar nicht etwa neue Begriffs-
Bedimmungen und Erörterungen gegeben werden. Der
Werth des Vortrags bedeht vielmehr darin, dafs einer-
feits in erfchütternder Weife der Verfall der Familie ge-
fchilclert und auf das Verderben hingewiefen wird, wie
es mit der modernen Familienlofigkeit verbunden id und
dafs andererfeits der Redner zeigt, wie Hilfe gebracht
werden kann, ohne dafs die Rechte und Pflichten des
Haufes beeinträchtigt werden. Unter diefem Gefichtspunkt
befpricht er zuerd Hilfeleidungen für die Familie:
Krippen, Kleinkinderbewahrandalten, Kleinkinderfchulen,
Kinderbefchäftigungsandalten, Furforge für Arbeiterwohnungen
, individualifirende häusliche Armenpflege, Arbeit
der Gemeindediakoniffen, Verforgung der Häufer mit
Bibeln und guten Schriften. Dann kommt die Arbeit
an den lAamilienlofen an die Reihe und es werden hervorgehoben
: Jünglingsverein, Kod- und Logirhäufer für ledige
Arbeiter, Daheim für familienlofe Arbeiterinnen, Gaft-
freundfchaft chridlicher Familien Alleindehenden gegenüber
. Man findet da recht praktifche Winke.

4. Vortrag, auf einer Wanderverfammlung gehalten!
Aus der Veranlaffung erklärt fich's, dafs in dem Vortrag
nur das allerelementarde behandelt wird. Es gilt eben
darum, Vorurtheile zu zerfireuen, Gleichgiltige zu gewinnen,
über das Arbeitsgebiet der inneren Miffion zu Orientiren.
Für folche Kreife, die mit den befprochenen Fragen
fchon bekannt find, bietet die Arbeit daher weniger
Intereffe.

5. Der Bericht über die 57. Hauptverfammlung,
welche die evangelifche Gefellfchaft von Genf am
28. Juni 1888 abgehalten hat, referirt über die Thätigkeit
der Gefellfchaft während des letzten Rechnungsjahrs,
Die evangelifche Gefellfchaft unterhält ihre theologifche
Schule zu Genf, betreibt das Evangelifationswerk (in der
Schweiz und in Frankreich) und verbreitet Bibeln. Ihre
letzte Jahreseinnahme betrug gegen 198000 Franken. In
den 57 Jahren ihres Bedehens hat fie über 8 Millionen
Franken vereinnahmt und verausgabt. Was die theologifche
Lehrandalt betrifft, fo war diefelbe im letzten
Jahre von 68 Zöglingen befucht; von ihnen dämmten 31
aus der Schweiz, 24 aus Frankreich, 6 aus Italien, je 3
aus Belgien und Deutfchland, 1 aus Oederreich. Zur
Aufnahme wird erfordert, dafs der Bewerber das 20.
Lebensjahr zurückgelegt hat und zu Gott bekehrt id.
Die Schule will allen denjenigen Kirchen dienen, ,welche
die Grundlagen des Glaubens bewahrt haben'. Die Schüler
der theologifchen Lehrandalt können vollkommen frei
wählen zwifchen den verfchiedenen Kirchen, fie dürfen
fich da ordiniren laden, wo ihren Ueberzeugungen am
beden Genüge gefchieht.

Giefsen. W. Stamm.

Swoboda, Kapl. Heinr., Ein Weltbild unserer kirchlichen
Kunst, gezeichnet in der Vatikanifchen Ausdellung.
Mit 6 Kundbeilagen. Paderborn, F. Schöningh, 1889.
(48 S. Lex.-S.) M. t. 80.

Die vorliegende Schrift id eine ädhetifch-liturgifche
Würdigung der ,erden Weltausdellung kirchlicher Kund',
welche fich dem freudig bewegten Katholiken in der
Ausdellung der dem Papde Leo XIII anläfslich des Jubiläums
dargebrachten Gefchenke und Huldigungen im
Vatikan repräfentirte. Es id begreiflich, dafs dem papd-
treuen Katholiken diefe Weltausdellung in erder Linie
als Ausdruck der Verehrung, welche dem Oberhaupt der
römifchen Kirche von allen Nationen des Erdkreifes gezollt
wird, in Betracht kommt und das Herz fchwellen
macht: haben doch nicht blofs die kirchlichen Gemein-
fchaften, nicht blofs die katholifchen Fürden, fondern
auch die .andersdenkenden' wie Kaifer Wilhelm I, der
mächtigde unter den protedantifchen Monarchen, der
Sultan, der König von Württemberg — um nur diefe zu
nennen — Huldigungsgaben von hohem Werthe über-
fandt; beziffert fich doch der materielle Werth der Gefchenke
, abgerechnet die Gaben der Fürden — auf 120
Millionen Franks. Aber abgefchen von der kirchenpoli-
tifchen Bedeutung der Jubiläumsausdellung, dem .idealen
Gehalte', wie fich Swoboda ausdrückt, die uns Protedanten
zu denken giebt, die aber hier zu erörtern nicht
der Ort id, intereffirt diefelbe unter dem ädhetifch-litur-
gifchen Gefichtspunkt. Stellt fie doch gleichfam ,eine
Momentphotographie' der kirchlichen Kund der Gegenwart
dar: .niemals hat man die kirchlichen Cultus- und
Kundgegendände der ganzen Welt, fogar aus Miffions-
gebieten, fo zahlreich vereinigt finden können'; dabei .
ging man gar nicht von der Abficht aus, eine eigentliche
officielle Kundausdellung zu verandalten, fondern in freiwilliger
Begeiderung wurde gefchenkt, was gerade für
das Bede und Tauglichde galt; dabei aber gab man fich
felbd, wie man eben war und id — naiv und unverhüllt
zeigen fich darum hier Vorzüge und Fehler, ,die auf
dreng cenfurirten Elite-Ausdellungen nicht wahrgenommen
werden'. Es id alfo der gegenwärtige Stand der
katholifchen kirchlichen Kund und des liturgifchen Ge-
fchmacks der römifchen Kirche, was fich dem Befchauer
aufdrängt. Es liegt auf der Hand, dafs Stil und Ge-
fchmack bedeutend von der Nationalität der Gefchenk-
geber beeinflufst id Unter diefem Gefichtspunkt läfst uns
der Verfaffer einen rafchen Rundgang durch die Ausdellung
machen, verweilt zuerd bei den einzelnen Nationalitäten
, charakterifirt dann die fürdlichen Gaben, um
zuletzt eine kurze Schilderung der Gaben zu entwerfen,
welche die aufsereuropäifchen Völker gefpendet haben.
Es kann hier nicht verfucht werden, dem Verfaffer, der
in Schilderung und kritifchen Bemerkungen fchon kurz
und bündig genug id, ins Einzelne zu folgen. Es mag
intereffiren, dafs er der deutfehen Nation hohe Anerkennung
zollt; Deutfchland ,dellt fich auf den erden Blick
durch die dilgerechte Zeichnung feiner prächtigen Para-
mente oben an. Darin überragt Deutfchland die einfchlä-
gigen Erzeugnifse aller anderen Länder'. Als Curiofum
fei erwähnt, als .Glanzdück Germania's', der Regensburger
Altar, der ,in imponirender Farbenpracht und Goldwirkung
ganz und gar gedickt id', wobei der Verfaffer freilich
gerechte Bedenken äufsert, ob ,die Idee, einen Altar von
A bis Z zu dicken, praktifch und ädhetifch vollkommen
gerechtfertigt fei'.

Nicht gündig äufsert fich der Verfaffer über den
franzöfifchen Theil der Ausdellung. .Blendend genug
und fehr reich dellt fich die kirchliche Kund Frankreichs
dar, aber bald fieht man ein unangenehmes Schwanken
zwifchen derbem Realismus und unfolidem Thcatereffect'.
Die Kritik wird hier dellenweife fehr fcharf, id aber —
foweit wir zu urtheilen vermögen, nicht unbillig. Manches
daraus dürfte fich die methodidifch-manieridifche Bild-