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Ausgabe:

1889

Spalte:

249-251

Autor/Hrsg.:

Schneller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Kennst du das Land? 1889

Rezensent:

Furrer, Konrad

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N° 10. 18. Mai 1889. 14. Jahrgang.

Schneller, Kennft du das Land? (Furrer).
Kennedy, Introduction to biblical Hebrew
(Schwally).

Strack, Die Sprüche der Väter, 2. Aufl.
(Kautzreh).

rtStwv, Karonxal Aarß'fftc (Meyer).

Möller, Leben und Briefe von Johannes Theodor
Laurent, 3. Thl. (Reufch).

Veen, De gereformeerde Kerk van Friesland

in den Jaren 1795—1804 (Eck).
Bern er, Licht und Schatten aus dem nord-

amerikanifchen Kirchenleben (Eck).
Döllinger, Akademifche Vorträge, 2. Bd.

(Harnack).

Nippold, Katholifch oder jefuitifchV (Fay).
Warneck, Der evangelifche Bund und feine

Leinz, Der Ehevorfchrift des Concils von Trient

Ausdehnung und heutige Geltung (Koehler).
Hübler, Die religiöfe Erziehung der Kinder

aus gemifchten Ehen (Koehler).
Polstorff. Die Taufen nicht mehr unmündiger,

aber doch nicht confirmationsfähiger Kinder

(Koehler).

F-iggenbach, Jefus nimmt die Sünder an,

Gegner (Fay). Predigten (Wächtler).

Schneller. Paft. Ludw., Kennst du das Land? Bilder aus
dem gelobten Lande zur Erklärung der heil. Schrift.
Jerufalem, Verlag des Syr.Waifenhaufes, 1889. (Leipzig,
Buchhandlung des Vereinshaufes.) (XIII, 386 S. gr. 8.)
M. 5.—; geb. M. 6.20.
Ein dichterifch begabter, akademifch gefchulter und
von zarter Jugend an mit Land, Volk und Sprache
Paläftina's genau vertrauter Autor bietet uns im vorliegenden
Buch mannigfaltige Beiträge zu einem con-
creteren lebendigen Verftändnifs der Bibel. Schwungvoller
Stil, dem auch der Humor gelegentlich dient,
warmes Gefühl, confervative Bibelgläubigkeit werden
feiner Schrift in weiten Kreifen Freunde fchaffen. Auch
die VViffenfchaft wird von Manchem, was hier ein Landeskenner
, der aus dem Vollen fchöpfen konnte, erzählt,
gerne Notiz nehmen, während fie Anderes, das ebenfalls
wohlgemeint und oft finnig begründet ift, abweifen mufft.
Dafs ein Paftor in Bethlehem die Weihnachtserzählungen
von Matthäus und Lukas als buchftäbliche Wahrheit auf-
fafst und daher in den Rahmen der greifbaren Wirklichkeit
einfpannen will, ift fehr begreiflich. Unbefangene
Kritik jedoch kommt über eine ftarke Discrepanz zwifchen
Matthäus und Lukas nicht hinaus und weift jeden Ver-
fuch ab. den Stern der Weifen natürlich zu deuten. Sie
nimmt hier, wie bei vielen anderen morgenländifchen
Berichten, die Wahrheit aus der Hand der Dichtung und
entgeht damit der Gefahr, den Goldduft unfagbar lieblicher
und tieffinniger Legenden abzuftreifen. Lehrreich
und anfehaulich erzählt der Verf., wie die Kinder im
gelobten Lande die Hochzeitsgebräuche und Todten-
klagen nachahmen, wie ,Grüfsen' im Volksmund fo viel
als .einen Befuch machen' bedeutet, wie man dem Frie-
densgrufs eine faft magifche Wirkung zufchrieb, wie die
Scene, die fich zwifchen dem Hethiter und Abraham beim
Verkauf der Höhle Machpela abfpielte, bis auf den Wortlaut
fich noch heute wiederholt, wie bei gewiffen Feften
die Jünglinge durch die Feuer fpringen in dunkler Erinnerung
an keineswegs harmlofe Brandopfer u. f. w.
Der dichterifche Schwung verleitet bisweilen den Verf. zu
übertriebenen Ausdrücken. So fagt er, Bethlehem liege
im Kranze feiner felfigen Berge wie ein Königskind von
Riefen bewacht, während diefe Berge entweder durch-
fchnittlich nur 30 Meter Bethlehem überragen, oder dann
niedriger als letzteres find. Taufend Schluchten und Klüfte
(S. 26) am Weflabfall des moabitifchen Hochlandes find
zu viel. Der Tabor (S. 40) ift keineswegs einer der
fchönften Berge, infofern er mit dem Filzhute eines alten
napoleonifchen Sergeanten eine auffallende Aehnlichkeit
hat. Eben fo wenig kann Referent zugeben, dafs Paläftina

je eines der herrlichften Länder der bekannten Welt war,
da es nach Geftalt und Fruchtbarkeit des Bodens den
Vergleich mit fo vielen Gebieten von Syrien, Kleinafien
und Südeuropa nicht aushält. Das Volk, deffen Kleinod
ein erhabener religiöfer Idealismus war, bedurfte einer
Heimat fchlicht und recht, keiner Paradiefesfülle. Der
Djebel Usdom ift kein ungeheuerer Steinfalzberg (S. 2S3),
fondern ein theilweis aus Steinfalz beftehender Hügelwall
von etwa 80 Metern Höhe. Da die feftive Schrift
des deutfehen Paftors in Bethlehem gewifs auch unter
den Lefern diefes Blattes viele Freunde gewinnen wird,
füge ich hier gleich einige weitere Correcturen bei. Das
Dach der Geburtskirche in Bethlehem ift mit Blei, nicht
mit Schiefer bedeckt (S. 281. Jer. 18, 14 ift meines Erachtens
mit Graf zu überfetzen: ,Weicht denn vom weit-
fchauenden Fellen der Schnee des Libanon? oder ver-
fiegen die quellenden, wallenden, riefelnden Vaffer?'
(S. 58). Von Werten her münden in den Jordan doch
nicht blofs Regenbäche (S. 69), fondern auch perenni-
rende, z. B. Rabadie, Ain Tabigha, Ain Djalud, Wadi
Farah. Datteln (S. 79) kann man nicht unter die Früchte
des h. Landes zählen, da fie fchon bei Gaza nicht mehr
reif werden und die Palmengärten Jericho's längft ausgetilgt
find. Nicht alle Häufer (S. 112) in Paläftina find
von maffivem Stein gebaut; in einzelnen Gegenden herr-
fchen vielmehr die aus Luftziegeln erftellten Hütten vor,
was im Alterthum gemäfs vielen Stellen der Bibel noch
mehr der Fall war. Die Unterbauten der Plattform der
Mofchee es-Sachra, fowie des ganzen Haram flammen
nur zum geringften Theil von Salomo (S. 204). Das
Praetorium, in welchem Pilatus zeitweilig refidirte, befand
fich in der Oberftadt und darf mit der Antonia nicht
identificirt oder derfelben angereiht werden. Die Echtheit
von Golgatha (S. 245) fleht mir aufser Zweifel, da
hier die Tradition niemals unterbrochen wurde und der
Ort zur Zeit Conftantin's auch gar nicht in Frage kam.
Da aber in der Nähe des traditionellen Golgatha's eine
Reihe jüdifcher Felfengräber zum Theil bis auf den heutigen
Tag fich erhalten haben, fo ift's doch höchft wahr-
fcheinlich, dafs in einem derfelben der Leib Chrifti geborgen
wurde. S. 287 und anderwärts müffen die Nelkenbäume
des Setzers in Nebekbäume des Manufcriptes
umgewandelt werden. Die Ebene füdlich von Beerfeba
(S. 318). ift nicht von Sand bedeckt, fondern in guten
Jahren ein gras- und blumenreiches Land, deffen herrliche
Frifche erft der ftarken Sommerhitze weicht. Von
Nain aus (S. 344) find die Berge Gilboa's nicht fichtbar,
ebenfowenig die Ränder des Genezarethbeckens. Der
Scarabäuskäfer (S. 357) ift zum Symbol des Ptah, des
Weltenfchöpfers, geworden, weil er eine Kugel mit feinen

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