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Ausgabe:

1889 Nr. 9

Spalte:

228-230

Autor/Hrsg.:

Forbes, John

Titel/Untertitel:

Studies on the book of Psalms 1889

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 9.

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wenig. Mit forgfältiger Benutzung des in dem letzten
Jahrzehnt fehr angewachsenen Vorraths an Lesarten und
Vermuthungen ändert er den Text an fehr vielen Stellen,
ftreicht und ergänzt Worte und Sätze, deutet Lücken
an, löft nicht zufammengehörige Stücke von einander,
läfst endlich Worte und Sätze unüberfetzt, die er weder
zu verliehen, noch einleuchtend zu verbeffern weifs. Den
Vorwurf der ,Subjectivität' fieht er voraus; doch meint
er, ,einer Subjectivität, die fich bilde, regle und bezeuge
durch kritifche Methoden und Grundfätze, brauche man
fich nicht zu fchämen'. Er zieht fie der Willkür vor, die
das Unverftändliche zu überfetzen wage (S. X). Diefe
Abweichungen von der Ueberlieferung find leider in der
Ueberfetzung nur zum kleinften Theile bemerklich gemacht
. Für Lücken (19, 5 [lies fo ftatt 4]. 7. 69, 5. 71,
19. 89, 9. 144, 14) und unüberfetzt gelaffene Stellen (2,
12a«. 64, 9a. 141, 6) fteht dasfelbe Zeichen * * *; Ergänzungen
des Textes find durch [ | angedeutet, freilich
nicht regelmäfsig, vgl. 24, 6 ,Jacob's God'; Zerlegung
der Pfalmen in verfchiedene Stücke durch Ueberfchriften
(Pf. 19. 24. 27. 36. 55. 77. 81. 95). Streichungen find nur
dann erkennbar, wenn ganze Verfe und damit deren
Ziffern ausfallen, fonft nicht; Aenderungen des vorliegenden
Wortlautes, weitaus die gröfste Zahl, gar nicht.
Hier ift nicht folgerichtig und nicht richtig verfahren.
Nicht folgerichtig; denn wenn es galt, den Lefer zu mög-
lichft ungeftörtem Genufs kommen zu laffen, fo durften ;
nur die unausgefüllten Lücken und die Loslöfung fremder
Stücke bemerklich gemacht werden, die | j (und auch j
() bei Zufätzen, die nicht für den Urtext gelten) mufsten 1
fortbleiben. Nicht richtig, denn der Lefer follte
doch wenigftens einen Ueberblick erhalten, wieviel und
wo geändert fei. Erfchien auch eine Randcolumne mit
ganz kurzen Siglen wie -f-, — u. f. w. als zu ftörend, fo
hätte eine fortlaufende Fufsnote oder eine Schlufsnote
hinter jedem Pfalm, vor dem Commentar, das Nothwen-
digfte bieten können. Viel ftörender ift jetzt, dafs der
Lefer, wo er nicht ausfchliefslich aefthetifche oder erbauliche
Zwecke verfolgt, den hebräifchen Text von Wort
zu Wort mit dem Finger verfolgen mufs. Vielleicht
findet der praktifche Sinn des Verfaffers für die folgenden
Auflagen eine allen Anfprüchen genügende Auskunft, j
— Die Ueberfetzung ift würdig, fchön und klar, und
wird gewifs für England viel dazu beitragen — nach
einem Ausfpruch von Brewer S. VIII — ,den ftarken |
Sinn der Pfalmworte aus dem erbaulichen Staub leerer j
Allgemeinheiten, in den das heutige Gefchlecht ihn nieder-
geriffen hat', wieder aufzurichten. In der Einleitung und
dem Commentar ift fie orientirt an einer Menge von
anderen Ueberfetzungen in neuere Sprachen, befonders
dichterifchen, eine höchft dankenswerthe Zugabe. Auch
unfer Herder kommt dabei zu verdienten Ehren. Dem
dichterifchen Bau in Verfen und ,Strophen' widmet Ch.
gebührende Sorgfalt. Dafs er mehr nach dem Gefühl !
verfährt, als nach, einem feiten Syftem, entfpricht ja der
Sachlage. Indeffen follte der Lefer wenigftens kurz über
die Grenzen des Sicheren und Wahrfcheinlichen auf
diefem Gebiete belehrt werden. Das hätte doch wohl in
diefen Band gehört, nicht in den verfprochenen zweiten.
Im einzelnen bedaure ich, dafs er die Bedeutung des
AV«rt-Verfes nicht erkannt oder doch nicht in ihrer ganzen
Tragweite gewürdigt hat. Durch Trennungsftriche angedeutet
ift er in Pf. 19, 8ff. und Pf. IOI, fonft gelegentlich
mit unbeftimmten Bezeichnungen (bei Pf. 19 five-
toned lines) erwähnt. Zu Pf. 27. 42 h 120—135 u. f. w.
würde die genaue Verfolgung diefes Leitfadens bei einem
fo fcharffichtigen Beobachter ficher werthvolle Ergebnifse
geliefert haben. Die Auslegung umfpannt einen aufser-
gewöhnlich weiten Gefichtskreis: neben Religion und
Literatur der verwandten und benachbarten Völker, befonders
der Affyrer und Babylonier, wird Auslegungsftoff
aller Art von allen Seiten herangezogen, und es gelingt
dem Verf. vortrefflich, alles zu einem Ziele wirken zu

laffen und dem Lefer Stoff zum Nachdenken und zur
Vertiefung der angeregten Gedanken zu bieten. Prunken
mit Gelehrfamkeit oder müfsiges Geiftreichthun liegen
ihm fern. Wer das Buch lieft, wird es dem Verf. auf's
Wort glauben, dafs ,das Buch mit Liebe gefchrieben ift'
— dafs ,er feine Freude an diefem Buche der Lobge-
fänge gehabt hat, gleicherweife wegen feiner dichterifchen
Schönheit, feiner kritifchen und exegetifchen Probleme
und feiner reichen gefchichtlichen und religiöfen Bedeutung
', dafs er felbft ,in dunklen und heiteren Tagen feine
Botfchaften' vernommen hat (S. X). Welchem Ausleger
follte man das nicht glauben? Aber nicht jedem ift die
Gabe verliehen, diefe Botfchaften fo frifch, fo warm, fo
herzerquickend Anderen zu überliefern, wie es ihm gelungen
ift.

Das Buch ift Franz Delitzfch gewidmet, feine Vorrede
fchliefst mit einem warmen Lobe Heinrich Ewald's,
die tieffte Würdigung deutfeher Geiftesarbeit und deut-
fchen Glaubens durchweht das ganze Buch. Möchte es
auch in Deutfchland die Stätte finden, die ihm gebührt,
damit die Quellen, die von uns ausgeholfen find, reicher
und neu befruchtend wieder zu uns zurückftrömen'.

Strafsburg i. E. K. Budde.

Forbes, em. Prof. John, D. D. LL. D., Studies on the book

of Psalms. The structural connection of the book of
.Psalms, both in single Psalms and in the Psalter as
an organic whole. Edited by theRev. James Forrest,
M. A. Edinburgh, T. & T. Clark, 1888. (XI, 276 S.
gr. 8.) geb.

Der Verfaffer ift nach der Vorrede noch unter den
Lebenden und nur durch vorgerücktes Alter an der Herausgabe
, ja felbft am vollen Abfchlufs feines letzten
Werkes verhindert worden; aber augenfeheinlich trägt
dasfelbe durchaus das Gepräge feiner höchft eigenartigen
Perfönlichkeit und ift die Frucht des Grübelns und Sinnens
langer Jahre, wohl eines ganzen langen Lebens. .Ordo
Psahnorutn mihi niagni sacramenti videtur continere secre-
tumL, diefer Ausfpruch aus Auguftinus in Ps. CL. enarratio,
ift das Motto des Buches, und der Erforfchung diefes
Geheimnifses ift es von Anfang bis zu Ende gewidmet.
Durch eine Kunft, die man Arithmofophie und Gramma-
tomyftik nennen dürfte, fchliefst der Verf. dem Pfalter
die Lippen auf und entlockt ihm die weittragendften
Enthüllungen. Diefe verborgene Kraft der Zahl wirkt
nach feiner Ueberzeugung durch den ganzen Organismus
des Pfalters, von feinen kleinften bis zu den gröfseften
Einheiten, von dem Parallelismus der Versglieder bis zu
dem der Bücher und Buchgruppen. Eine Ueberficht des
Inhalts läfst fich bei der, foweit ich fehen kann, ganz
regellofen Folge der Beobachtungen (vgl. dazu das gute
Inhaltsverzeichnifs S. VII—XI) nicht geben, und da die
Zahlenmyftik im Kleinen uns befonders durch Hengften-
berg einigermafsen geläufig ift, fo will ich mich darauf
befchränken, die grofsen Züge in der Hauptfache als
Beifpiel vorzulegen, wefentlich nach der Einleitung S. I—17.

Wie der 7armige goldene Leuchter mit je 3 Seiten-
und einem Mittelarm befteht der Pfalter aus lieben
Büchern (Buch 5 = 107—117; 6= 118—135; 7 = 136—150,
vgl. dazu S. 79 Anm.), nämlich drei Amenbüchern zum
Anfang, drei Hallelujahbüchern zu Ende, einem einigenden
Amen-Hallelujahbuch in der Mitte. So nach den
Schlufsformeln eines jeden Buches. Amen findet fich
im Pfalter nur dort, im ganzen fiebenmal: dreimal
doppelt, einmal einzeln mit folgendem Hallelujah. Von
diefem finden fich vierundzwanzig, entfprechend der
Zahl der Abtheilungen der Leviten und Sänger, vier in
den drei letzten Pfalmen von Buch IV, zehn in Buch V
und VI (und zwar fieben und drei), zehn endlich in
Buch VII. Von den Amen- zu den Hallelujah-Büchern
befteht ein Fortfehritt, der Bedeutung diefer Worte ent-