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Ausgabe:

1889

Spalte:

1-5

Autor/Hrsg.:

Wölfflin, Ed.

Titel/Untertitel:

Pseudo-Cyprianus (Victor) de aleatoribus 1889

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 1.

12. Januar 1889.

14. Jahrgang.

Wölfflin, Pfeudo-Cyprianus de aleatoribus
(Harnack).

Keil, Das Priefterjubiläum des Papftes (Fay).
Wigand, Heinrich W. 1. Thierfch's Leben
(Kaftan).

Schnedermann, Von dem Beftande unferer

Gemeinfchaft mit Gott durch Jefum Chriftum
(Kaftan).

Mason, The faith of the gospel (Kaftan).
Weidner, A fyftem of dogmatic theology, I
(Härtung).

Luthardt, Gefchichte der chriftlichen Ethik
I. Hälfte (Lobftein).

Luthardt, Zur Ethik (Lobftein).
Eichhorn, Das evangelifche Predigerfeminar
(Diegel).

Palmie, Evangelifche Schulagende (Griinberg).
Mittheilungen über die konfeffionellen Verhält-
nifse In Württemberg, 12. Heft (Fay).

Wölfflin Ed Pseudo-Cyprianus (Victor) de aleatoribus (Ar- ; faffers unferes Tractats von Tertullian und Cyprian, be-

chiv für l'ateinifche Lexikographie V, Heft 3. 4, S. ; ziehungsweife ein fpäteres Alter desfelben ift daher nicht

, —. . . . oyo Ichon dann zu conltatiren, wenn er überhaupt in Wort-

487—499). Erlangen, Deichert, 18SS. , fchatz „nd Wortformen mit ihnen zufammentrifft, fondern

Profeffor Wölfflin hat, angeregt durch meine Ab- | nur wenn charakteriftifche Gedankenzüge und frappante
handlung über die Schrift de aleatoribus, eine höchft Ausdrücke hier und dort identifch find. So fehr ich mit
dankenswerthe Unterfuchung über die Sprache (Wort- Wölfflin darin übereinftimme, dafs Tertullian ein Sprachfehatz
und Wortformen) derfelben veröffentlicht. Er . meifler gewefen ift, der Verfaffer unferes Tractats aber
hat dabei dargethan, dafs die Recenfton der Schrift, | ein untergeordneter Schriftfteller, fo fehr ift doch auch
welche Härtel gegeben hat, und der ich im Wefentlichen : andererfeits die triviale Wahrheit zu betonen, dafs fchon
gefolgt bin, der Verbefferung bedürftig ift, und dafs na- | vor Tertullian Chriften Latein gefprochen und gefchrieben
mentlich die Autorität des Cod. D als eines interpolirten , haben, und dafs auch bereits kirchliche tervuni technici
hinter der der anderen Codd. zurückzutreten hat. Er j vorhanden gewefen find.

hat ferner eine Reihe von verderbten Stellen glücklich | Prüfen wir nun der Reihe nach die fprachlichen Ar-
geheilt und den Weg gewiefen, um den Fehlern anderer gumente, welche Wölfflin beigebracht hat.
Stellen beizukommen. Auch er conftatirt, dafs die Schrift Q, u p. 30, 7 meiner Ausgabe: ,abscide manum

im Vulgärlatein gefchrieben ift, dafs der Verfaffer daher [ tuam'. Wölfflin bemerkt, dafs ,absade' eine jüngere
nicht im Kreife der Gebildeten im engeren Sinn des Ueberfetzung des griechifchen anöv.n}.>ov (Matth. 5, 30)

Wortes zu fachen ift, ja dafs noch eine gröfsere Anzahl
von vulgären Formen in den Text zu fetzen ift, als Härtel
und ich gethan haben. Von S. 494 fin. bis 499 ftellt
aber der Verfaffer fprachliche Indicien zufammen, die es
wahrfcheinlich machen follen, dafs die Schrift nicht am
Ende des 2. Jahrhunderts, fondern nach Tertullian's, ja
nach Cvprian's Zeit verfafst ift. ,Die theologifchen Ar

zu fein fcheint, während Tertullian ,praeeide' oder ,au<-
putal vorfand {de idolol. 7). Soweit lind wir indefs, wie
Wölfflin felbft andeutet, in der Italaforfchung noch nicht,
werden auch fchwerlich je foweit kommen, dafs man
behaupten könnte, ein am Ende des 2. Jahrh. lebender
Schriftfteller habe nicht .abscide manum' fchreiben können.
C. 7 p. 25, 3 quisque {— quiennque) dei servus. So

gumente ganz aus dem Spiel gelaffen, würden wir unfer , konnte, bemerkt Wölfflin, von Minucius Felix an Je
Urtheil dahin abgeben, dafs die Schrift nach Cyprian, 1 dermann, namentlich in Afrika fchreiben. Ebenfo bietet
wahrfcheinlich von einem Afrikaner gefchrieben fei'. Minucius Felix perierare {de aleat. 9 p. 26, 14). Allein
Wölfflin erinnert mich an mein früheres ähnlich lauten- j Wölfflin felbft macht darauf aufmerkfam, dafs fich Beides
des Urtheil {Prolegg. zum Hirten des Hermas 1877) und ! auch bei Plautus findet. Alfo läfst fich hier ein chrono-
bemerkt: ,Das alte Sprichwort «1 OWtiqat (pQnvziot$ l logifches Argument nicht gewinnen: es find alte vulgäre
äftsivoveg fcheint in vorliegendem Fall nicht zuzutreffen'. Ausdrucksweifen. ,Auch der Gebrauch von ipse = idem
Ich brauche nicht erft zu verfichern, dafs ich herz- {de aleat. 5 p. 21, 1) ift echt afrikanifch und feit Minu-
lich dankbar fein würde, wenn man mich von der Un- cius Felix und Tertullian bezeugt'. Dann wird es wohl
richtimkeit meiner Thefe, der Verfaffer der Schrift de keine Schwierigkeit haben anzunehmen, dafs auch ein
aleatoribus fei Victor I., überzeugt. Allein andererfeits anderer, um 192 fchreibender, Lateiner ipse für idem
halte ich die von mir beigebrachten theologifchen d. h. | gebraucht hat, ohne es von Tertullian gelernt zu haben,
hiftorifchen Argumente für fo ftark, dafs ich nicht glaube, j ,Quia und quoniam nach Verbis diceudi et seutieudi
fie feien durch fprachliche Erwägungen allein zu ver- : weift auf die Zeit des Tertullian, Apuleius, Cyprian,
nichten. Jedenfalls müfsten diefelben von höchfter Stärke , während quod (6Y<) fchon dem Verfaffer des bellum Hi-
fein, um jenen den Garaus zu machen. Allein von vorn- | spaniense geläufig war. Wenn aber Rofe für quoniam
herein ift die Ausficht, ftarke fprachliche Gründe zu ge- die einzige Stelle Tertull. de baptismo 10 anführt, der
winnen, gering. Tertullian, Cyprian und Novatian haben ! kurze Tractat de aleat. dagegen zwei enthält (c. 3 p. 16,
bekanntlich nicht Vulgärlatein gefchrieben; wir befitzen ■ 8; c. 8 p. 25, 13), fo wird man eine folche Neuerung bei
überhaupt nur ein verfchwindend geringes Material, um dem grofsen Sprachbildner zwar nicht auffallend finden,
die Frage zu beantworten, wie das Vulgärlatein eines den Anonymus aber ungern fich als Vorläufer desfelben
zwifchen 180 und 250 fchreibenden römifchen oder afri- denken'. Ich geftehe, dafs ich diefe Argumentation nicht
kanifchen Chriften nach Wortfehatz und Wortformen ge- verliehe. Bedarf es eines ,grofsen Sprachbildners', um
Haltet gewefen ift. Zwar befitzen wir die fog. Itala; ; ,scire quoniam1 zu fchreiben? Ift es nicht vielmehr um-
allein bekanntlich hat diefe alte Ueberfetzung von An- ! gekehrt fehr wohl verftändlich, dafs der grofse Sprachfang
an und fort und fort Veränderungen erfahren, fo bildner in der Regel fo nicht gefchrieben hat, dafs aber
dafs es überaus fchwierig ift feftzuftellen, wie fie ur- j ein vulgärer Schriftfteller vor oder neben ihm an dem
fprünglich gelautet hat. Eine Abhängigkeit des Ver- I Ausdruck keinen Anrtofs nahm? Die richtige Argumen-

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